Universität für angewandte Kunst Wien: Gemeinsame Erklärung von Senat und Rektorat zum Thema Lueger-Platz / Lueger- Denkmal

Aufforderung an Kulturstadträtin Kaup-Hasler konkret und zügig zu handeln

Wien (OTS) – Die Universität für angewandte Kunst Wien sieht in der Ankündigung von Wiens Kulturstadträtin Kaup-Hasler im Rahmen des Lueger-Symposiums am 7.11.2021 und zuletzt in der ORF-Sendung Kulturmontag am 6.12.2021, dass vor einer (neuerlichen!) Ausschreibung eines Wettbewerbs zur künstlerischen Kontextualisierung des Lueger-Denkmals – “die technischen Voraussetzungen genau geklärt werden” müssten, also “die Statik und welche Art von Eingriffen im Einklang mit dem Denkmalschutz stehen” und es “wissenschaftliche Vorarbeiten” für die “prägnante Herausarbeitung der Ambivalenz der Person Lueger – kommunalpolitische Verdienste versus Wegbereiter des Antisemitismus” sowie “eine Art kulturpolitischen Leitfaden für eine zeitgemäße Erinnerungskultur” brauche (Zitate von Kaup-Hasler in der APA, 8.11.2021) – eine Weiterführung der seit Jahren praktizierten politischen Taktik zu Verzögerung konkreter Maßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung oder Entfernung des Lueger-Denkmals und der Umbenennung des Lueger-Platzes.

Die Universität für angewandte Kunst Wien führte bereits 2009/2010 einen breit angelegten internationalen Wettbewerb zur künstlerischen Umgestaltung des Lueger-Denkmals unter Einbeziehung maßgeblicher Historiker:innen und Künstler:innen, Theoretiker:innen sowie Institutionen (siehe Liste am Ende der Erklärung) durch. In den Wettbewerb waren zahlreiche anerkannte Historiker:innen und Künstler:innen sowie Institutionen eingebunden. Im Mai 2010 wählte eine Jury, zusammengesetzt aus Künstler:innen, Wissenschafter:innen und dem Rektor der Angewandten (siehe Liste am Ende der Erklärung) ein Siegerprojekt aus. Die Unterlagen des Wettbewerbes gingen im Mai 2010 an die Stadt Wien. Geschehen ist nichts (außer einer kleinen Tafel), – mit dem Hinweis, dass das Thema angesichts der damals bevorstehenden Gemeinderatswahl im Oktober 2010 “sehr heikel” sei.

Die aktuelle Forderung der Kulturstadträtin, dass vor einer Ausschreibung die technischen Voraussetzungen und die Bedingungen des Denkmalschutzes zu klären seien, ist völlig realitätsfremd, weil die statischen Eigenschaften nur anhand eines konkreten Projekts beurteilt werden können. Auch das Bundesdenkmalamt beurteilt (abgesehen von der im ORF-Kulturmontag zu hörenden allgemeinen Aussage wie „Es darf keinen irreversiblen Eingriff in die Substanz eines Denkmals geben.“) die Zulässigkeit einer künstlerischen Intervention nur anhand eines konkreten Projekts. Wie konkret der Denkmalschutzaspekt anhand eines spezifischen Projekts verhandelt wird, zeigen viele Beispiele, zuletzt auch die Erfahrung unserer Universität mit der – zunächst – vom Denkmalamt untersagten Projektion der Arbeit von Lawrence Weiner auf die Fassade der Angewandten. Seit Mai dieses Jahres ist seine Sprachskulptur “Smashed to Pieces” bei Dunkelheit an der Außenmauer unseres Hauses letztendlich nun doch zu sehen.

Es liegen umfangreiche wissenschaftliche Vorarbeiten zur politischen “Ambivalenz der Person Karl Lueger” – wie von der Kulturstadträtin als Vorbedingung für eine neuerliche Wettbewerbsausschreibung gefordert – vor, wobei eine kontinuierliche Bearbeitung und Diskussion unabdingbar bleibt, und diese gemeinsam mit Künstler:innen und anderen Stakeholder:innen voranzutreiben ist. Die Angewandte trägt dazu seit Jahren mit regelmäßigen Interventionen und Veranstaltungen bei und wird dies auch in Zukunft tun. Auch im Rahmen des Wettbewerbs der Angewandten 2009/2010 erfolgten derartige Vorarbeiten. Und die Liste der wissenschaftlichen Publikationen zum Thema Erinnerungskultur ist sehr lang. Eine der führenden Expert:innen zu diesem Thema, Aleida Assmann, war übrigens Jurymitglied im Wettbewerb 2009/2010.

Warum über die Umbenennung des Lueger-Platzes erst NACH der Umgestaltung des Lueger-Denkmals diskutiert werden soll (so Frau Stadträtin Kaup-Hasler beim Symposium im MUMOK am 7. 11.2021) ist völlig unverständlich. Diesen Beschluss könnte der Wiener Gemeinderat innerhalb weniger Wochen fassen, wenn es den politischen Willen dazu gäbe. Dazu braucht es weder “technische Vorgaben” noch das Denkmalamt. Die Entscheidung für oder gegen den Namen einer Person, der einer Straße oder einem Platz gegeben wird, stellt ein öffentliches politisches Bekenntnis zum Wirken dieses Menschen dar. Es gibt keinen Grund, den Beschluss, mit dem das öffentliche politische Bekenntnis zum Wirken des bekennenden Antisemiten Karl Lueger zurückgenommen wird, bis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals zu verzögern; im Gegenteil. Mit der Umbenennung des “Dr. Karl Lueger-Ring” in “Universitätsring” hat die Stadt Wien bereits gezeigt, wie rasch eine Umbenennung erfolgen kann.

Das von Frau Kulturstadträtin Kaup-Hasler bemühte Argument, es brauche die durch Denkmäler und Straßennamen manifestierte unangenehme Erinnerung an Persönlichkeiten deren politisches Wirken abzulehnen ist, um die kritische Auseinandersetzung mit diesen Personen zu ermöglichen, überzeugt nicht. Hätte – dieser Argumentation folgend – der Adolf-Hitler Platz im Jahr 1945 besser nicht in Rathausplatz umbenannt und diverse Hitler-Statuen nicht entfernt werden sollen?

All diese Fakten legen mehr als nahe, dass sowohl die Umgestaltung oder Entfernung des Lueger-Denkmals als auch die Umbenennung des Lueger-Platzes – wieder einmal – verzögert werden sollen. Wenn Frau Stadträtin Kaup-Hasler jetzt sagt, dass “im Laufe des Jahres 2023 ein Siegerprojekt prämiert und danach mit der Umsetzung begonnen werden kann”, dann sieht man schon wieder die spätestens 2024 stattfindenden Nationalratswahlen und spätestens 2025 stattfindenden Wiener Gemeinderatswahlen im Hintergrund leuchten, die das Thema wieder als “sehr heikel” erscheinen lassen könnten.

Der Senat und das Rektorat der Universität für angewandte Kunst Wien fordern daher Frau Kulturstadträtin Kaup-Hasler und die gesamte Wiener Stadtregierung auf, unverzüglich zu handeln:

Wir fordern die sofortige Umbenennung des Lueger-Platzes in “Friedl Dicker-Brandeis Platz”. Das wäre der erste, kurzfristig umsetzbare Schritt zu einer Neukontextualisierung des Lueger-Denkmals, wenn das Denkmal zu Ehren eines bekennenden Antisemiten und Wegbereiter der NS-Ideologie auf einem Platz steht, der nach einer Künstlerin und Designerin benannt ist, die von den Nazis im KZ Theresienstadt ermordet wurde.

Gleichzeitig fordern wir, dass die Stadt Wien im Jänner 2022 einen Wettbewerb zur künstlerischen Umgestaltung des Lueger-Denkmals ausschreibt. Die Einreichfrist soll im Juni 2022 enden und das Siegerprojekt des Wettbewerbs aus dem Jahr 2010 ist in das Auswahlverfahren für ein aktuelles Siegerprojekt einzubeziehen. Spätestens bis Dezember 2022 soll der Wiener Gemeinderat entweder die Realisierung eines Siegerprojekts oder die Entfernung des Lueger-Denkmals beschließen.

Die Universität für angewandte Kunst Wien wird im Jahr 2022 durch ständig wiederkehrende Aktionen für alle Bewohnerinnen und Bewohner des Lueger-Platzes, für alle Ärzt:innen, Rechtsanwält:innen, Geschäftsinhaber:innen und Restaurantbesitzer:innen am Lueger-Platz, für alle Passant:innen und Tourist:innen sichtbar und hörbar machen, was Lueger im österreichischen Parlament und in diversen Versammlungen gesagt hat:

“Die Juden üben hier einen Terrorismus aus, wie er ärger nicht gedacht werden kann.” (Rede am 20. Juli 1899 vor dem christlich-sozialen Arbeiterverein in Wien.)

“Der Antisemitismus wird erst dann zugrunde gehen, wenn der letzte Jude zugrunde gegangen sein wird.” (Sitzung des Hauses der Abgeordneten des österreichischen Reichsrats am 26. Mai 1894, Stenographisches Protokoll Seite 14.622)

“Abg. Popper: Wenn er aber gesagt hat, dass von ihm niemals Worte gebraucht worden sind, welche auf die Verhetzung des Volkes sich beziehen, so erinnere ich an die bekannten Worte des Herrn Dr. Lueger in einer großen Volksversammlung, wo er gesagt hat, es sei ihm gleichgültig, ob man die Juden henkt oder schießt.” Zwischenruf Abg. Dr. Lueger: “Köpft! habe ich gesagt!” (Sitzung des Hauses der Abgeordneten des österreichischen Reichsrats am 26. Mai 1894, Stenographisches Protokoll Seite 14.623)

Diese und andere Aussagen Luegers werden wir in ihrer unverschleierten Brutalität und Menschenverachtung den Augen und Ohren der Menschen, die in Wien leben, die nach Wien als Tourist:innen oder Geschäftsleute kommen und den österreichischen und internationalen Medien im Originalwortlaut zumuten. Damit alle wissen, welcher Mann hier im Jahr 2022 mit einem Platznamen und einer Statue im Herzen von Wien geehrt wird.

Senat und Rektorat der Universität für angewandte Kunst Wien am 10. Dezember 2021

Unterstützer:innen und Autor:innen im Rahmen des Wettbewerbs zur künstlerischen Umgestaltung des Lueger-Denkmals 2009/2010 : Barbara Albert, Filmemacherin / Aleida Assmann, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin / Gerald Bast, Rektor an der Universität für angewandte Kunst Wien / Eva Blimlinger, Historikerin / Ljubomir Bratic, Theoretiker / Sabeth Buchmann, Kunsthistorikerin und -kritikerin / Boris Buden, Philosoph / Isolde Charim, Publizistin / Diedrich Diedrichsen, Kulturtheoretiker / Martin Fritz, Kurator und Publizist / Harald D. Gröller, Historiker / Daniela Hammer-Tugendhat, Kunsthistorikerin / Hans Haacke, Künstler / Felicitas Heimann-Jelinek, Chefkuratorin Jüdisches Museum Wien / Jasmina Hirschl, Studentin / Kathrin Hoffmann-Curtius, Kunsthistorikerin / Elisabeth Kittl, Studentin / Veronika Kocher, Studentin / Evá Kovács, Kulturwissenschafterin / Martin Krenn, Künstler, Initiator des Wettbewerbs zur künstlerischen Umgestaltung des Luegerdenkmals 2009/2010 / Verena Krieger, Kunsthistorikerin / Claudia Kuretsidis-Haider, Historikerin / Rudolfine Lackner, Studentin / Walter Manoschek, Historiker / Ruth Noack, Kuratorin / Lilly Panholzer, Studentin / Andreas Peham, Rechtsextremismus-Experte im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) / Anton Pelinka, Politologe / Alexander Pollak, Sprachwissenschaftler / Barbara Putz-Plecko, Vizerektorin an der Universität für angewandte Kunst Wien, Ltg. Abt. Kunst-und kommunikative Praxis / Doron Rabinovici, Schriftsteller, Essayist und Historiker / Gerald Raunig, Theoretiker / Matthias Reichelt, Kunstkritiker / Anja Salomonowitz, Filmemacherin / Robert Schindel, Schriftsteller / Nora Sternfeld, Kunstvermittlerin / Heidemarie Uhl, Historikerin / Anselm Wagner, Kunsthistoriker und -kritiker / Felicia Waldman, Sprachwissenschaftlerin / Martin Wassermair, Historiker / Ruth Wodak, Sprachwissenschaftlerin / ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit / Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen / Redaktionskollektiv der Zeitschrift MALMO / Verein Gedenkdienst [gedenkdienst.at] (https://gedenkdienst.at/) / HochschülerInnenschaft der Universität für angewandte Kunst Wien [HUFAK] (https://hufak.net/) / Österreichische HochschülerInnenschaft, Bundesvertretung / Plattform Geschichtspolitik

Jurymitglieder des Wettbewerbs zur künstlerischen Umgestaltung des Lueger-Denkmals 2009/2010: Aleida Assmann, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Professorin an der Universität Konstanz / Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien / Eva Blimlinger, Historikerin / Felicitas Heimann-Jelinek, Chef-Kuratorin jüdisches Museum Wien / Johanna Kandl, Künstlerin / Martin Krenn, Künstler / Lisl Ponger, Künstlerin / Doron Rabinovici, Schriftsteller, Essayist und Historiker

Universität für angewandte Kunst Wien
Andrea Danmayr
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