
TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 28. Dezember 2021 von Peter Nindler „Platter hat akuten Handlungsbedarf“
Innsbruck (OTS) – Es ist nicht nur der Corona-Protest, der dem Landeshauptmann und Tirols VP zusetzt. Das historische Umfragetief von 32 % drückt auch mangelnde Innovationskraft aus. Die Grünen und die Oppositionsparteien können davon aber kaum profitieren.
Landeshauptmann Günther Platter schlittert sowohl als Regierungschef als auch als ÖVP-Landesparteiobmann in die größte politische Bedrängnis seit Beginn seiner Amtszeit 2008 hinein. Und das ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl.
Die Tiroler ÖVP bekommt mit dem historisch niedrigsten Parteiwert von 32 Prozent in der aktuellen TT-Umfrage nicht nur den Protest gegen die Corona-Politik im Allgemeinen und von den Maßnahmenkritikern im Speziellen voll zu spüren: Sie schwächelt generell, aber nicht alles lässt sich auf das Virus abwälzen oder auf die türkisen Turbulenzen im Bund. Leistbares Wohnen, Verkehr, Tourismus oder Freizeitwohnsitze bleiben weiter (ungelöste) Herausforderungen, die den Tirolern unter den Nägeln brennen. Die Antworten darauf erfolgen oft zu spät oder sind halbherzig.
Außerdem wirkt Platters ÖVP-Team müde und versprüht keinerlei Innovationskraft. Die Pandemie hat diesen Eindruck verstärkt, die notwendige Regierungsumbildung im Mai wurde lediglich zur Kenntnis genommen. Mehr nicht. Schließlich hielt der Landeshauptmann in der größten Gesundheitskrise zu lange am politisch schwer angezählten Ex-Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg („Wir haben alles richtig gemacht“) fest. So wie Platter als regionaler Corona-Krisenmanager vielfach hinterherhüpft, statt vorneweg zu gehen. Wie es etwa Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) vormacht.
Dass Schwarz-Grün in Tirol aktuell keine Mehrheit mehr hätte, dürfte die Ökopartei ebenfalls in Hektik versetzen. Sie ist mehr oder weniger stabil, die Schwäche des Koalitionspartners können allerdings die Grünen nicht nützen. Und nur im überschaubaren Ausmaß SPÖ, FPÖ, NEOS oder Liste Fritz.
Die impfkritische MFG sammelt hingegen den Protest, ohne in Tirol öffentlich in Erscheinung zu treten, ein politisches Programm oder Personal zu haben. Damit stürzt sie gleichzeitig die FPÖ ins Dilemma, die nach Eigendefinition als Partei des kleinen Mannes vielfach dieselben Inhalte auf der politischen Bühne vertritt. Doch mit Kickl und Co. tun sich die Impfskeptiker sowie Maßnahmengegner offenbar schwer oder haben mit ihnen einfach nichts am Hut.
Kommt der MFG allerdings das Corona-Thema abhanden, wird sie wohl rasch wieder Geschichte sein. Augenblicklich sieht es noch nicht danach aus. Unabhängig davon hat ÖVP-Chef und LH Günther Platter Handlungsbedarf, besonders als Führungspersönlichkeit im Land. Mehr denn je geht es um Glaubwürdigkeit in der Politik und nachvollziehbare Entscheidungen. Das gilt gleichsam für alle etablierten Parteien in Tirol. Denn die TT-Umfrage ist nicht nur für die ÖVP eine politische Watsch’n.
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