
Hält die Regierung Wort? Klimaschutzgesetz muss Versprechen der Pariser Klimaziele jetzt auf den Boden bringen
Wien (OTS) – Ohne effektive gesetzliche Rahmenbedingungen wird es nicht gelingen, das Pariser Klimaabkommen umzusetzen, warnten Fridays For Future und das Klimavolksbegehren gemeinsam mit Rechts- und Politikexpert:innen bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Wien. Fünf Jahre nach der Ratifizierung des Abkommens steht Österreich ohne verbindliche Reduktionsziele da. Gerade im Hinblick auf die UN-Klimakonferenz in Glasgow sei wichtig, dass die österreichische Bundesregierung zu ihrer Verantwortung stehe.
„Die Klimakrise schreitet voran und seit über 300 Tagen fehlt in Österreich ein Klimaschutzgesetz und somit ein Fahrplan zur Klimaneutralität 2040. Nach der missglückten Steuerreform darf das politische Greenwashing nicht weitergehen – wir brauchen jetzt verbindliche Klimaziele.”, richtete Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens, einen dringenden Appell an die Bundesregierung. Zwar bekenne sich die Regierung zu einem Paris-kompatiblen Treibhausgasbudget für Österreich, dieses sei allerdings nicht in Gesetze gegossen. Auch ein im Frühjahr geleakter Entwurf bleibe weit hinter den Forderungen der Wissenschaft zurück.
„Eine wissenschaftliche Kontrolle unserer Klimaschutzmaßnahmen und Konsequenzen bei Zielverfehlung müssen zusätzlich zentraler Bestandteil des neuen Gesetzes sein”, betonte Rogenhofer. Das Klimavolksbegehren hat bereits vor einem Jahr zusammen mit namhaften Umweltjurist:innen legistische Vorschläge für ein effektives Klimaschutzgesetz gemacht. „Wir haben keine Zeit mehr für schwammige Regelungen und zahnlose Maßnahmen. Ein wirkungsvolles Klimaschutzgesetz ist nur eine Frage des politischen Willens – und derweil wirkt es nicht so, als würde die Regierung wollen”, so Rogenhofer. Um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten brauche es deutlich mehr Tempo und eine Reduktion der Emissionen um mindestens -58% bis 2030.
Die Umweltjuristin Michaela Krömer sieht die Verantwortung für notwendige Emissionsreduktionen gleichermaßen bei Bund und Ländern. Die Zuständigkeiten müssen daher klar geregelt und aufgeteilt werden. „Bei Verfehlungen der Reduktionsziele ist unbedingt ein Sofortmaßnahmenprogramm zu beschließen, um im Klimaschutz nicht weiterhin wertvolle Zeit zu verschlafen“, so Krömer. Außerdem müssen finanzielle Sanktionen sofort greifen, um ihre Lenkung zu entfalten. „Wir sollten nicht auf Zertifikatskäufe bei Zielverfehlung setzen und so die Klimakrise weiter anheizen, sondern unmittelbar im Inland investieren. Zusätzlich braucht es einen wirkungsvollen Rechtsschutz für Bürger:innen, um gegen das Nicht-Handeln des Staates gerüstet zu sein”, schloss Krömer.
Nicht-Handeln hat in Österreich schon Tradition. Seit 30 Jahren werde Klimapolitik durch rückwärtsgewandte Akteur:innen der Politik, Wirtschaft und Industrie massiv blockiert. „Selbst nach etlichen Weckrufen in Form von Überflutungen und Hitzewellen, drei Jahren nationaler Klimastreiks, einem erfolgreichen Klimavolksbegehren und zwei Jahre nach dem Bekenntnis zur Klimaneutralität 2040 orientiert sich Österreichs Klimapolitik noch immer am fossilen Denken einiger Interessensvertretungen, statt an den geophysikalischen Fakten der Klimakrise “, kritisierte Philipp Steininger, Klimaaktivist von Fridays For Future Österreich.
Das fossile Denken sei etwa an der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) erkennbar, unterstrich Steininger. „Dass sich WKÖ-Präsident Harald Mahrer rühmt, die Abschaffung des Dieselprivilegs aus der ökosozialen Steuerreform herausverhandelt zu haben, spiegelt die Ignoranz einer Gruppe von Akteur:innen wider, die die Dringlichkeit der Klimakrise und die Notwendigkeit von wirkungsvollen Maßnahmen auf Kosten der zukünftigen Generationen ignorieren.” Wenn es die österreichische Regierung mit der selbstausgerufenen Klimaneutralität bis 2040 ernst meine, könne sie sich beim Klimaschutzgesetz kein weiteres Stück zahnloser Symbolpolitik wie bei der ökosozialen Steuerreform mehr leisten, so Steininger.
Österreichs Klimapolitik war zwischen 1990 und 2020 von Ziel-Ankündigungen, kaum wirksamen Maßnahmen und Ziel-Verfehlungen geprägt, so Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur. Das 2020 ausgelaufene Klimaschutzgesetz hatte gravierende Schwächen und konnte nicht zur Emissionsreduktion beitragen. „Österreich ist eines der wenigen westlichen EU-Länder, in denen die Klimaverschmutzung zwischen 1990 und 2019 nicht reduziert werden konnte”, erklärte Reinhard Steurer, Politikwissenschafter an der Universität für Bodenkultur. „Sollen die neuen Ziele für 2030 und 2040 erreicht werden, müssen wir nicht nur aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, sondern benötigen darüber hinaus einen drastischen Kurswechsel.” In einem vom Klimafonds geförderten Forschungsprojekt zu Klimaschutzgesetzen in der EU zeigte sich laut Steurer, dass wirksame Klimaschutzgesetze folgende Merkmale aufweisen: Sie verankern langfristige Klimaziele und jährliche CO2-Budgets gesetzlich, sie etablieren starke Institutionen (wie z.B. ein Klima-Kabinett, einen medienwirksamen wissenschaftlichen Beirat und einen Bürger:innenrat) und sehen Korrektur- bzw. Sanktionsmechanismen bei Ziel-Abweichungen vor.
Ohne verbindliche Ziele, wissenschaftliche Kontrolle, klare Verantwortlichkeiten und Maßnahmenprogramme bei Zielverfehlung sowie Rechtsschutz für die Bevölkerung wird das Klimaschutzgesetz zur Scheinpolitik verkommen, die wir uns nicht mehr leisten können. Wissenschaft und Klimabewegung werden die Regierung daran messen, in welchem Ausmaß diese Eckpfeiler im Gesetz repräsentiert sind.
Fridays For Future kündigte zudem eine Aktion an, um die Regierung aus ihrem klimapolitischen Tiefschlaf zu rütteln. Am Freitag, dem 5. November 2021, rufen die Klimaaktivist:innen österreichweit zu Krachdemonstrationen auf, um vor dem Hintergrund der aktuellen Verhandlungen auf die Bedeutung eines starken Klimaschutzgesetzes für die Zukunft Österreichs aufmerksam zu machen. In Wien wird dazu um 12:00 auf dem Heldenplatz protestiert.
WEITERE INFORMATIONEN UND BILDER
[Aufnahme der Pressekonferenz]
(http://fffutu.re/klimaschutzgesetz-pk)
[Fotos der PK] (https://fffutu.re/klimaschutzgesetz-fotos)
[Antrag zum Klimavolksbegehren im Parlament]
(https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/E/E_00159/index.shtml)
[Juristischer Gesetzesvorschlag für ein Klimaschutzgesetz laut Forderungen des Klimavolksbegehrens]
(https://klimavolksbegehren.at/wp-content/uploads/2021/05/KVB-Juristi
sche-Vorschla%CC%88ge.pdf)
[Wegener Center Studie]
(https://wegccloud.uni-graz.at/s/bDEm3iQ2t5mL9qE)
[Grafik zum Reduktionspfad]
(https://wegccloud.uni-graz.at/s/ezopLM6ycRk8Txo)
PRESSEKONTAKT
Klara Butz (FFF): +43 69 917 918 919, presse@fridaysforfuture.at
Yvonne Steinlechner (KVB): +43 (0) 677 63 751 340, presse@klimavolksbegehren.at
Klimavolksbegehren – Es geht um unser Überleben
Yvonne Steinlechner, BSc
Klimavolksbegehren | Leitung Presse
+43 (0) 677 63 751 340
presse@klimavolksbegehren.at
www.klimavolksbegehren.at
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender