Bundesstaatsanwalt: Zadić würde entpolitisierte Weisungsspitze begrüßen

Justizausschuss erörtert Stärkung unabhängiger Ermittlungen und anstehende Gesetzesvorhaben

Wien (PK) – Die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken, sei ihr ein großes Anliegen, erklärte heute Justizministerin Alma Zadić bei einer Aussprache mit Abgeordneten im Justizausschuss des Nationalrats. Die Einrichtung eines unabhängigen, weisungsfreien Bundesstaatsanwalts als letzte Instanz in der Weisungskette bei einem Ermittlungsverfahren wäre in ihren Augen ein probates Mittel, um die “Unbeeinflussbarkeit der Ermittlungsarbeit” sicherzustellen. Derzeit werde daher von Expertinnen und Experten ein Modell dafür erarbeitet, so Zadić, die den Fraktionen Zwischenberichte dieser Arbeitsgruppe als Diskussionsgrundlage zusagte. Außerdem sicherte sie zu, bis Jahresende dem Ausschuss Gesetzesvorschläge zur heuer auslaufenden Kronzeugenregelung und zur Sterbehilfe vorlegen zu wollen.

Noch vor der Aussprache mit Justizministerin Zadić behandelte der Ausschuss einen Regierungsbericht von 2020 zur Entwicklung internationaler Haftungsinstrumente für nukleare Schäden (III-168 d.B.). Österreich beharrt demnach weiterhin auf den Grundsätzen seines Atomhaftungsgesetzes, die vor allem einen österreichischen Gerichtsstand sowie unbegrenzte Haftung vorsehen. Die Abgeordneten nutzten den Tagesordnungspunkt, um einmal mehr Österreichs Bekenntnis gegen Atomkraft zu erneuern und nahmen den Bericht mehrheitlich an. Die FPÖ verweigerte ihre Zustimmung aus Protest. International wachse im Rahmen der Klimadebatte wieder der Zuspruch zur Atomkraft, warnte der Freiheitliche Harald Stefan, der keine Bewegung zugunsten der Anti-Atombewegung in Europa erkennt.

Arbeiten an Bundesstaatsanwalt schreiten voran

Mit einem Bundesstaatsanwalt würde die Weisungsspitze der Staatsanwaltschaft, die derzeit bei der Justizministerin oder dem Justizminister liegt, entpolitisiert, gab Bundesministerin Zadić SPÖ-Abgeordnetem Harald Troch Recht, der mit dem Bundesstaatsanwalt einen besseren Schutz der Justiz vor “unsachlichen Angriffen” erwartet. Zur Unterstützung der unabhängigen Ermittlungsarbeit durch die Staatsanwaltschaft habe sie bereits mehrere Maßnahmen gesetzt, verwies Zadić auf die Reduktion der Berichtspflichten und auf die geplante Budgeterhöhung in diesem Bereich. Zudem stünden der Staatsanwaltschaft in Verfahren zu komplexen Themen Expertinnen und Experten aus dem Justizministerium als Sachverständige zur Verfügung.

Mit einer Novelle der Strafprozessordnung (StPO) will Zadić sicherstellen, dass künftig auch gegen mutmaßliche MittäterInnen von beschuldigten Abgeordneten, die aufgrund ihrer Immunität vor Strafverfolgung geschützt sind, ermittelt werden kann. Den Ermittlungsschutz von MittäterInnen durch den sogenannten Immunitätserlass auf Grundlage der StPO hatte Abgeordnete Nurten Yildirim (SPÖ) in Verbindung mit aktuellen Korruptionsvorwürfen im ÖVP-Umfeld angeschnitten und meinte, bei möglichen MittäterInnen könnte aufgrund der Verfahrensverzögerung eine Verjährung der Straftat eintreten.

Ablaufdatum für Kronzeugenregelung

Da die geltende Kronzeugenregelung mit Ende 2021 auslaufe, habe ihre Ressort mit den Behörden, die sie in der Praxis nutzen, die Regelung evaluiert, antwortete Ministerin Zadić auf die Fragen von den Abgeordneten Yildirim, Harald Stefan (FPÖ) und Johannes Margreiter (NEOS), inwieweit diese StPO-Bestimmung beibehalten bzw. – gerade in Hinblick auf die Korruptionsbekämpfung – weiterentwickelt wird. Zadić wollte zwar den derzeit dazu laufenden politischen Endabstimmungen mit dem Koalitionspartner nicht vorgreifen, sagte aber, die Kronzeugenregelung werde es jedenfalls weiterhin geben. Bei der Evaluierung mit den damit zumeist befassten Stellen wie Bundeswettbewerbsbehörde und Staatsanwaltschaft sei von allen dieser Wunsch klargemacht worden.

Sterbehilfe: Dialog mit Betroffenen als Grundlage für Neuregelung

Eine weitere mit Jahresablauf anstehende Gesetzesvorlage ist jene zur Sterbehilfe. Ihr Haus habe im “Dialogforum Sterbehilfe” mit ausgewählten Personen und Organisationen dieses “hochsensible Thema” bearbeitet, um eine Neuregelung der Hilfe zum selbstbestimmten Sterben zu schaffen, berichtete Zadić. Die Gespräche mit der ÖVP würden bald abgeschlossen sein, womit es eine neue Regelung mit Jahresende geben sollte.

Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich mit Fristablauf 31.12.2021 jene Bestimmung im § 78 des Strafgesetzbuches aufgehoben, die die Hilfeleistung zum Selbstmord unter Strafe stellt. Konkret erklärte der VfGH die Wortfolge “oder ihm dazu Hilfe leistet” im Gesetz als verfassungswidrig, da sie gegen das Recht auf Selbstbestimmung verstoße.

Urheberrechtsnovelle soll Kreativen mehr Rechte geben

Ebenfalls in absehbarer Zeit novelliert wird laut Zadić das Urheberrecht, wobei sie vor allem Online-Plattformen beim Vertrieb von Werken stärker in die Pflicht nehmen will. Unter anderem werde es Maßnahmen gegen das “overblocking” – also das technische Blockieren von Texten im Internet – geben, und Bestimmungen, die ProduzentInnen das Aussteigen aus einem Vertrag ermöglichen. Letztlich, so Zadić, gehe es um “mehr Fairness” für ProduzentInnen, NutzerInnen und Kreative. Aufgeworfen hatte das Thema Urheberrechtsnovelle Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer (Grüne).

Großen Handlungsbedarf sehen Justizministerin Zadić und Sozialdemokratin Petra Bayr bei der Sicherstellung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Lieferkette von Produkten. Dazu brauche es aber EU-weit eine einheitliche Regelung, meinte Zadić, um keinen “Fleckerlteppich” an Regelungen im Binnenmarkt zu haben. Bayrs Forderung, Unternehmen, deren Produkte im Zusammenhang mit Kinderarbeit, Umweltverschmutzung oder “Hungerlöhnen” hergestellt werden, von Vergabeverfahren auszuschließen, werde bereits mit dem heimischen Bundesvergabegesetz nachgekommen.

Änderungen im Eherecht und Kindschaftsrecht

Die Arbeiten des Justizministeriums an Änderungen im Eherecht, speziell bei der Anhebung des Mindestalters für Ehen auf 18 Jahre, interessierte Abgeordnete Corinna Scharzenberger (ÖVP), das Thema Kindesunterhalt schnitt Abgeordneter Johannes Margreiter (NEOS) an. Letzterer bekrittelte vor allem die hohen Kosten, die unterhaltspflichtige Selbständige für Gutachten zu ihrem Einkommen tragen müssten; Geld, dass besser den betroffenen Kindern zugutekommen sollte, wie er befand.

Zum Eherecht sagte die Justizministerin, sie plane eine gesamthafte Reform, die neben der Bestimmung zur Ehemündigkeit, die derzeit von Gerichten schon mit 16 Jahren festgesetzt werden könne, auch die Unterbindung von Heiraten zwischen Cousinen und Cousins umfasse; die Arbeiten dazu würden bald beginnen. An der Reform des Kindschaftsrechts arbeite man dagegen schon seit Anfang 2021 unter Einbeziehung der Jugendvertretung. Ziel sei hier, die Verfahren nach Scheidungen zu beschleunigen und zu vereinfachen.

Koordinationsstelle für Terrorbekämpfung geplant

Angesprochen von FPÖ-Mandatar Stefan auf Maßnahmen zur Terrorbekämpfung verwies Ministerin Zadić einmal mehr auf die geplante Budgeterhöhung für die Justiz. Für das “Terrorbudget” seien dabei 3,1 Mio. € vorgesehen. Mit dem zusätzlichen Geld werde unter anderem eine Koordinierungsstelle für Terrorprävention und Deradikalisierung in den Justizanstalten eingerichtet, zeigte sie sich erfreut, mehr Mittel zur Bewältigung dieser “großen Herausforderung” in den Gefängnissen zu erhalten.

Zur Irritation von FPÖ-Abgeordnetem Christian Lausch über eine Betriebsmitteilung in der Justizanstalt Josefstadt betreffend COVID-19-Präventionsmaßnahmen für die Bediensteten nahm der dortige Generaldirektor im Ausschuss Stellung. Da die Justizanstalt auch eine Sonderkrankenanstalt umfasse, habe man auf Grundlage der Wiener Landesgesetze zur Pandemiebekämpfung die Pflicht zur wöchentlichen Testung und zum Tragen von FFP2-Masken für alle Bediensteten eingeführt, informierte er Lausch. (Fortsetzung Justizausschuss) rei

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