TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Ausgabe vom Freitag, 10. Dezember 2021, von Peter Nindler: „Ischgl: Herr Kolba, es reicht“

Innsbruck (OTS) – Dass der Verbraucherschutzverein das Ermittlungsverfahren zum Corona-Krisenmanagement in Ischgl fortsetzen will, ist keine Überraschung. Die Herabwürdigung der Justiz bezweckt jedoch die Vorverurteilung von Politik und Behörden.

Die Justiz verdient Respekt. Urteile zu kritisieren, ist legitim. Wer jedoch ihre Unabhängigkeit in Zweifel zieht, handelt respektlos. Und das tut der Verbraucherschutzverein mit seinem Obmann Peter Kolba in der Causa Ischgl. Damit hängt Kolba offenbar einer derzeit inflationären Methode an, missliebige Entscheidungen in einem Rechtsstaat als (partei-)politisches Marionettentheater darzustellen. Doch nicht einmal das von Anfang an vorverurteilende brachiale Getöse des Verbraucherschutzvereins über das Corona-Krisenmanagement im Paznaun reicht in Ansätzen an den Expertenbericht der Ischgl-Kommission unter dem ehemaligen Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Ronald Rohrer heran. Der Rohrer-Bericht war eine fundierte Watsch’n für die Tiroler Politik, die Bundesregierung und die Behörden, weil er nüchtern eine Kette von Fehleinschätzungen auf allen politischen und behördlichen Ebenen zu Beginn der Pandemie anprangert.
Die strafrechtlichen Ermittlungen ergaben allerdings keine Beweise für eine Anklage bzw. dafür, „dass jemand schuldhaft etwas getan oder unterlassen hätte, das zu einer Erhöhung der Ansteckungsgefahr geführt hätte“. Der Ermittlungsakt umfasst 15.000 Seiten Protokolle, Berichte und Beweismaterial. Dass sich weltweit 10.000 Corona-Infektionen auf Ischgl zurückführen lassen, lastet seit Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 trotzdem schwer auf Tirol. Und im öffentlichen Umgang damit agierten die heimischen Verantwortungsträger alles andere als politisch souverän – Stichwort:
„Alles richtig gemacht.“
Der Fortsetzungsantrag des Verbraucherschutzvereins (VSV) für weitere Erhebungen war erwartbar, die Begleitmusik dazu ist jedoch unerträglich. Man lasse nicht zu, dass „die Justiz versucht, diesen Skandal zu vernebeln, und damit das Signal aussendet, dass Amtsträger Narrenfreiheit haben“, poltert Kolba. Zugleich wird der Justiz vorgeworfen, die Arbeit der Staatsanwaltschaft wäre von Anfang an darauf ausgerichtet gewesen, das Vorliegen einer Straftat zu verneinen und Entschuldigungsgründe für das „folgenschwere Untätigbleiben der Beschuldigten zu suchen“.
Ischgl wird so zum Trittbrett für Kolba, die Vorverurteilung auch zur Munition gegen den Rechtsstaat. Obwohl die Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck, das Justizministerium und der Weisungsrat die Einstellung der Ermittlungen überprüft haben. Das hat sich die Justiz nicht verdient. Es reicht, Herr Kolba. Der Fortsetzungsantrag liegt auf dem Tisch, darüber wird ein Drei-Richter-Senat des Landesgerichts wertfrei entscheiden.
Öffentlichkeitswirksam ist das Vorgehen des VSV allemal. Doch nicht jeder Zweck heiligt die Mittel.

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