ZDF-Programmhinweis / Mittwoch, 15. Juli 2020, 22.45 Uhr / „ZDFzoom“
Mainz (ots) –
ZDF-Programmhinweis / Mittwoch, 15. Juli 2020, 22.45 Uhr
Bitte aktualisierten Programmtext beachten!!
Mittwoch, 15. Juli 2020, 22.45 Uhr
ZDFzoom
Tönnies und die Werkverträge
Ausbeutung mitten in Deutschland
Film von Oliver Koytek, Jochen Schulze und Anja Marx
Nach massenhaften Corona-Infektionen in Deutschlands größtem
Schlachtbetrieb Tönnies diskutiert ganz Deutschland über die Arbeits-
und Lebensbedingungen von Werkvertragsmitarbeitern.
Die deutsche Fleischindustrie ist zum Brennglas für prekäre
Arbeitsverhältnisse, gierige Unternehmer und machtlose Gewerkschaften
geworden. Ist der deutsche Arbeitsmarkt ein moderner Sklavenmarkt?
„ZDFzoom“ beleuchtet die Hintergründe.
Die Tönnies Holding ist Deutschlands größter Schlachtbetrieb. Rund 25
000 Schweine werden täglich im Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück getötet
und verarbeitet. Die überwiegende Zahl der Produktionsmitarbeiter
kommt aus Osteuropa und ist mit Werkverträgen beschäftigt. Sie sind
oft bei Subunternehmen angestellt, die ihre Mitarbeiter häufig in
ausbeuterische Arbeitsverhältnisse drängen.
Werkverträge sind nicht nur in der Fleischindustrie üblich, sondern
auch zum Beispiel im Bausektor, der Logistikbranche, bei
Gebäudereinigern oder in der Automobilindustrie – also überall dort,
wo Arbeitgeber ihre Beschäftigten nicht fest anstellen wollen, um
hohe Lohnkosten zu vermeiden. Das kritisiert Prof. Dr. Marcel
Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung scharf.
Inflationsbereinigt seien die Unternehmensgewinne in den vergangenen
30 Jahren um fast 80 Prozent gestiegen, die Reallöhne dagegen nur um
rund 15 Prozent. Das verursache ein gefährliches Schrumpfen der
Mittelschicht.
Deutschland hat heute den größten Niedriglohnsektor in ganz
West-Europa. Ursache dafür ist auch die Flexibilisierung des
Arbeitsmarktes unter Gerhard Schröder im Rahmen der Agenda 2010.
Heute versucht die SPD unter Arbeitsminister Hubertus Heil
gegenzusteuern, doch in den Augen vieler Experten, wie zum Beispiel
Prof. Stefan Sell, Direktor des Instituts für Sozialpolitik und
Arbeitsmarktforschung der Hochschule Koblenz, greifen Heils
Reformvorschläge nicht weit genug.
Dass es auch anders geht, zeigt ein Besuch in Dänemark, ebenfalls
einer der ganz großen Schweinefleischproduzenten in Europa. Trotzdem
gibt es in der dänischen Fleischindustrie keine vergleichbaren
Corona-Ausbrüche wie beim deutschen Marktführer Tönnies. Ein Grund
dafür: Werkverträge mit Subunternehmern gebe es nicht, alle
Mitarbeiter seien beim Unternehmen fest angestellt und in der Regel
gewerkschaftlich organisiert. „In Dänemark muss kein Mitarbeiter
befürchten, wegen Krankschreibung seinen Job zu verlieren“, so Jensen
von der dänischen Lebensmittel-Gewerkschaft. Das sei in Deutschland
anders.
Die Autoren der Dokumentation sprechen mit Werkverträglern,
Gewerkschaftsvertretern, Wissenschaftlern, Aktivisten und Politikern.
Sie gehen dabei der Frage nach, ob die prekären ausbeuterischen
Beschäftigungsverhältnisse den Sozialstaat aushöhlen und zur
Gewinnmaximierung der Unternehmen im großen Stil missbraucht werden.
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