TIROLER TAGESZEITUNG “Leitartikel” Samstag, 20. Februar 2021, von Mario Zenhäusern: “Leiser Optimismus”

Innsbruck (OTS) – Die seit einem Jahr andauernde Corona-Pandemie hat die Schwächen beim Krisenmanagement auf allen Ebenen schonungslos aufgedeckt. Gratis-Tests und langsam anlaufende Impfungen eröffnen Perspektive auf ein Stück Normalität.

Nächste Woche jährt sich das erste Auftreten einer Infektion mit dem Coronavirus in Tirol: Am 25. Februar 2020 wurden in Innsbruck die ersten beiden positiven Fälle in Österreich bestätigt. Es folgte eine fatale Aneinanderreihung von Quarantäne, Isolation, zarten Öffnungsschritten, Reisewarnungen oder -beschränkungen, Schulschließungen, weichen und harten Lockdowns bis hin zu Grenzschließungen und verstärkten Einreisekontrollen. Das Coronavirus rollte und rollt nach wie vor wie ein gewaltiger Tsunami über uns. Die Bilanz über das Krisenmanagement nach einem Jahr Ausnahmezustand fällt auf den ersten Blick verheerend aus. In Tirol hat die Landesregierung aus den Fehlern beim Start der Pandemie nicht jene Schlüsse gezogen, die nun beim Auftreten der südafrikanischen Virusmutation hilfreich gewesen wären. Ein konsequenteres Vorgehen ähnlich dem Beispiel Südtirols in den ebenfalls von der Mutation betroffenen Gemeinden im Großraum Meran hätte den Menschen in Tirol viel erspart.
In Österreich hat es die Bundesregierung nach einem auch international beachteten, erfolgreichen Start in die Pandemiebekämpfung im Frühjahr 2020 verabsäumt, in den Sommermonaten für die zu erwartende zweite Infektionswelle vorzusorgen und die gefährdeten Menschen entsprechend zu schützen.
Die Europäische Kommission schließlich ist nicht nur bei der Impfstoffbeschaffung kläglichst gescheitert. Auch sämtliche Appelle an die Mitgliedsstaaten, auf hohe Infektionsraten nicht panikartig mit Reisewarnungen oder Grenzschließungen zu reagieren, verhallten ungehört oder wurden, wie aktuell zwischen Deutschland und Tirol, ganz bewusst ignoriert.
Aber es gibt auch Positives zu vermelden: Die Beteiligung an den kostenlosen Corona-Tests in Österreich ganz allgemein und in Tirol im Besonderen sorgt im benachbarten Ausland mitunter für neidvolle Blicke. Der eingeschlagene Weg, sich mit einem negativen Test gewisse Freiheiten zurückerobern zu können, eröffnet der durch Lockdowns und Ausgangsbeschränkungen zermürbten Bevölkerung zumindest die Perspektive auf ein Stück Normalität. Ganz abgesehen davon wirken sich diese Tests in Verbindung mit den nun langsam aber sicher doch anlaufenden Impfungen langfristig positiv auf die Infektionszahlen aus. Auch wenn viele das noch nicht so empfinden: Nach einem Jahr Corona-Krise besteht erstmals Grund zu leisem Optimismus.

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