
45. Wiener Gemeinderat (4)
Generaldebatte
GR Stefan Berger (FPÖ) merkte zu Beginn an, dass es sich bei der aktuellen Diskussion nicht um eine „Märchenstunde“ handle, sondern die Generaldebatte zum Budget. Er beklagte, dass die Arbeitsmarktzahlen, die präsentiert wurden, lediglich aus Sicht der Regierungskoalition dargestellt worden seien. Österreichweit gebe es 6,3 Prozent Arbeitslosigkeit, 10,3 Prozent in Wien. Diese Zahl bedeute 106.000 Personen ohne Arbeit – in etwa die Größe Ottakrings. Es gebe Bezirke, in denen die Arbeitslosenquote bei 15 Prozent stehe. Dies müsse einer „ehemaligen Arbeiterpartei“ wie der SPÖ wehtun, so Berger. Ehemalige Arbeiterbezirke seien heute Arbeitslosenbezirke und es sei kein Zufall, dass diese Bezirke besonders hohe Zuwanderungszahlen hätten. Die Arbeitslosenzahl halte keineswegs mit der demographischen Entwicklung mit, wie dies zuvor behauptet wurde, so Berger. Zwei Millionen Einwohner*innen zu erreichen, sei „das größte politische Ziel“ der Vergangenheit gewesen. Dies sei jedoch angesichts der fehlenden Investitionen, etwa im Gesundheitsbereich, „keine positive Entwicklung“. Er zeigte sich „überrascht“ darüber, dass angesichts der Ankündigung des Bürgermeisters Ludwig, frühgeborene Kinder aus Gaza aufnehmen zu wollen, „so viel Platz an der Neonatologie“ vorhanden sei. Man müsse „nur einmal googlen“, um sich ein Bild über die tatsächliche Situation an Wiens Spitälern zu machen. Zusätzlich gebe es im Bereich der Verkehrsinfrastruktur große Mängel, die alle den bisherigen Versprechungen vom U-Bahn-Ausbau entgegenstünden. „Der Öffi-Ausbau endet am Matzleinsdorferplatz“, so Berger. Auch im Bereich der Bildung gab Berger zu bedenken, dass es noch nie so viele Demonstrationen seitens des pädagogischen Personals gegeben habe wie heute. Die Stadtregierung sei nicht bereit, „hier entsprechende Mittel locker zu machen“. Die Zahl der „Baustellen“ in Wien werde nicht weniger, sondern „leider Gottes größer“, so Berger abschließend.
GR Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS) bezeichnete die Investitionen in die Bildung als „wichtigste Investition in die Zukunft“. Man könne auf dieses „Zukunftsbudget“ stolz sein. Auch der Vergleich zum Bund unterstreiche dies. Als weiteren wichtigen Aspekt für die Zukunft nannte er die Klimapolitik. Diese sei auch Standort- und Wirtschaftspolitik. Das Budget sei sehr breit aufgestellt, das zeige sich über alle Geschäftsgruppen. Hier hob Gara gesondert den Ausstieg aus Gas und die Investitionen in neue Technologien zur Strom- und Wärmegewinnung hervor. Es sei auch täglich zu merken, dass Investitionen etwa in den Radverkehr gestiegen seien. Der Klimawandel finde in allen Geschäftsgruppen seinen Niederschlag. In vielen Bereichen seien Investitionen in die Klimaneutralität zu merken. Hierbei sei Wien europaweit führend. Auch bezüglich des Treibhausbudgets habe Wien eine internationale Vorreiterrolle eingenommen. Dieser Weg sei wesentlich für die Klimapolitik und den Standort Wien, schloss Gara.
GR David Ellensohn (GRÜNE) zählte zu Beginn einige Überschriften aus dem vorliegenden Doppelbudget auf. „In einem anderen Parlament“, so Ellensohn, sähe die SPÖ bei einem solchen Budget „eine Katastrophe“. Er ortete im „ständigen Vergleich“ mit Berlin, Rom, Hamburg eine „Art Besessenheit“. So würde die Stadtregierung seltener den Vergleich mit etwa London suchen, wo der Bürgermeister weniger als eine Million Euro für Inserate zur Verfügung habe – „in Wien seien es 20 oder 30 Millionen“, so Ellensohn. Was also sei Fakt und was nicht in Wien, fragte Ellensohn. In ganz Österreich seien die Heizkosten gestiegen, nannte er als Beispiel. Für viele Menschen seien diese der wesentliche Faktor der Kostensteigerungen. In Wien habe man in dieser Zeit die Fernwärmepreise um 92 Prozent erhöht. Dies sei in Wien „vom Bürgermeister durchgewunken“ worden, während die Wien Energie „jeden Tag eine Million Euro Gewinn“ gemacht habe. In Oberösterreich habe hingegen ein grüner Landesrat solche Preissteigerungen verhindert. Diese Art Klima- und Sozialpolitik vermisse man beim vorliegenden Doppelbudget. Im Bereich Bildung erinnerte Ellensohn daran, dass bereits in den frühen 80er-Jahren eine Diskussion über die Abschaffung der Matura geführt worden sei. Insgesamt gehe „alles zu langsam“, so Ellensohn. Wien habe 1.631 Gemeindebauanlagen – diese würden so gut wie gar nicht für den Ausbau von etwa Wärmepumpenheizung oder Photovoltaik genutzt. Auch eine Leerstandsabgabe gebe es in Wien noch immer nicht – diese könnte leistbare Wohnungen bereitstellen, die dringend notwendig seien.
StRin Mag. Isabelle Jungnickel (ÖVP) fragte zu Beginn, woher die 16,3 Milliarden 2024 bzw. die 16,8 Milliarden im Jahr 2025 kämen. Das Geld komme nicht – Jungnickel zitierte den Finanzstadtrat Hanke – „von der Stadt“, sondern es komme von den Wienerinnen und Wienern, die durch Fleiß und harte Arbeit Steuern zahlen und Abgaben leisten würden. Diese würden durch Arbeit, Leistung und Fleiß den Wohlstand erarbeiten. Bloß die obersten 20% der Einkommen in Österreich seien Nettozahler*innen, erinnerte Jungnickel. Einkommensbezogene Steuern seien im Steuertopf der größte Faktor. Dies müsse man reflektieren, wenn man von „sozialer Kälte“ rede. Ein Großteil der Empfänger*innen wüsste die erhaltenen Leistungen „nicht wertzuschätzen“. Topverdiener würden oft als „Elite, Ausbeuter und Gierhanseln“ diffamiert – dabei brauche die Stadt genau diese Menschengruppe. Wenn Wien zur lebenswertesten Stadt gewählt werde, sei dies nicht der Verdienst der Regierung, sondern der Menschen, die dafür hart anpacken und Leistungsträger seien. Anpacker und Leistungsträger würden viel mehr Anerkennung verdienen, so Jungnickel. Anstatt die Höhe der Sozialleistungen zu diskutieren, sei zu diskutieren, wie Menschen am schnellsten wieder in finanzielle Unabhängigkeit zu bringen seien. Sie frage sich, wo der Anreiz für diejenigen sei, die Anpacken und Unabhängig sein wollen. Wien müsse in diesem Bereich wesentlich besser werden. Zum Thema Bildung erinnerte Jungnickel daran, dass viele Kinder dem Unterricht aufgrund von mangelnden Deutschkenntnissen nicht folgen könnten. Dass die Stadt weniger Einnahmen haben werde, bezeichnete Jungnickel als positiv, da dies bedeute, dass am Ende den Menschen in Österreich mehr Geld übrig bleibe – etwa durch die Abschaffung der kalten Progression. Sie fordere ein Budget mit Weitblick, Selbstverantwortung und die staatliche Bevormundung hintanstellt. Die ÖVP stehe klar für Unterstützung für jene, die Hilfe brauchten, jedoch nicht für eine „Wiener Hängematte“.
GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE) nannte ein Budget mit einem Defizit „nicht unbedingt erfreulich“, jedoch sei das in Ordnung, wenn das Geld sinnvoll eingesetzt werde. Dies werde man sich in den kommenden Debatten ansehen. Es sei in der Politik „mittlerweile modern“, Zeiträume zu vermischen und zu wechseln, sodass sich „am Ende niemand mehr auskennt“ und keine Vergleichbarkeit mehr gegeben sei. „Eine Zeitlang“ habe die Sozialdemokratie in der Vergangenheit die ihr zu Verfügung stehenden Gelder gut eingesetzt, jedoch sei ihr die Erfüllung des sozialpolitischen Versprechens nicht gelungen. Zwar werden viele Gelder eingesetzt, jedoch sei es an der Zeit, zu überlegen, diese Gelder „anders“ einzusetzen. Wenn man nicht wolle, dass in „allen möglichen Bereichen“ Extremisten an Macht gewinnen, dann müsse man Möglichkeiten für Menschen schaffen. Man müsse es schaffen, dass jene, die zu uns kommen, sich als Teil der Gesellschaft empfinden. Nur so könnten Rassismen und Extremismen verhindert werden. Weiters gehe es sich „nicht mehr aus“, sich im Bereich der Wohnpolitik „auszuruhen“. Könne man „alles richtig gemacht“ haben, wenn sich die Mieten in Wien in den letzten 20 Jahren verdoppelt und die Kaufpreise versiebenfacht hätten, fragte Margulies. Verkehrspolitischer Meilenstein in Wien sei die 365-Euro-Jahreskarte für Öffis gewesen, die auf die Grünen zurückgehe. Dies hätte in ganz Europa „Vieles in Bewegung gesetzt“. Margulies beklagte eine weiters eine „verkehrspolitische Retropolitik“. Die Bevölkerung wachse und werde älter. Es sei die Frage, wie man hier auf eine gesamtgesellschaftliche Lösung kommen könne. In dieser Sache vermisse er ein Konzept. Man könne eine Debatte über ein Budget nicht führen, ohne die dazugehörigen Inhalte. Es sei schade, dass die Ideen aus der rot-grünen Regierungskoalition im neuen Budget nicht weiterverfolgt würden.
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