Ibiza-Untersuchungsausschuss hat Beweisaufnahme nach 56 Sitzungstagen beendet

Abschlussbericht soll Mitte September angenommen werden

Wien (PK) – Der Ibiza-Untersuchungsausschuss hat vergangenen Donnerstag, 15. Juli 2021, wie geplant seine Beweisaufnahme abgeschlossen. Damit ist es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich, neue Aktenlieferungen entgegenzunehmen oder Auskunftspersonen zu befragen. Die Tätigkeit des U-Ausschusses ist damit aber noch nicht beendet. In den nächsten Wochen geht es darum, den Abschlussbericht und eventuell ergänzende Berichte mit den Wahrnehmungen und Einschätzungen der einzelnen Fraktionen zu erstellen. Die letzte Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Annahme des Ausschussberichts ist Mitte September geplant.

Rein zahlenmäßig betrachtet, kann sich die bisherige Bilanz des auf Verlangen von SPÖ und NEOS im Jänner 2020 eingesetzten U-Ausschusses jedenfalls sehen lassen. Die Abgeordneten sind bislang zu 56 Sitzungen zusammengetreten und haben dabei 105 Auskunftspersonen befragt, einige davon zweimal. Finanzminister Gernot Blümel musste dem U-Ausschuss dreimal Rede und Antwort stehen. Die Sitzungsdauer betrug rund 500 Stunden, über die Beratungen wurden deutlich mehr als 7.000 Protokollseiten angefertigt.

Als Informationsmaterial standen den Abgeordneten über 2,7 Millionen Aktenseiten zur Verfügung, wobei bis zum letzten Tag neue Dokumente eingelangt sind. Von diesen 2,7 Millionen Seiten entfallen rund 12.000 Seiten sowie rund zwölf Stunden Videomaterial und sieben Stunden Audiomaterial in die höchste Sicherheitsstufe 4 (streng geheim). Mit der Stufe 3 (geheim) wurden ca. 70.000 Seiten klassifiziert, mit der Stufe 2 (vertraulich) rund 112.000 Seiten. In die Stufe 1 (eingeschränkt) fiel der größte Anteil des Informationsmaterials. Den Abgeordneten standen hier ca. 1,75 Millionen Seiten, ca. 14 Stunden Videomaterial sowie sieben Stunden Audiomaterial zur Verfügung. In der geringsten Sicherheitsstufe (Stufe 0, nicht öffentlich) waren es ca. 750.000 Seiten. 36-mal sahen sich die Abgeordneten genötigt, wegen ausständiger Aktenlieferungen eine Rüge auszusprechen.

Dass die Beratungen nicht immer friktionsfrei abgelaufen sind, davon zeugt nicht zuletzt die hohe Zahl an Verfahren, die vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) geführt wurden. Insgesamt 11-mal wurde das Höchstgericht mit einer Streitfrage befasst, wobei das Verfahren rund um ausständige Aktenlieferungen aus dem Finanzministerium, das in den erwähnten Exekutionsantrag des VfGH gegen Finanzminister Gernot Blümel bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen mündete, wohl das spektakulärste war. Aber auch andere Entscheidungen sorgten für Aufsehen, etwa die Feststellung der HöchstrichterInnen gleich zu Beginn des U-Ausschusses, wonach die von ÖVP und Grünen ursprünglich beschlossene Einengung des Untersuchungsgegenstandes nicht zulässig gewesen war.

Im U-Ausschuss selbst kam es immer wieder zu Geschäftsordnungsdebatten, etwa was zulässige Fragen und Antwortverweigerungen betrifft. Erstmals wurde in diesem Zusammenhang auch die Volksanwaltschaft als Streitschlichtungsorgan angerufen. Für öffentliche Aufmerksamkeit sorgte die Zurücklegung ihres Amtes durch Verfahrensrichterin Ilse Huber Ende Juni 2020. Ihr folgte Wolfgang Pöschl nach. Gegen insgesamt acht Auskunftspersonen wurden beim Bundesverwaltungsgericht in insgesamt elf Verfahren Beugestrafen beantragt, weil sie nach Meinung der Abgeordneten ihren Ladungen ungerechtfertigt nicht nachgekommen sind. In drei Fällen wurde bisher tatsächlich eine Strafe verhängt, in fünf Fällen sind Entscheidungen noch ausständig.

Eine enorme Herausforderung für den U-Ausschuss war die Corona-Pandemie. Weil sich infolge des ersten Lockdowns sowohl Aktenlieferungen als auch die Befragung von Auskunftspersonen verzögerten, verständigten sich die Abgeordneten darauf, den U-Ausschuss durch eine entsprechende Fristhemmung um drei Monate zu verlängern. Zudem übersiedelte der U-Ausschuss vergangenen Herbst in ein größeres Ausschusslokal, das eigens für den U-Ausschuss adaptiert wurde. Auch ein regelmäßiges Testangebot, die Ausgabe von FFP2-Masken, Plexiglaswände, Flächendesinfektionen und regelmäßige Lüftungspausen gehörten zum Präventionskonzept. Zuletzt sorgte dennoch ein kleiner “Corona-Cluster” medial für Aufmerksamkeit, nachdem unter anderem drei Abgeordnete und mehrere MitarbeiterInnen positiv auf COVID-19 getestet worden waren.

Der Ibiza-Untersuchungsausschuss ist der fünfte, der auf Basis der 2015 eingeführten neuen Verfahrensordnung eingesetzt wurde. Er sollte insbesondere der Frage nachgehen, ob es unter der türkis-blauen Koalition zu Korruption, Untreue und Amtsmissbrauch gekommen sei, wobei unter anderem Postenbesetzungen sowie etwaige Begünstigungen als Gegenleistung für Parteispenden unter die Lupe genommen wurden. Auslöser war das sogenannte Ibiza-Video mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Ex-Klubobmann Johann Gudenus im Mittelpunkt.

Die Laufzeit des U-Ausschusses wurde zuletzt auf Verlangen von SPÖ und NEOS um drei Monate verlängert. Für eine zweite Nachspielzeit gab es im Nationalrat nicht die dafür notwendige Mehrheit, alle drei diesbezüglichen Anträge wurden von ÖVP und Grünen abgelehnt. (Schluss) gs/pst

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