
Die Arbeitsmarktkrise ist nicht vorbei: Ältere und Langzeitbeschäftigungslose brauchen weiterhin gezielte Unterstützung
Die überraschend schnelle Konjunkturerholung kommt nicht bei allen Gruppen gleich an: Langzeitbeschäftigungslose und Ältere sind dabei die „Verlierer“.
Wien (OTS) – Vordergründig hat sich die Situation am Arbeitsmarkt entspannt, die Arbeitslosenzahlen sind fast auf Vorkrisenniveau gesunken. Schaut man aber genau hin, erkennt man, dass Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, nach wie vor geringere Jobchancen haben. In Wien stieg die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen im Vergleich zum August des Vorjahres um 11,4% auf 82.770. Somit ist jede_r zweite Wiener Arbeitslose betroffen (Quelle: AMS Wien).
„Wer arbeitslos wird, befindet sich in einer Ausnahmesituation:
Mit einem Schlag brechen finanzielle Ressourcen, Selbstwertgefühl und Tagesroutine weg“, erläuterte Swantje Meyer-Lange, Vorsitzende von arbeit plus Wien, bei der heutigen Pressekonferenz im Rahmen der Jobmesse PERSPEKTIVE 2021. Bei Langzeitbeschäftigungslosen wird die Ausnahmesituation zur dauerhaften Existenzbedrohung: „Das Letzte, was Langzeitbeschäftigungslose brauchen, ist noch mehr psychischer und finanzieller Druck. Hier braucht es Arbeitsmarktprogramme, die neue Perspektiven bieten, statt Sanktionen oder Verschärfungen“, hofft sie auf einen Dialog zwischen Arbeitsminister Kocher und den Expert_innen aus den Sozialen Unternehmen hinsichtlich der angekündigten Arbeitsmarktreform.
Die Wiener Sozialen Unternehmen, die Großteils auf der Jobmesse im Gasometer vertreten waren, beschäftigen, qualifizieren und beraten jene Gruppen, die bisher von der Konjunkturerholung nicht profitieren konnten. Die Bedeutung dieser Beschäftigungsbetriebe und Beratungseinrichtungen ist in der Corona-Krise stark gestiegen.
Hanke: „Sozialintegrative Unternehmen wichtiger denn je“
„Gerade Menschen mit gesundheitlichen oder sozialen Problemen oder über 50-Jährige tun sich am Arbeitsmarkt jetzt noch schwerer als vor der Corona-Pandemie. Für sie braucht es Unterstützung, wie sie etwa die Sozialen Unternehmen in Wien bieten“, führte Stadtrat Peter Hanke aus. „Die Leistungen der sozialintegrativen Betriebe sind jetzt wichtiger denn je. Sie ermöglichen jenen, die sich am Arbeitsmarkt besonders schwertun, den ersten Schritt zurück in eine Beschäftigung. Das ist für den Arbeitsmarkt wichtig, aber am wichtigsten für das Selbstbewusstsein jedes und jeder einzelnen.“
AMS setzt Programm „Sprungbrett“ um
„Mit dem derzeitigen Wirtschaftsaufschwung finden Jüngere und Menschen, die nur kurz arbeitslos waren, rasch wieder in Beschäftigung. Für Langzeitbeschäftigungslose ist die Situation in den vergangenen Monaten aber noch einmal deutlich schwieriger geworden. Ihnen gilt jetzt unser besonderes Augenmerk“, hielt AMS Wien-Geschäftsführerin Petra Draxl fest. Für diese Zielgruppe setzt das AMS Wien das Programm „Sprungbrett“ um, das die Bundesregierung ins Leben gerufen hat. In Wien kommen zirka 70.000 Menschen für dieses Förderpaket in Frage.
Im Zentrum dieser Initiative steht die Beschäftigungsförderung:
„Zum einen übernehmen wir einige Monate lang zwei Drittel der Lohn-und Lohnnebenkosten, zum anderen bieten Gemeinnützige Arbeitskräfteüberlassungen geförderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, die auch sofort übernommen werden können. Kombilohnbeihilfen ergänzen das Angebot für attraktive Arbeitsaufnahmen. Es werden für alle diese Förderungen, mit denen neue Jobs ermöglicht werden, ausreichend Geldmittel zur Verfügung stehen. Das Programm Sprungbrett ermöglicht uns, allein für heuer mehr als 100 Millionen Euro für Eingliederungsbeihilfen vorzusehen“, so Draxl weiter.
Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt
Auch ältere Arbeitsuchende haben es trotz Konjunkturaufschwung und Fachkräftemangel am Arbeitsmarkt weiterhin schwer: Trotz guter Ausbildung werden Bewerber_innen über 50 oftmals nicht berücksichtigt. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird es deshalb in Zukunft noch mehr und intensivere Förderungen für ältere Arbeitslose brauchen. Dabei sollten die Erfahrungen und Analyse-Ergebnisse von Förderaktionen aus der Vergangenheit einfließen, um das vorhandene Budget möglichst effektiv einzusetzen.
Zusätzlich ist die Arbeitsmarktpolitik mit einer weiteren Herausforderung konfrontiert: Immer mehr Menschen müssen aus der Arbeitslosigkeit in Pension gehen, davon sind auch Frauen stark betroffen. Mit dem steigenden Frauenpensionsalter ab 2024 wird sich dieses Problem zuspitzen. „Es muss mehr geförderte Arbeitsplätze für Menschen geben, die wenige Jahre vor Pensionsantritt ihren Job verlieren. So bleiben die Betroffenen dem Arbeitsmarkt erhalten und können ihre Erfahrung an junge Mitarbeiter_innen weitergeben“, fordert Swantje Meyer-Lange. „Es ist arbeitsmarkt-, wirtschafts- und sozialpolitisch wesentlich sinnvoller, die Menschen im Arbeitsprozess zu halten, als sie einfach daheim untätig auf die Pensionierung warten zu lassen. Und was es für die Betroffenen persönlich bedeutet, wieder beziehungsweise noch immer gebraucht zu werden, etwas bewirken zu können, das kann man sich leicht vorstellen.“ Eine eindeutige Win-Win-Situation: Die Beschäftigten bestreiten ihren Lebensunterhalt selbst und werden von reinen Unterstützungsempfänger_innen zu Steuerzahler_innen – davon profitiert die öffentliche Hand und es hebt das Selbstwertgefühl der Betroffenen.
Bei der Jobmesse PERSPEKTIVE 2021 – veranstaltet von arbeit plus Wien in Zusammenarbeit mit AMS Wien und waff – bekamen 1.200 persönlich eingeladene AMS-Kund_innen trotz coronabedingten Einschränkungen die Möglichkeit, die Wiener Sozialen Unternehmen und ihre Unterstützungsangebote kennenlernen. Die Langzeitbeschäftigungslosen konnten aus 85 verschiedenen Jobprofilen aus 11 Branchen passende Arbeitsplätze auswählen, und viele gingen zufrieden mit einer fixen Jobzusage in der Tasche nach Hause.
arbeit plus. Dachverband – Soziale Unternehmen Wien
Der Dachverband vertritt seit 2001 Wiener Organisationen, die langzeitbeschäftigungslose Menschen beraten, qualifizieren und beschäftigen. Über 30.000 nutzen diese Angebote jährlich. Die Interessenvertretung repräsentiert knapp 60 Betriebe und Beratungseinrichtungen, hinter denen 31 Trägerorganisationen stehen.
arbeit plus Wien
Mag.a Eva Schober, Öffentlichkeitsarbeit & PR
Taborstraße 24/18, 1020 Wien;
www.arbeitplus-wien.at
Tel. 01-720 38 80-15; 0664 811 92 02;
Mail: e.schober@arbeitplus-wien.at
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