1LIVE-Interview mit MoTrip: “Irgendwann haben wir uns dran gewöhnt, dass die Welt brennt.”

Köln (ots) –


Hip-Hop-Star MoTrip spricht im 1LIVE-Interview darüber, wie er die
Zeit während des Lockdowns verbracht hat, warum er momentan keine
Party-Musik machen kann und wie sehr ihn die Bilder von der Explosion
in seiner Heimatstadt Beirut belasten.

1LIVE Moderator Michael Imhof: Was hast du jetzt in der ganzen
Corona-Zeit gemacht. Wie hast du die Zeit verbracht?

MoTrip: Viel mit der Familie, ganz viel mit der Familie. Das, was ein
Familienvater dann so macht in so einer Zeit. Und ich habe natürlich
auch an Musik gebastelt, kein Witz. Aber die Inspiration war
irgendwie auf einmal eine völlig andere. Die Songs, die entstanden
sind, waren dumpf und düster und irgendwie isoliert.

“Das ganze Album soll einfach nicht so klingen wie Emotionen aus dem
Lockdown.”

Das ganze Album soll einfach nicht so klingen wie Emotionen aus dem
Lockdown. Deswegen bin ich jetzt in Freiheit wieder am Musizieren und
wir basteln auch nach wie vor. Es ist auch was geblüht in der Zeit.
Wir haben Fahrradfahren geübt vor der Garage. Die ganzen Klassiker,
das 360-Grad-Paket von einem rappenden Vater.

1LIVE Moderator Michael Imhof: Aber du sagst ja selbst, in dieser
Zeit der Isolation: Das spiegelt sich sofort in deiner Musik wider.
Du hast düstere Songs gemacht. Bist du jetzt aus dieser Phase wieder
raus, wird es jetzt wieder fröhlicher?

MoTrip: “Ich möchte das Gespräch nicht runterziehen, aber ich bin
alles andere als fröhlich tatsächlich. Ich bin froh, dass es mir
leichtfällt zu lachen. Und ich werde schönerweise vom Leben
gezwungen, das Positive zu sehen. Wenn ich besagte Familie ansehe
oder mein Sohn vom Kindergarten kommt und etwas Positives erzählt,
dann ziehe ich jetzt keine Miene.

“Ehrlicherweise bin ich emotional total angekratzt!”

Aber ehrlicherweise bin ich emotional total angekratzt! Unabhängig
davon, dass die Welt im übertragenen Sinne oder teilweise auch real
brennt, ist jetzt in meiner Heimatstadt, in der ich geboren wurde, in
Beirut, ja auch ein Vorfall gewesen, der uns sehr, sehr berührt und
schockiert hat. Und ehrlicherweise bin ich momentan alles andere als
einfach nur positiv geladen bzw. fröhlich. Wenn ich jetzt ein Album
rausbringen würde – nur die Emotionen, die gerade in mir schlummern –
das wäre nicht so ein fröhliches Party-Album, ehrlich gesagt.

Olli Briesch, 1LIVE Moderator: Das heißt, du verfolgst natürlich,
denke ich mal, stündlich, was so passiert in Beirut?

MoTrip: Ja, selbstverständlich. Zur Wahrheit zählt, dass ich mich
hinterfragt habe, auch als ich gemerkt habe, wie sehr er mich das
beschäftigt. Weil ich mich eigentlich – besonders wahrscheinlich,
weil ich in Deutschland aufgewachsen bin – bei aller Bescheidenheit
für sehr weltoffen gehalten habe und auch halte. Und ob jetzt etwas
in Schweden oder im Libanon passiert – ich habe nicht gedacht, dass
mich das so unterschiedlich trifft. Aber das fühlt sich schon so an,
als ob das Nest, in dem man das Fliegen gelernt hat, verbrennt und es
hat doch einen direkteren Draht zu uns. Also diese Schockwelle von
dieser Explosion, die wir wahrscheinlich alle gesehen haben, kam auch
bis hier an.

“Ich habe mit meinem Bruder am Abend am Telefon gehangen unter Tränen
über unsere Heimat gesprochen.”

Ich habe mit meinem Bruder am Abend am Telefon gehangen unter Tränen
über unsere Heimat gesprochen. Ich habe mich vielleicht auch zu viel
damit beschäftigt. Ich habe da Sachen gesehen, die tatsächlich nicht
mehr aus dem Gehirn wollen und ich finde nicht den Punkt, an dem ich
das Ganze irgendwie überwunden habe. Das wundert mich schon fast.
Weil, das klingt vielleicht auch bitter, aber irgendwann haben wir
uns daran gewöhnt, dass die Welt brennt. Wir haben uns einfach in ein
klimatisiertes Auto gesetzt und da war es dann kühl. Diesmal finde
ich dieses Auto nicht, das kühl genug ist, um die Gemüter wieder zu
beruhigen.


Das Interview wurde vorab aufgezeichnet und wird am 13.08.2020 in der
Frühsendung mit Olli Briesch und Michael Imhof ausgestrahlt.
Voraussichtliche Sendezeit ist 08:12 Uhr.

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Stephanie Noack
WDR Kommunikation
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