Österreichische Handwerksbranche: Steigender Fachkräftemangel wegen Corona?

Schon Ende des vergangenen Jahres sprach die Österreichische Wirtschaftskammer von zunehmendem Fachkräftemangel. Hiervon besonders betroffen: das österreichische Handwerk. Durch die Coronakrise könnte sich der Fachkräftemangel im Handwerksbereich jetzt noch zuspitzen, warnen Experten.

Mehr als die Hälfte aller österreichischen Unternehmen beklagte Ende 2019 Umsatzeinbußen aufgrund fehlender Facharbeiter. Obwohl sich das österreichische Handwerk seit Jahren kaum vor Aufträgen retten kann, waren auch in dieser Branche rückläufige Entwicklungen aufgrund mangelnder Fachkräfte zu beobachten. Seit vergangenem November werden zur Konjunkturstärkung des Handwerks die Rufe nach staatlichen Subventionen laut: So beispielsweise nach Förderprogrammen wie der bis Ende 2017 zur Verfügung gestellten Handwerker-Boni, bei denen der Staat im Rahmen von Hausrenovierungen und -sanierungen auf begrenzte Zeit 600 Euro für Handwerksdienste bereitstellte. Tatsächlich muss Österreich laut Experten seine Attraktivität für qualifizierte Handwerker steigern, um die Zukunft der Branche zu sichern. Andernfalls könnte einem Großteil aller Handwerksbetriebe in einigen Jahren die Schließung drohen.

Krisenbedingter Umsatzrückgang darf nicht zum Ausbildungsstopp führen

Wegen der Corona-Pandemie meldete das österreichische Handwerk für das zweite Quartal 2020 den ersten Umsatzrückgang innerhalb von sieben Jahren. Eine Entwicklung, die Branchen-Experten mit Sorge beobachten. Denn in Zeiten rückläufiger Umsätze nimmt auch die Bereitschaft zur Suche nach Auszubildenden und Einstellung neuer Mitarbeiter ab. Genau das könnte den ohnehin bereits bestehenden Fachkräftemangel innerhalb der österreichischen Handwerksbranche in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Trotz langjährigem Bauboom ist der eigentlich goldene Boden des österreichischen Handwerks bereits seit Jahren bedroht. Zahlreiche Betriebe fürchten aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels um ihre Zukunft. Laut KMU Forschung Austria waren schon im Jahr 2017 über 30 Prozent aller Handwerksunternehmen von dem Problem betroffen.

Warum fehlt es in Österreich überhaupt an qualifizierten Handwerkern?

Ein Grund könnten die vergleichsweise höheren Anreize im europäischen Ausland sein. Unter den 50 attraktivsten europäischen Handwerk-Städten ist Österreich nur mit Graz und Wien vertreten. Nachbarländer wie Deutschland und die Schweiz bieten Fachkräften im Hinblick auf Faktoren wie das Gehalt wesentlich höherer Anreize.

Neue Reize für Fachkräfte: Handwerker-Bonus als Problemlösungsansatz?

Graz schafft es mit einem Durchschnittsgehalt von knapp über 30 Euro als einzige Stadt Österreichs in die Top 20 der attraktivsten europäischen Städte für Handwerker. Obwohl in Wien ähnlich hohe Gehälter bezahlt werden, liegt die Großstadt weit abgeschlagen auf Platz 42. Der Grund dafür sind Mankos, die den prozentualen Anteil aller gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer, den Industrieanteil und die Arbeitslosenzahlen innerhalb der Stadt betreffen. Die derzeit geforderte Wiedereinführung der eigentlich vor Jahren ausgeschöpften Handwerker-Boni könnte die Auftragslage innerhalb des österreichischen Handwerks nach krisenbedingten Umsatzeinbrüchen wieder stärken. Doch wäre die Widerherstellung der ursprünglichen Umsätze durch Maßnahmen wie diese für qualifizierte Fachkräfte bereits genügend Anreiz?

Zumindest eines dürfte sich ab einer Normalisierung der Auftragslage wieder regeln: die Ausbildungsbereitschaft innerhalb österreichischer Handwerksbetriebe. Ein wichtiger erster Schritt im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Denn wo man wegen fehlender Aufträge nicht mehr ausbildet, mangelt es in Zukunft schließlich an Betrieben. Trotzdem reicht der Handwerker-Bonus allein nicht aus, um Österreich zu einem attraktiveren Standpunkt für Fachkräfte aus dem Handwerksbereich zu machen. Stattdessen könnten Schritte zur Stärkung von Gewerkschaften und die aktive Interaktion mit kommenden Generationen zur Problembehebung erforderlich werden.