AK: Der Arbeitskräftemangel ist durch schwierige Arbeitsbedingungen hausgemacht

Sozialbereichsleiterin Silvia Hruška-Frank fordert Qualifizierungsgeld und 70% Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld

Wien (OTS) – In Österreich liegt die Arbeitslosenquote nach nationaler Berechnung bei aktuell 7,3 Prozent. „Damit ist offensichtlich, dass der Arbeitsmarkt keineswegs leergefegt ist und einer der Hebel zur Deckung des Bedarfs an gut ausgebildeten Arbeitnehmer:innen in der Qualifizierung von Arbeitssuchenden liegt“, sagt AK Sozialbereichsleiterin Silvia Hruška-Frank. „Mit der Klage über einen sogenannten „Fachkräftemangel“ werden von manchen Arbeitgebern und ihren Vertretungen jedoch sehr oft andere Ziele verfolgt, wie etwa das Festhalten an relativ schlechten Lohn- und Arbeitsbedingungen oder mehr Arbeitsmigration in Niedriglohnbereichen.“

Unterstützung für Betriebe, statt Daumenschraube für Arbeitslose

„Die Wirtschaftskammer sollte sich besser dafür einsetzen, dass den Betrieben tatsächlich geholfen wird, statt auf die Arbeitslosen zu zeigen und bei ihnen die Daumenschraube durch eine Verschlechterung des Arbeitslosengeldes anzusetzen. Die Arbeitslosenunterstützung ist schon jetzt so niedrig, dass sie viele Menschen an die Armutsgrenze führt“, kritisiert Hruška-Frank. Aus der derzeitigen (Nicht-)Nutzung der Qualifizierungsförderung für Beschäftigte seitens der Betriebe geht hervor, dass sie sich vielfach zu wenig um eine nachhaltige Sicherung des Bedarfs an qualifizierten Arbeitnehmer:innen bemühen. Bei vielen KMUs ist das Bewusstsein für die Weiterbildung der Mitarbeiter*innen kaum vorhanden, gleichzeitig haben sie aber auch wenig Spielraum und Ressourcen für eine strategische Personalplanung. Zwar gibt es mit der Impulsberatung für Betriebe dafür ein Förderangebot seitens des AMS, dennoch ist in diesem Bereich eine stärkere Unterstützung vor allem für KMUs vonnöten.

Massiver Investitionsrückstau bei der betrieblichen Weiterbildung

Österreichs Unternehmen investieren immer weniger in die Weiterbildung ihrer Beschäftigten. Ihr Anteil an der Finanzierung der Weiterbildung ging von 2009 bis 2018 von 41 auf 31 Prozent zurück. Der Anteil der Arbeitnehmer:innen an den Weiterbildungsausgaben stieg dagegen von 29 auf 42 Prozent. Und auch im internationalen Vergleich schneiden die Unternehmen in Österreich schlecht ab. Im Vergleich von fünf Ländern liegen sie mit ihren Ausgaben für Weiterbildung nur auf Platz vier. Das zeigt jetzt eine Studie des Instituts für Höhere Studien.

Unbewusste Diskriminierung selbstkritisch hinterfragen

Viel Potenzial liegt zudem in einer Änderung des Rekrutierungsverhaltens der Betriebe. Die Anforderungen an die beruflichen Kenntnisse der Arbeitnehmer:innen sind oftmals zu hoch angesetzt, weil viele Unternehmen auf ein „Nice to have“ fokussieren und ihnen damit oft unklar ist, welche Kompetenzen tatsächlich gebraucht werden. Dazu kommt vielfach ein mangelndes Bewusstsein für Inklusion: Wenn Personen zwar über Ausbildungsabschlüsse, aber vielleicht noch über wenig fachspezifische Berufserfahrung verfügen, haben sie es schwer am Arbeitsmarkt. Betriebe fordern also viel, geben umgekehrt aber wenig, so Hruška-Frank: „Es reicht ja oft schon, eine Frau zu sein, oder einen anderen als einen deutschen Namen zu haben, um für ein Vorstellungsgespräch gar nicht erst eingeladen zu werden. Verstärkt wird dies, wenn längere Arbeitslosigkeit, gesundheitliche Beeinträchtigungen oder höheres Alter hinzukommen. Viele Betriebe sind immer noch zurückhaltend, diesen Zielgruppen Chancen zu ermöglichen.“ Dabei gibt es mit der Eingliederungsbeihilfe, einem Lohnkostenzuschuss für Arbeitgeber bei der Einstellung bestimmter arbeitsloser Personengruppen, auch hier Förderungen seitens des AMS. Finanzielle Anreize über öffentliche Förderungen allein scheinen jedoch zu wenig, so sind beispielsweise Personen über 50 mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen bei der Inanspruchnahme von Förderungen durch die Betriebe weiterhin unterrepräsentiert.

„Es gibt keine schlechte Arbeit, aber schlechte Löhne und Arbeitsbedingungen“, so Hruška-Frank

„Man sollte damit aufhören, den Menschen zu unterstellen, dass sie nicht arbeiten wollen. Die meisten Menschen arbeiten gerne – wenn die Rahmenbedingungen stimmen“, so die AK-Sozialbereichsleiterin. Ziel muss sein, mittel- und längerfristig den Arbeitnehmer:innen hochwertige Beschäftigung mit entsprechenden Lohn- und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen und den Bedarf einer hochentwickelten Volkswirtschaft nach gut ausgebildeten Arbeitnehmer:innen zu decken.

Die AK hat dazu ein Modell entwickelt, das Arbeitnehmer:innen besser bei Weiterbildung unterstützt: Alle ArbeitnehmerInnen über 25 Jahren sollen das Recht auf monatlich 1.220 Euro netto für insgesamt drei Jahre Aus- und Weiterbildung im Lauf von 15 Jahren bekommen. Bezahlt werden soll das Qualifizierungsgeld aus dem Finanzierungstopf der Bundesregierung. Damit wird der Anteil der öffentlichen Hand an der Finanzierung der Weiterbildung deutlich erhöht. Insbesondere Menschen mit niedrigen und mittleren Qualifikationen sollen davon profitieren können.

Schon lange fordert die AK ein Recht der ArbeitnehmerInnen auf eine Woche Weiterbildung pro Jahr in der bezahlten Arbeitszeit. Damit würde Österreich endlich die Resolution der internationalen Arbeitsorganisation ILO aus dem Jahr 1974 für eine bezahlte Bildungsfreistellung umsetzen mit fast 50 Jahren Verspätung.

Arbeiterkammer Wien
Katharina Nagele
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