
Selmayr: Kein US-Präsident macht den Job für Europa
Wer auch immer die US-Wahl gewinnen wird: Europa muss verstärkt auf eigenen Beinen stehen, sagt EU-Kommissionsvertreter.
Wien (OTS) – Sowohl Donald Trump als auch Joe Biden werden sich den 20. Jänner 2021 freihalten: An diesem Tag soll der nächste Präsident der USA vereidigt werden. Wer am Ende tatsächlich den feierlichen Schwur ablegt, wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Der Wahlausgang wird auch diesseits des Atlantiks mit Spannung erwartet.
„In einer kontinentalen Demokratie mit elf Zeitzonen dauert es manchmal, bis das amtliche Endergebnis feststeht – im Jahr 2000 sogar bis 13. Dezember. Respekt vor Demokratie verlangt Respekt vor den demokratisch festgelegten Regeln zur Feststellung des Wahlergebnisses“, sagte Martin Selmayr, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, bei einer Online-Diskussion im Rahmen des Europa Club Live. Fest steht aus Selmayrs Sicht, dass die damals unerwartete Wahl von Donald Trump im Jahr 2016 ein gewisser Weckruf für Europa war. „Das hat die Europäer wachgerüttelt. Zuvor konnten sie darauf zählen, dass es Uncle Sam notfalls richten würde. Damit ist es endgültig vorbei: Kein US-Präsident wird den Job für Europa machen. Es gibt kein Zurück in die Komfortzone. Europa muss sein Schicksal ein Stück weit selbst in die Hand nehmen, das gilt für die Digitalisierung und den Klimaschutz ebenso wie für Investitionen in unsere Sicherheit und den Aufbau Europas nach der Corona-Krise.“
Zudem gibt der EU-Kommissionsvertreter zu bedenken, dass für Europa relevante Weichenstellungen der vergangenen vier Jahre unabhängig vom Wahlausgang nicht auf Knopfdruck revidiert werden könnten. Eine davon ist der Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran, den Präsident Trump im Mai 2018 vollzogen hat. „Es wäre angesichts der politischen Großwetterlage nicht einfach, die Uhr zurückzudrehen.“ Die EU hat angekündigt, an dem Abkommen festzuhalten, erläuterte Selmayr. Dem Pariser Klimaabkommen haben die USA ebenfalls den Rücken gekehrt. Der Austritt erfolgt mit dem heutigen Tag. Das Datum hat nichts mit der US-Wahl zu tun, sondern liegt an den Fristen. Die USA können freilich jederzeit ein Comeback beantragen.
Auch im Hinblick auf die Zukunft des multilateralen Handelssystems hat die US-Wahl Relevanz. Die USA haben die Ernennung neuer Richter für die Berufungskammer der Welthandelsorganisation (WTO) blockiert und somit eine Lähmung bewirkt. „Die EU und andere WTO-Mitglieder haben in der Folge ein Notberufungsverfahren beschlossen, um Schaden für Unternehmen abzuwenden. Wir werden uns aber weiter bemühen, die Berufungsfunktion des WTO-Streitbeilegungssystems wiederherzustellen“, unterstrich Selmayr bei der Online-Veranstaltung, an der auch US-Botschafter Trevor D. Traina, die Europa-Korrespondentin von NRC Handelsblad Caroline de Gruyter und die Journalistin Teresa Eder teilgenommen haben. Moderiert hat Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.
Die USA sind der wichtigste Handelspartner der EU: 2019 hat die EU Waren im Wert von 384 Milliarden Euro in die USA exportiert und 232 Milliarden Euro importiert. Bei den Dienstleistungen haben die Exporte 2018 rund 179 Milliarden Euro und die Importe 196 Milliarden Euro betragen. Zudem haben EU-Unternehmen bisher (Stand 2018) insgesamt 2,2 Billionen Euro in den USA investiert, vice versa betragen die Direktinvestitionen 1,8 Billionen Euro. „Die enge Verflechtung zeigt, dass eine gute transatlantische Gesprächsbasis immer im beidseitigen Interesse sein wird. Wir können viele der aktuellen Herausforderungen nur gemeinsam mit unseren internationalen Partnern lösen. Deswegen ist auch die von Präsidentin Ursula von Leyen vorgenommene geopolitische Ausrichtung der Europäischen Kommission so wichtig“, betonte Selmayr. Er selbst war an der Vorbereitung des „handelspolitischen Waffenstillstands“ im Juli 2018 zwischen Präsident Trump und dem damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker maßgeblich beteiligt.
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