TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Söders zweite Chance aufs Kanzleramt“, Ausgabe vom 30. September 2021 von Christian Jentsch.

Innsbruck (OTS) – Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet kämpft um sein politisches Überleben. Auf Hilfe von CSU-Chef Markus Söder kann er nicht hoffen. Ganz im Gegenteil: Söder könnte durch die Hintertür doch noch den Weg ins Kanzleramt finden.

Im April musste der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder noch zurückstecken. Im Kampf um die Kanzlerkandidatur der Union setzte sich der CDU-Chef und Noch-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, durch. Ober schlägt Unter, hieß es damals. Doch die Entscheidung verursachte in der Union viel Bauchweh, selbst viele CDU-Spitzenpolitiker und auch einige CDU-Ministerpräsidenten sprachen sich zumindest indirekt für Söder aus. Söders Macher-Image – so markierte er in der Corona-Krise auch gegenüber Tirol mehrmals den starken Mann – gefiel. Und auch er selbst ließ keinen Zweifel daran, dass die Union die falsche Entscheidung in Sachen Kanzlerkandidat getroffen hat. Die Wahl ist geschlagen – mit dem vorhergesagten Desas­ter für die Union, die nur noch zweitstärkste Kraft im Bundestag ist – hinter einer noch bis vor Kurzem am Boden liegenden SPD unter ihrem neuen Zugpferd Olaf Scholz. Der schwer angezählte Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet kämpft um sein politisches Überleben. Und er hat nur eine Option: Er muss sich mit der FDP und den Grünen möglichst rasch auf eine Jamaika-Koalition einigen und sich damit ins Kanzleramt retten. Eine Herkulesaufgabe, schließlich hat SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der mit den Grünen und der FDP eine Ampel-Koalition bilden will, das Sieger-Image auf seiner Seite. Und geht somit mit einem Vorsprung ins Rennen. Doch damit nicht genug: Laschet werden auch aus den eigenen Reihen immer mehr Steine in den Weg gelegt. Für ihn wird es immer enger.
Vor der Fraktionssitzung der Union am Dienstag rückte Söder von Laschet ab. Er erklärte, dass „Olaf Scholz derzeit die besten Chancen hat, Kanzler zu werden – eindeutig“. Und er setzte noch eins drauf:
Es sei wichtig, das Wahlergebnis zu respektieren, das „eine schwere Niederlage“ für die Union gewesen sei. Einen Regierungsauftrag könne er daraus nicht ableiten, nun sei einmal die SPD am Zug. Wenn die Ampel-Koalition sich nicht realisieren lasse, dann komme eine Jamaika-Koalition der Union mit der FDP und den Grünen wieder ins Spiel.
Dann könnte es für Laschet aber schon zu spät sein. Und nicht mehr Laschet, sondern Söder könnte die Gespräche mit der FDP und den Grünen führen. Bei einer Einigung stünde Söder dann die Tür ins Kanzleramt wieder offen, um die Nachfolge von Angela Merkel anzutreten. Der CSU-Chef ist klug genug, die Szenarien als Gerüchte abzutun. Doch in der Union rumort es und selbst in der CDU hoffen einige auf eine zweite Chance für Söder. In München hält man sich bedeckt, hat den Umzug aber wohl schon geplant. Für alle Fälle eben.

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