
Rendi-Wagner und Lopatka luden zur gemeinsamen Aussprache im Zeichen der Solidarität mit der Ukraine
Ukrainischer Botschafter Khymynets und Politikwissenschaftler Mangott im Austausch mit Nationalratsabgeordneten
Am Vorabend des Jahrestages des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine fand eine gemeinsame Aussprache des Außenpolitischen Ausschusses und des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union unter gemeinsamer Vorsitzführung von Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) und Reinhold Lopatka (ÖVP) im Zeichen der Solidarität mit der Ukraine statt. Den Nationalratsabgeordneten standen der ukrainische Botschafter Vasyl Khymynets und Politikwissenschaftler Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck für Fragen zur Verfügung.
RUSSLAND HABE KRIEG STRATEGISCH VERLOREN
Der ukrainische Botschafter Vasyl Khymynets bedankte sich für die Abhaltung der gemeinsamen Aussprache sowie für die Unterstützung seit Beginn des Kriegs und den Einsatz Österreichs bei der Aufnahme von Geflüchteten. Die humanitäre Hilfe komme an, sei aber auch weiterhin bitter notwendig, meinte er. Khymynets sprach von einem starken Willen der Ukraine, das Land zu verteidigen. Die Streitkräfte seien motiviert und militärisch bereit. Der Krieg gehe – auch wenn unklar sei, wie lange – weiter, strategisch habe ihn Putin aber verloren, sagte er. Die militärischen Kriegspläne Russlands seien nicht realisiert worden. Obwohl die Kämpfe andauern, seien diplomatische Mittel nicht ausgeschlossen, meinte der Botschafter mit Verweis auf die Bedeutsamkeit internationaler Unterstützung.
Politikwissenschaftler Gerhard Mangott legte seine Einschätzungen zum Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine dar. Gemessen an den ursprünglichen Kriegszielen Russlands – dem Sturz der Regierung und der Demilitarisierung der Ukraine – habe Russland den Krieg strategisch schon sehr früh verloren, meinte auch er. Mittlerweile würden auch keine Kriegsziele mehr konkretisiert werden. Russland rechne aber auch nicht mit raschen Erfolgen, sondern mit einem lang andauernden Krieg.
Aus Sicht des Experten gebe es drei Varianten, wie der Krieg enden könne: durch die Intervention einer dritten Partei, wenn sich eine der beiden Parteien militärisch durchsetze oder wenn beide Armeen so ermattet sind, dass es zu einem Ausweg über eine Verhandlungslösung komme. Von allen drei Szenarien sei man allerdings weit entfernt, sagte Mangott. Die letztere Variante habe insofern wenig Aussicht, weil beiderseits Vorbedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen gestellt werden, welche die jeweils andere Seite als inakzeptabel wahrnehme. Dazu ergänzte der ukrainische Botschafter, dass die von Russland gestellten Bedingungen – territoriale Zugeständnisse – fatal für die Ukraine wären. Deshalb würde seitens der Ukraine die Voraussetzung des Truppenrückzugs gelten.
BESCHLEUNIGTES EU-BEITRITTSVERFAHREN AUS EXPERTENSICHT ILLUSORISCH
Nach den Statements hatten die Abgeordneten Gelegenheit für Fragen. So informierte sich Johannes Schmuckenschlager (ÖVP) über die Getreideexporte. Diese würden immer noch funktionieren, sagte Botschafter Khymynets. Der Anbau werde aber schwieriger, da viele landwirtschaftliche Flächen vermint seien. Auch Helmut Brandstätter (NEOS) hatte dies problematisiert. Die Ukraine sei diesbezüglich auf Unterstützung, etwa durch die Zurverfügungstellung von Minensuchgeräten, angewiesen, sagte Khymynets.
Dass es wichtig sei, die Kriegsverbrechen vor Gericht zu bringen, betonte Petra Bayr (SPÖ), wobei ihr der ukrainische Botschafter zustimmte. Ihm zufolge wäre es eine Möglichkeit, Russland zur Rechenschaft zu ziehen, indem Putin auf der Anklagebank eines Ad-hoc-Tribunals des UN-Strafgerichtshofs sitzen würde.
Angesprochen wurde auch die Option eines Zerfalls Russlands. Während der ukrainische Botschafter meinte, dieses Szenario sei durchzudenken, schätzte der Wissenschaftler die Wahrscheinlichkeit dafür als gering ein. An einem solch unkontrollierbaren Prozess hätten die USA – in Hinblick auf Nuklearwaffen – kein Interesse, wurde eine Frage von SPÖ-Abgeordneter Bayr beantwortet. Der Einsatz von Nuklearwaffen sei nicht wahrscheinlich, aber möglich, sagte Mangott, woraufhin mehrere Abgeordnete wie Harald Troch (SPÖ) und Nikolaus Scherak (NEOS) seine Einschätzung zu einer Ausweitung des Konflikts einholten. Putin würde nukleare Waffen wohl nicht militärisch, sondern als Terrorwaffe einsetzen, sagte er. Ob es sich bei der jüngsten Rede Putins – er sprach davon, dass die Existenz Russlands auf dem Spiel stehe – um eine explizite Drohung oder einen Bluff handle, sei offen. Einen Kriegseintritt von Belarus hielt Mangott für nicht sehr wahrscheinlich.
Generell ziele Russland vor der eigenen Bevölkerung auf die Darstellung einer überzogenen Macht ab, analysierte Mangott die russische Propaganda auf Nachfrage von Georg Bürstmayr (Grüne) und Nikolaus Scherak (NEOS). Neben dem anfänglichem Narrativ der Täter-Opfer-Umkehr in Bezug auf die Ukraine würde die russische Kommunikation mittlerweile vom „Krieg des Westens gegen Russland“ sprechen. Russland sei sich nun allerdings darüber im Klaren, dass es das Land nicht mit den NATO-Armeen aufnehmen könne, so Mangott.
Susanne Fürst (FPÖ) wollte eine Experteneinschätzung zur langfristigen wirtschaftlichen und geopolitischen Auswirkung durch die zuvor von Mangott angesprochene „Blockbildung“. Er sprach von einer solchen Gefahr in Bezug auf die Rolle Chinas und der USA. Russland sei zwar durch den Westen isoliert, aber nicht weltweit, sagte der Politikwissenschaftler. Mehrere Staaten hätten den Krieg zwar verurteilt, aber keinerlei Sanktionen verhängt. Afrikanische Länder, Südostasien oder der arabische Raum hätten wenig Verständnis für die europäischen Belangen. FPÖ-Abgeordnete Fürst thematisierte ebenfalls die EU-Beitrittsverhandlungen der Ukraine. Der Botschafter hob die Bedeutung der Beitrittsverhandlungen – auch trotz wohl längerer Dauer – hervor. Mangott meinte nämlich, es sollten keine Illusionen ob eines beschleunigten Verfahrens für die Ukraine geweckt werden.
Michel Reimon (Grüne) wurde vom Experten informiert, dass es innerhalb Russlands keine „westfreundliche“ mobilisierungsstarke politische Figur mit Aussicht auf eine politische Chance gebe. Sie seien in Haft. Ebenso wenig sei eine Revolte von unten zu erwarten. (Schluss) fan
————————-
Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
http://www.parlament.gv.at
www.facebook.com/OeParl
www.twitter.com/oeparl
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender