Grüne Krismer: „Eine Deponie im Naturschutzgebiet“

Mitten in den nach EU-Recht strengstens geschützten Tullnerfelder Donauauen wird brutal gerodet und Aushubmaterial deponiert

St. Pölten (OTS) – „Unglaublich!“ Nicht nur Helga Krismer stand die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben. Auch die Begleiter:innen der Chefin der Niederösterreichischen Chefin in die Tullnerfelder Donauauen trauten ihren Augen nicht – und fragten sicherheitshalber mehrfach nach: „Das hier soll ein Naturschutzgebiet sein? Echt jetzt?“ Krismer nickte: „Ja – jedenfalls auf dem Papier.“

Denn auf dem Papier sind die Tullnerfelder Donauauen nicht nur ein „Natura 2000“ – also auf EU-Level zertifiziertes – Schutzgebiet, sondern auch Österreichs größter zusammenhängender Auwald. „Das Schutzgebiet reicht von Krems bis Korneuburg/Klosterneuburg.“ Das etwa 18 Hektar große Areal ist als Vogel- und „FFH-Schutzgebiete (Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiete, eine EU-Norm) ausgewiesen. Es bietet sichere Lebens und Rückzugsräume für 25 Vogel-, Dutzende Säuger- und über 30 Pflanzenarten, die anderswo verdrängt und teils auch gefährdet sind. Hier, in den Tullnerfelder Donauauen, ist das anders. Mit dem noch über Landes- oder Bundes-Naturschutz-Siegel stehenden Ökoschutz-Zertifikat der europäischen Union: „Natura 2000“.

Wüstes Roden in der Au
Aber Papier ist ist geduldig und „Rechtsnormen nur dann etwas wert, wenn man sie einhält – oder ihren Bruch sanktioniert,“ stellte Helga Krismer traurig und „richtig angefressen“ beim Lokalaugenschein im angeblichen Naturschutzgebiet fest: Bei Spillern ist davon nämlich nichts zu sehen. Hier wurde und wird auf einem mehrere etliche hundert Meter langen und über 100 Meter breiten Areal mit schwerem Gerät rigoros und gnadenlos Auwald abgeholzt – und der natürliche Wald Boden mitsamt seiner fruchtbaren Humusschicht mit Schubraupen fast einen halben Meter tief abgegraben und planiert. „Hier wächst und lebt so bald nichts mehr,“ zeigte sich die niederösterreichische Grün-Politikerin beim Blick auf die schweren Verletzungen des Bodens entsetzt, als sie mit dem Grünen Stockerauer Umweltstadtrat Dietmar Pfeiler und Franz Hatzl von den Grünen in Spillern hier einen Lokalaugenschein vornahm: „Wo ist da die politische Kontrolle? Wo die Behörde? Wo das Land, das solchen Umtriebe verhindert? Darf so etwas wahr sein?“

Darf es eigentlich, ist es aber. Und das nicht erst seit gestern:
Schon im März 2021 zeigten die Grünen hier mehr als problematische Vorgänge auf, die offiziell als „Waldbewirtschaftung“ und sogar als Maßnahmen zum Tier- und Naturschutz schön geredet wurden. Denn unter diesem Signet wurde seit sie 2020 massiv geschlägert und planiert. Mit dem Aushubmaterial wurde – parallel zur Autobahn – ein als „Wildrettungshügel“ bezeichneter Damm aufgeschüttet: Bei Hochwasser sollten sich Wildtiere hierher retten können.

Was da – wieder: auf dem Papier – nach gelebtem und sinnvollem Wild Naturschutz klingt, ist tatsächlich aber das Gegenteil und beschäftigt sei dem Vorjahr auch die NÖ-Umweltanwaltschaft. Zum einen, weil es im Auwald längst etliche dezentrale und für die Tiere bei Hochwasser leichter erreichbare solche Schutzinseln gibt. Zum anderen, weil die Höhe, die dieser angebliche Schutzdamm an der Autobahn mittlerweile erreicht hat, nur schwer erklärbar ist: Wenn Stockerau, die A22 und Korneuburg längst tief unter Wasser stünden, hätten Hirsche und Rehe, Fuchs und Hase noch lange auf trockenem Boden – und der „Damm“ wächst weiter: „Nicht, dass wir uns gegen den Schutz von Tieren wenden würden“ sagt Krismer, „aber das hier ist etwas Anderes. Etwas ganz anderes!“

Eine getarnte Deponie
Denn „wenn etwas wie eine Deponie aussieht, ist es wohl auch eine“, sagt auch Stockeraus Umweltstadtrat Dietmar Pfeiler: „Hier wird unter dem Deckmantel des Umwelt- und Naturschutzes mitten im Natura 2000 Gebiet nicht nur brutal abgeholzt und Lebensraum unwiederbringlich vernichtet, sondern auch noch unkontrolliert eine Deponie mit Aushubmaterial unbekannter Herkunft und ohne jede Analyse des Materials errichtet. Und die Behörde schaut tatenlos zu.“

Für Grünen-Chefin Helga Krismer ist dieses Wegschauen und Nicht-Eingreifen ein „Skandal, der weit mehr als die – höflich gesagt – Untätigkeit der regionalen Bezirkshauptmannschaft betrifft. Hier versagt der zuständige VP-Landesrat Stefan Pernkopf zur Gänze: Er ist zuständig, hat die nötigen Rechtsmittel, weiß Bescheid – und tut schlicht und einfach gar nichts.“ In Polen, alles andere als ein Musterknabe der EU, fügt Krismer hinzu, wurden schon weit geringere Eingriffe in Natura 2000-Gebiete von Brüssel strengstens sanktioniert.

Fragen an Pernkopf
Darum kündigt die Grünen-Sprecherin einen Antrag im niederösterreichischen Landtag an – überlegt mit den lokalen Umweltschützer:innen aber auch den Gang nach Brüssel. Darüberhinaus hat sie eine Reihe von Fragen an den zuständigen Landesrat Stefan Pernkopf (ÖVP):
– „Wie passen diese Vorgänge zu den Zielsetzungen und gesetzlich verankerten Landes- und Bundesvorschriften zum Naturschutz und eines Natura2000-Gebietes?“
„Wie groß muss der Überbestand bei Wild sein, dass ein großer Wildrettungshügel erforderlich ist?“
„Wie werden diese Rodungen und Aufschüttungsarbeiten rechtlich und naturschutzrechtlich begründet?“
„Hatten Sie Kenntnis davon, dass dieses Projekt im Natura 2000-Gebiet von der Bezirkshauptmannschaft einfach durchgewunken wurde?“ „Was werden Sie unternehmen, um dieses Projekt zu stoppen?“

Fotoservice:
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(https://wetransfer.com/downloads/1424d9df254c916fd654d4c7c5141ba3202
20228095618/82a052acc3c38e44e1d76f5252a701fc20220228095646/3d5d03) zu Bildern in Druckqualität:

NÖ-Grünen-Chefin Helga Krismer mit Stockeraus Umweltstadtrat Dietmar Pfeiler (Grüne, orange Jacke) und Franz Hatzl (Grüne Spillern, gelber Anorak) auf Lokalaugenschein im devastierten Naturschutzgebiet in der Au bei Spillern.
©Jennifer Vacha/Grüne Niederösterreich

Tom Rottenberg
Pressesprecher der Grünen NÖ

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