EU-Lieferkettengesetz: Weder SPÖ-Antrag auf Zustimmung, noch FPÖ-Antrag auf Ablehnung finden Mehrheit im EU-Unterausschuss

Kraus-Winkler: Rückkehr an Verhandlungstisch für starke Lieferkettenrichtlinie

Zum sogenannten EU-Lieferkettengesetz hatte Wirtschaftsminister Martin Kocher zuletzt angekündigt, sich von österreichischer Seite enthalten zu wollen. Im EU-Unterausschuss des Nationalrats brachten heute sowohl SPÖ als auch FPÖ dazu einen Antrag auf Stellungnahme ein – mit konträren Standpunkten. Aus Sicht der SPÖ gelte es, ein Scheitern des Lieferkettengesetzes auf europäischer Ebene zu verhindern. Dies müsse von der Bundesregierung bei allen Abstimmungen dementsprechend mit Zustimmung zum europäischen Lieferkettengesetz zum Ausdruck gebracht werden. Die FPÖ wiederum forderte insbesondere von Justizministerin Alma Zadić, die sich durchwegs für das Lieferkettengesetz auf europäischer Ebene ausgesprochen hatte, den geplanten Richtlinienvorschlag abzulehnen. Die SPÖ hatte zuvor das Verlangen gestellt, das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung im Unterausschuss zu setzen.

Keiner der beiden Anträge fand im Ausschuss eine Mehrheit. So stimmte für den SPÖ-Antrag nur die SPÖ selbst, für den FPÖ-Antrag nur die FPÖ. Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) betonte, das Ziel der Lieferkettenrichtlinie sei wichtig, die Instrumente würden aber etwa hinsichtlich Praktikabilität und Verhältnismäßigkeit über die Stränge schlagen. Daher stehe sie hinter Kocher, der zurück an den Verhandlungstisch wolle. Auch Stephanie Krisper (NEOS) sprach sich für die Ziele des Lieferkettengesetzes, nicht aber für dessen Bürokratie aus. Die NEOS würden sich für ein anderes Lieferkettengesetz als das vorliegende aussprechen, etwa mit einer Möglichkeit von “White lists”, und daher beide Anträge ablehnen. Petra Steger (FPÖ) ortet wiederum bei der ÖVP eine “schlagartige Meinungsänderung”. Die FPÖ habe von Anfang an gesagt, dass das Lieferkettengesetz standort- und wirtschaftsschädlich und ein “Bürokratiemonster” sei. Zudem würde es die Inflation anheizen und dazu führen, dass Firmen in Drittstaaten abwandern und damit die Zielsetzung verfehlen.

Jörg Leichtfried (SPÖ) sieht demgegenüber eine historische Chance für Menschenrechte und Klimapolitik verpasst, wenn es jetzt die ÖVP den “superreichen Großkonzernen” recht mache. Denn aus seiner Sicht würden gerade KMU, Konsument:innen und Landwirt:innen von der Richtlinie profitieren, wenn sich die “Riesen” endlich an diese Regeln halten müssten. Auch Ewa Dziedzic (Grüne) meinte, dass KMU aus der Richtlinie weitgehend ausgenommen wären und profitieren würden. Es wäre aus ihrer Sicht an der Zeit, den Interessenausgleich zwischen großen Konzernen und den Ansprüchen an Menschenrechten zu schaffen. Die Grünen seien daher alles andere als erfreut, dass sich die Ressorts nicht einigen konnten, so Dziedzic. Sie hoffe, dass man wieder an den Verhandlungstisch zurückkehre.

Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler in Vertretung von Wirtschaftsminister Kocher betonte im Ausschuss, für eine starke, aber umsetzbare Lieferkettenrichtlinie einzutreten. Der aktuelle Entwurf sei nicht umsetzbar, zumal viele Pflichten und Haftungsrisiken auf kleine und mittlere Unternehmen überwälzt würden, da diese oft Zulieferer der “Großen” seien. Da Österreichs Wirtschaft zu 99 % aus KMU bestehe, sehe sie die Gefahr, dass diese weltweit aus den Lieferketten gedrängt würden. Es gehe daher um eine Rückkehr an den Verhandlungstisch, um Verbesserungen und eine praktikable Lösung zu erzielen.

EU-LIEFERKETTENGESETZ UND UNTERSCHIEDLICHE POSITIONEN DER RESSORTS

Mit der vorgeschlagenen Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, wie das Lieferkettengesetz offiziell heißt, sollen große Unternehmen verpflichtet werden, die Einhaltung von Menschenrechten und von Umweltschutz entlang der gesamten Lieferkette zu achten.

Die Richtlinie, die gemeinsam mit dem aktuellen Ratsdokument dazu heute debattiert wurde, soll grundsätzlich für Unternehmen ab 500 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 150 Mio. € gelten. Für bestimmte “High-Impact-Sektoren” wie die Textilindustrie oder die Land- und Forstwirtschaft sollen die Regeln bereits ab 250 Beschäftigten und einem Umsatz von 40 Mio. € gelten. Darüber hinaus sollen aber auch nicht in der EU ansässige Unternehmen, sofern sie mehr als 150 Mio. € Netto-Jahresumsatz in der EU erzielen bzw. Unternehmen mit einem EU-Netto-Jahresumsatz von mehr als 40 Mio. €, sofern sie mindestens 20 Mio. € in einem der “High-Impact-Sektoren” erwirtschaften, erfasst sein.

Die vorgeschlagene Richtlinie enthält dem Wirtschaftsministerium zufolge Verpflichtungen für Unternehmen betreffend tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt hinsichtlich ihrer eigenen Geschäftstätigkeit, der Geschäftstätigkeit ihrer Tochtergesellschaften und der Tätigkeit der Partner innerhalb der globalen Wertschöpfungskette, mit denen das Unternehmen eine Geschäftsbeziehung unterhält. Sie lege in Ergänzung zu Sanktionen und Verwaltungsstrafen auch Regeln für eine zivilrechtliche Haftung bei Verstößen gegen diese Verpflichtungen fest. Vorgesehen werde auch die Pflicht für große Unternehmen, einen “Klimaplan” zu erstellen.

Während Justizministerin Alma Zadić den Vorschlag etwa im EU-Unterausschuss des Nationalrats im Oktober vergangenen Jahres “ausdrücklich begrüßte”, äußerte Wirtschaftsminister Martin Kocher zuletzt Bedenken. Vonseiten des Wirtschaftsministeriums heißt es dazu, eine EU-einheitliche Vorgehensweise bei der Schaffung von verbindlichen Regelungen werde befürwortet und die Zielrichtung des vorliegenden Richtlinienvorschlages unterstützt. Man sei auch überzeugt, dass die Integration von Standards unternehmerischer Verantwortung in das Kerngeschäft von Unternehmen und die risikobasierte Sorgfaltsprüfung in den Wertschöpfungsketten die Resilienz und den Erfolg der österreichischen Unternehmen fördert und damit deren Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Einige Punkte seien jedoch für Wirtschaftsminister Kocher hinsichtlich einer potentiellen Einigung von besonderer Bedeutung. Er spreche sich etwa für eine “Safe-harbour clause” sowie gegen unverhältnismäßig hohe Strafen und “ausufernde Haftungsregelungen” aus. Zudem gelte es, potenziell negative entwicklungspolitische Auswirkungen durch den Rückzug von Unternehmen aus bestimmten Drittstaaten zu verhindern. (Fortsetzung EU-Unterausschuss) mbu

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