Besetzung in der Mariannengasse in Wien gewaltsam von der Polizei geräumt

Aktivist:innen kritisieren Österreichs Umgang mit antisemitischen Raubgut

Wien (OTS) – Zwischen 30.000 und 100.000 Wohnungen stehen in Wien leer. Menschen verlieren vermehrt durch Zwangsräumungen ihr zu Hause. Grund dafür ist, dass das alltägliche Überleben immer teurer wird. Viele Menschen schlittern dadurch in die Obdachlosigkeit oder geraten in noch prekärere Lebenssituationen.
Geflüchtete müssen beispielsweise in überfüllten Unterkünften ausharren, obwohl es für alle Menschen ausreichend Platz gäbe, wie die Besetzung zeigt.

Die bewaffnete Staatsmacht sorgt allerdings dafür, dass die Besetzung eines seit Jahren leerstehenden Gebäudes geräumt wird, nur um die Bedürfnisse der Menschen nach Wohnraum oder nach selbstverwalteten, kollektiven Räumen nicht anzuerkennen. Die Geschehnisse von heute, machen das Wesen dieser falsch eingerichteten Gesellschaft erkennbar: Im Kapitalismus geht es nicht um unsere Bedürfnisse, sondern alleine um die Interessen des Kapitals nach immer mehr Profit. Diese kapitalistische Profit- und Eigentumslogik wird wenn notwendig auch gewaltsam vom Staat aufrechterhalten.

Heute wurde die Besetzung in der Mariannengasse 16-20, die auf diese Probleme aufmerksam machen wollte, von der Polizei gewaltsam beendet. Nicht nur die Räumung des Hauses wirft Fragen auf, sondern auch seine Geschichte. Fragen nach den österreichischen Umgang mit dem Raub jüdischen Eigentums durch die nationalsozialistische Volksgemeinschaft. Fragen nach der Verantwortung für die NS-Verbrechen und nach dem Umgang mit Antisemitismus in der österreichischen Gesellschaft. Denn das Gebäude in der Mariannengasse wurde von den Nazis arisiert. Wie so oft hatten die Überlebenden oder die Angehörigen der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgungs-und Vernichtungspolitik nach 1945 keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung oder Rückerstattung der ihnen geraubten Gegenstände, Liegenschaften oder Wohnungen. Österreich sah sich durch die Lüge, das erste Opfer der Nazis gewesen zu sein, über Jahrzehnte hinweg nicht zuständig. Es wurde vielerorts auch Täter-Opfer-Umkehr betrieben. Der Antisemitismus war auch nach dem Ende des NS-Regimes in Österreich und seiner politischen Landschaft stark präsent und prägte somit die gesellschaftliche Debatte um Entschädigung und Restitutionen. Nicht die Empathie mit den Opfern stand im Vordergrund, sondern Verdrängung und Schuldabwehr. Erst 2001 (!) wurde im Washingtoner Abkommen die Rückerstattung von arisierten Liegenschaften geregelt. Seitdem hätte das Gebäude in der Mariannengasse 16-20 den Betroffenen zurückgegeben werden müssen. Das ist bis heute nicht passiert. „Ich wäre dafür, dass man die Sache in die Länge zieht“ war damals die Aussage des ersten Innenministers Österreichs in der Nachkriegszeit Oskar Helmer (SPÖ) zu Restitutionen geraubter Vermögenswerte. Diese Devise scheint sich in Österreich bis heute fortzuschreiben.

„Für wen wurde das Gebäude heute also geräumt? Für die Immobiliengesellschaft der ÖBB, die damit für weitere Jahre einen Leerstand verwalten kann? Sollen mit diesem Leerstand die Restitutionen in die Länge gezogen werden, in der Hoffnung dass es irgendwann niemanden mehr gibt, der diese Ansprüche geltend machen kann? Der österreichische Umgang mit Rückforderungen antisemitischen Raubguts ist schlicht skandalös.“ So Simone Steiner, Pressesprecherin der Kampagne „En Commun“.

„Mit der Besetzung wollten wir auf verschiedene Missstände aufmerksam machen. Es kann nicht sein, dass Menschen ihre Wohnungen verlieren, weil alles teurer wird und sie sich ihr Leben, Heizen, Essen und Miete nicht mehr leisten können. Es kann nicht sein, dass Häuser leerstehen, während so viele Menschen dringend ein Zuhause brauchen. Und es kann nicht sein, dass antisemitisches Raubgut nicht an die Betroffenen zurückgegeben wird. Dieser Politik und dieser Gesellschaft stehen wir unversöhnlich gegenüber. Deshalb kämpfen wir für ein gutes Leben für alle Menschen!“ So Steiner weiter.

Die Aktion war der Auftakt einer Kampagne, die in Zukunft auf weitere gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen will. Es werden noch weitere Aktionen folgen. Für mehr Informationen und Beteiligungsmöglichkeiten, schaut einfach auf en-commun.at oder schreibt uns an!

Pressehandy: +4368864376761
E-Mail: en-commun@riseup.net

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender