Keine Verschleppung der Zeitverwendungsstudie!

Wissenschaftlerinnen fordern Aufwertung von systemkritischen Berufen und Umsetzung der Zeitverwendungsstudie

Wien (OTS) – 50 Wissenschaftlerinnen, allesamt Trägerinnen des renommierten Käthe Leichter-Preises, setzen sich für die Stärkung der feministischen Wissenschaft und die konsequente Einbindung der feministischen Perspektive in den demokratiepolitischen Diskurs ein. „Bei der Covid-19 Krise hat sich die strukturelle Schwäche Österreichs deutlich gezeigt, die Krise trifft die Schwächsten in unserer Gesellschaft besonders hart. Arbeiterinnen und in systemrelevanten Berufen Tätige dürfen nicht mit Einmalzahlungen abgespeist werden. Die Regierung hat bisher keine bzw. die falschen Ableitungen getroffen“, so die Initiatorinnen Traude Kogoj, Ingrid Moritz und Anna Steiger.

Katharina Mader, Käthe-Leichter Preisträgerin 2019, stellt in ihrer neuesten Studie über genderspezifische Effekte von Covid-19 fest: “Krisen wie die aktuelle wirken immer wie Vergrößerungsgläser. Es zeigen und verstärken sich Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, aber auch zwischen Klassen, zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund usw. Unsere Ergebnisse zeigen die Doppel-und Dreifachbelastungen von Frauen im Zuge des Lockdowns, denn offensichtlich haben die zugehörigen Partner nicht gefunden, dass die Hälfte der unbezahlten Arbeit im Haushalt und bei der Kinderbetreuung ihnen gehört. Wir stellen fest, Emanzipation hat nicht so stattgefunden wie wir bisher gedacht haben. Wenn eine Gesellschaft nach mehr Geschlechtergerechtigkeit strebt, dann muss es ganz wesentlich um eine Umverteilung der unbezahlten Arbeit im Privaten gehen.”

Edeltraud Ranft, Käthe-Leichter Staatspreisträgerin 1995, fordert eine Neubewertung der Arbeit: “Dem vorübergehenden Beklatschen und über die eventuelle aktuellen Bonsuszahlungen hinaus müssen gezielt Aufwertungsstrategien (sowie eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen) folgen. Unerlässlich dabei ist, die Bewertungs‐ und Entgeltssysteme einer diskriminierungskritischen Prüfung zu unterziehen, um konkrete Ansatzpunkte für Verbesserungen zu haben.“ Über 70 % der in systemrelevanten Berufen Tätigen sind Frauen. Ihre Einkommen zählen zu den geringsten in Österreich. In einigen Dienstleistungsbereichen haben sie sich im Vergleich zu 2014 sogar um weitere 7 % verschlechtert.

Nadja Bergmann, Käthe-Leichter Preisträgerin 2015, verweist auf weitere Verwerfungen, die sich aus der Digitalisierung der Arbeit zum Ungunsten der Frauen abzeichnen: “Zukünftig werden digitale Kompetenzen eine immer größere Bedeutung bei der (monetären) Bewertung von Berufen spielen. Fallstudien zeigen, dass digitale Kompetenzen bei frauendominierten Berufen, etwa im Handel, Pflege oder Reinigung gerne ‚übersehen‘ und/oder nicht gefördert werden. Die Gefahr einer wachsenden ‚digitalen Kluft‘ mitsamt größer werdender Einkommensunterschiede zeichnet sich ab – zum Nachteil vieler systemrelevanter Berufe“, so das vorläufige Ergebnis von einer Studie zum Thema gleichstellungsrelevante Aspekte der Digitalisierung der Arbeitswelt von Nadja Bergmann, L&R Sozialforschung. Und: „Es gilt also zwei Hebel in Bewegung zu setzen: zum einen müssen digitale Kompetenzen bei allen Beschäftigten – nicht nur beim ‚klassischen Programmierer‘ – in die Arbeitsbewertung einfließen und gefördert werden. Zum anderen müssen trotz des Digitalisierungs-Hypes auch noch andere Aspekte – Stichwort z.B. ‚Emotionsarbeit‘ – in Arbeitsbewertungen berücksichtigt werden. Die Sozialpartner aber auch die Politik ist hier gefordert, dass die bedeutsamen Arbeitsplätze eine Aufwertung erfahren und nicht weiter abgehängt werden.“

Eingedenk der aktuellen Studien fordern die über 50 Wissenschaftlerinnen eine sofortige Aufwertung der Arbeit in systemrelevanten Berufen. Überdies muss die Regierung die Eurostat Zeitverwendungsstudie umgehend in Auftrag geben. Eine weitere Verschleppung würde die empirisch fundierte, wissenschaftliche Arbeit unmöglich machen!

Traude Kogoj (traude.kogoj@oebb.at)

Ingrid Moritz (ingrid.moritz@akwien.at)

Anna Steiger (anna.steiger@tuwien.ac.at

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