Justizausschuss genehmigt Verbesserungen beim Creeping-in von Aktionär:innen

Weisungsberichte der Justizministerin zur Kenntnis genommen

Wien (PK) – Mit einer aktuellen Übernahmegesetz-Novelle 2022 sollen die gesetzlichen Bestimmungen zum sogenannten Creeping-in von Aktionär:innen – also dem weiteren Ausbau einer bereits kontrollierenden Beteiligung – teilweise liberalisiert und für die Praxis besser handhabbar gemacht werden. Für die Vorlage stimmten im Justizausschuss neben ÖVP und Grüne auch die FPÖ und NEOS. Kritisch äußerten sich Redner:innen der SPÖ, die durch die neuen Bestimmungen eine Schlechterstellung von Minderheitsaktionär:innen orten.

Einhellig nahmen die Abgeordneten den Weisungsbericht der Justizministerin für die Jahre 2011 bis 2018, mehrheitlich jenen für 2014 bis 2020 zur Kenntnis. Ein NEOS-Antrag für eine Reform, die das Gründen erleichtern soll, wurde vertagt.

Regierungsvorlage zu Creeping-in von Aktionär:innen und zum Instanzenzug gegen Entscheidungen der Übernahmekommission

Die Änderungen beim Creeping-in (1526 d.B.) sollen vor allem jenen Aktionär:innen zugutekommen, die – alleine oder mit gemeinsam vorgehenden Rechtsträgern – eine kontrollierende, aber nicht die absolute Mehrheit der Stimmrechte erreichende Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft halten. Die positiven Auswirkungen für diese Aktionär:innen sollen sich laut Vorlage etwa in einer Erweiterung ihres strategischen Handlungsspielraums oder auch in der Reduktion der Rechtsberatungskosten zeigen.

Die Angebotspflicht soll etwa künftig erst ab einem Hinzuerwerb von drei und nicht wie bisher ab zwei Prozentpunkten ausgelöst werden. Berücksichtigt werden sollen dabei vorangehende Veräußerungen von Aktien. Definiert werden unter anderem auch zwei Tatbestände, in denen statt einer Angebotspflicht eine Anzeigepflicht an die Übernahmekommission besteht, etwa wenn ein:e Aktionär:in bereits über eine Mehrheitsbeteiligung verfügte, diese dann aber bloß vorübergehend unterschritten hat. Zum anderen soll ein Creeping-in im Bereich unterhalb der Mehrheitsbeteiligung grundsätzlich nur einmal eine Angebotspflicht auslösen.

Um die österreichische Rechtslage in Einklang mit einem EuGH-Urteil zu bringen, soll darüber hinaus gegen Entscheidungen der Übernahmekommission künftig Rekurs an das Oberlandesgericht Wien erhoben werden können und die Möglichkeit einer Parteistellung im Feststellungsverfahren erweitert werden. Für dieses neue Rechtsmittelverfahren sollen mit einer Änderung im Gerichtsgebührengesetz auch die diesbezüglichen Gerichtsgebühren neu bestimmt werden.

Während Philipp Schrangl (FPÖ) sich nach der Deckung der Kosten für eine zusätzlich erforderliche Planstelle am Oberlandesgericht Wien erkundigte, begrüßte Johannes Margreiter seitens der NEOS zwar die Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten bei Entscheidungen der Übernahmekommission. Zu beobachten sei für ihn, inwieweit die Anhebung der Schwelle von zwei auf drei Prozent mit einer Bevorzugung der Kernaktionär:innen einhergeht. Deutliche Kritik an der Anhebung der Schwelle äußerte Christian Drobits (SPÖ), der darin eine klare Schlechterstellung der Minderheitsaktionär:innen sieht. Klaus Fürlinger (ÖVP) sagte demgegenüber, eine Grenze müsse eben eingezogen werden, ob bei zwei oder drei Prozent, das stelle keine “bösartige Liberalisierung” dar. Agnes Sirkka Prammer (Grüne) meinte dazu, die Änderungen betreffen aus ihrer Sicht ein Ausmaß, das “gerade noch vertretbar” sei.

NEOS fordern “echten Neustart”

Eine umfassende Modernisierung der Rahmenbedingungen rund um das Thema Gründen fordern die NEOS (1618/A(E)). Die Corona-Pandemie habe die Schwächen und Defizite der Strukturen in Österreich aufgezeigt und offengelegt, was man besser machen könne. Seit vielen Jahren werde eine umfassende Reform, die das Gründen erleichtern und den heimischen Standort attraktivieren soll, diskutiert, aber nicht umgesetzt. Aufgrund dieses Reformstaus befinde sich Österreich auf Platz 127 im Starting-a-Business-Ranking der Weltbank, so Johannes Margreiter (NEOS). Es brauche eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und Unternehmensgründer:innen, eine Modernisierung des Gesellschaftsrechts, die Schaffung eines One-Stop-Shops und ein Bekenntnis zu Mitarbeiter:innenbeteiligungen. Eine Gründung sollte innerhalb von 24 Stunden, digital und mit maximalen Kosten von 100 € möglich sein. Der Antrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Anhand der Debatte im Ausschuss zeige sich, dass es sich bei dem Ansinnen um eine sehr komplexe, viele Bereiche berührende Materie handle, fasste Justizministerin Alma Zadić die unterschiedlichen Positionen zusammen. Das Thema werde seitens der Regierung für Start-ups angegangen, ersuchte sie die Abgeordneten um diesbezügliche Geduld. Das Ziel seien erleichterte Gründungen, gleichzeitig aber die Transparenz und Rechtssicherheit zu erhalten. Österreich werde für die hohen Standards im internationalen Vergleich immer wieder gelobt, so die Justizministerin, die aber auch einräumte, dass es gewisse Erleichterungen bei Gründungen brauche.

Weisungsberichte der Justizministerin für 2019 und 2020

In den Jahren von 2011 bis 2018 wurden seitens des Justizministeriums insgesamt 69 Weisungen erteilt, nachdem das zugrunde liegende Verfahren beendet wurde. Dies geht aus dem Weisungsbericht 2019 (III-161 d.B.) hervor. Justizministerin Alma Zadič listet darin insgesamt 65 Fälle auf, wobei in vier Fällen jeweils zwei Weisungen erfolgten. Laut Weisungsbericht 2020 erteilte das Justizministerium im Zeitraum von 2014 bis 2020 52 Weisungen, nachdem das zugrunde liegende Verfahren bereits beendet war, wobei in drei Verfahren davon je zwei Weisungen erteilt wurden (III-447 d.B.). In 18 Fällen lautete die Weisung auf Einleitung bzw. Fortsetzung des Verfahrens oder auf Durchführung von konkreten Erhebungen zum Gegenstand. Mit 42 Weisungen (60,9%) laut Bericht 2019 und 34 Weisungen (65,4%) laut Bericht 2020 lag der regionale Schwerpunkt beim Oberlandesgericht Wien. Der Weisungsbericht 2019 wurde einstimmig und der Weisungsbericht 2020 mehrheitlich mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS zur Kenntnis genommen. Ein Antrag der FPÖ, den Weisungsbericht 2020 im Ausschuss nicht endzuerledigen und im Plenum zu debattieren, blieb mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und NEOS in der Minderheit.

Die Weisungsberichte seien sehr essentiell und würden Transparenz zu Weisungen bringen, erklärte Justizministerin Alma Zadić. Zur Zukunft der Weisungsspitze verwies die Ministerin auf eine Arbeitsgruppe zu einer Bundesstaatsanwältin bzw. einem Bundesstaatsanwalt. Diese würde einen Vorschlag erarbeiten, wie man von einer politischen zu einer unabhängigen Weisungsspitze kommen könne. Der leiseste Verdacht von politischer Einflussnahme schade dem Ansehen des Rechtsstaates, begründete Selma Yildirim (SPÖ) die SPÖ-Forderung nach einer politisch unabhängigen Weisungsspitze und forderte die Einbindung der Parlamentsfraktionen in die Arbeitsgruppe. Gegen eine solche Involvierung sprach sich Agnes Sirkka Prammer (Grüne) aus. Die Arbeitsgruppe sollte einen Vorschlag erarbeiten und das Ergebnis sollte durch eine Einbindung der Politik nicht beeinflusst werden, forderte sie. Das bestehende System funktioniere gut, meinte hingegen Philipp Schrangl (FPÖ) und sprach sich für eine Verbesserung des Systems aus.

Die vergleichsweise wenigen Weisungen im Berichtszeitraum begrüßte Klaus Fürlinger (ÖVP), kritisierte aber überlange Verfahrensdauern. Diese seien kein Ruhmesblatt für den Rechtsstaat. Für schnellere Verfahren brauche es mehr Ressourcen, entgegnete die Justizministerin und verwies auf erfolgte Aufstockungen und dass die Verfahrensdauern im internationalen Durchschnitt liegen würden. Zudem habe sie zur Beschleunigung unter anderem Berichtspflichten reduziert. Einzelne Verfahren würden aber durchaus länger dauern, meinte Zadić.

Man erhalte den Eindruck, dass bei Verfahren mit FPÖ-Bezug mit unterschiedlichen Maß gemessen werde, betonte Harald Stefan (FPÖ) mit Verweis unter anderem auf die “Liederbuchaffäre” und das Verfahren gegen FPÖ-Nationalratsabgeordneten Wolfgang Zanger. Die Befassung des Weisungsrates im Nachhinein kritisierte Johannes Margreiter (NEOS). (Schluss Justizausschuss) mbu/pst

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