104. Sitzung des Kunstrückgabebeirats – drei Empfehlungen beschlossen

Der Kunstrückgabebeirat sprach in seiner heutigen 104 Sitzung (12. März 2024) Empfehlungen zu Objekten aus dem MAK – Museum für angewandte Kunst, der Österreichischen Galerie Belvedere sowie dem Weltmuseum Wien aus.

Insgesamt 24 Objekte (17 Bücher, sechs Ornamentstiche und ein Porträt) wurden ab Mai 1938 im damaligen Staatlichen Kunstgewerbemuseum als Schenkungen von Zerline Nirenstein inventarisiert. Zwar hatte Zerline Nirenstein bereits zuvor Stücke dem Museum gewidmet, insbesondere im Zusammenhang mit dem Unfalltod ihres Bruders Martin 1922. Allerdings sah der Beirat die Übergaben nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich in Verbindung mit ihrer Übersiedlung in einer zunehmend prekärer werdenden Situation für Jüdinnen und Juden in Wien. Zusammen mit ihrem Bruder Hugo musste Zerline Nirenstein 1941 in eine „Sammelwohnung“ übersiedeln, von wo sie im Juli 1942 ins NS-Ghetto Theresienstadt deportiert wurden. Während Hugo Nirenstein in Treblinka ermordet wurde, fand Zerline Nirenstein am 5. Dezember 1942 in Theresienstadt den Tod. Der Beirat empfahl die 24 dem heutigen MAK überlassenen Objekte zur Rückgabe an ihre Rechtsnachfolger:innen.

Auch das „Bildnis der Frau Barbara Meyer“ von Johann Baptist Reiter aus der Österreichischen Galerie Belvedere empfahl der Beirat zur Rückgabe. Dessen früherer Eigentümer, Robert Kauder, hatte eine Hafnerei in Wien betrieben, die im Juni 1938 unter kommissarische Verwaltung gestellt und anschließend „arisiert“ wurde. Zusammen mit seiner Frau Malvine musste Robert Kauder im Sommer 1940 in ein sog. „Judenquartier“ übersiedeln; am 15. Oktober 1941 wurden sie in das Ghetto Litzmannstadt im Generalgouvernement (heute Łódź/Polen) deportiert, wo sie beide zu einem unbekannten Zeitpunkt ums Leben kamen. Die Österreichische Galerie ersteigerte das „Bildnis der Frau Barbara Meyer“ bereits im März 1939 beim Wiener Versteigerungshaus Adolf Weinmüller. Kurz zuvor hatte Robert Kauder angegeben, nach der „Arisierung“ seines Unternehmens „nichts zu seinem Lebensunterhalt zu erhalten“. Dementsprechend erachtete der Beirat diese Erwerbung als nichtiges Rechtsgeschäft und empfahl die Übereignung an die Rechtsnachfolger:innen nach Robert Kauder.

Aufgrund von Eingaben der „Mosse Art Research Initiative“ (MARI) sowie der Vertretung der Rechtsnachfolge von Rudolf bzw. Felicia Mosse wurde die Provenienz einer Reliefplatte mit der Darstellung eines Hornbläsers aus dem Königreich Benin (auf dem heutigen Staatsgebiet Nigerias), welche sich im Weltmuseum Wien befindet, einer Beforschung durch die Kommission für Provenienzforschung unterzogen. Als früherer Eigentümer steht Friedrich Wolff-Knize (ab 1941 Frederic Knize) fest, dessen NS-verfolgungsbedingt entzogene Kunstsammlung 1947 restituiert wurde; der „Hornbläser“ gelangte 1959 durch Verkauf von Frederic Knizes Sohn wieder ins damalige Völkerkundemuseum. Da für die gegenständliche Bronzeplatte aus Benin neben Wolff-Knize auch (Lachmann-)Mosse als (Vor-)Provenienz behauptet wird, untersuchte der Beirat des Weiteren eine eventuelle Übereignung an die Rechtsnachfolger:innnen nach Felicia und Hans Lachmann-Mosse. Die in Berlin ansässige Familie wurde im Nationalsozialismus als jüdisch verfolgt; bereits im Mai 1934 wurde die von Rudolf Mosse angelegte Kunstsammlung durch das Versteigerungshaus Rudolph Lepke direkt im Palais Mosse am Leipziger Platz in Berlin zwangsversteigert. Im dazugehörigen Katalog ist auch ein „Flötenspieler“ gelistet; aufgrund des Abgleichs der Maße, die gravierend voneinander abweichen, geht der Beirat davon aus, dass es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht um die gegenständliche Platte im Weltmuseum Wien handelt, und empfahl diese nicht zur Rückgabe.

Das historische Datum des 12. März gemahnt an den „Anschluss“ des Jahres 1938 und dessen katastrophale Folgen insbesondere für die jüdische Bevölkerung. Auf dem Gebiet der Kunstrückgabe leistet die Republik Österreich seit nunmehr einem Vierteljahrhundert vorbildliche Arbeit: tausende Objekte wurden seit Inkrafttreten des Kunstrückgabegesetzes im Dezember 1998 aus den Sammlungen des Bundes restituiert. Die 104. Sitzung des Kunstrückgabebeirats zeigt, dass die fortgesetzte Arbeit der Kommission für Provenienzforschung weiterhin zahlreiche NS-verfolgungsbedingt entzogene Werke und damit verbundene Verfolgungsbiografien zutage fördert. Die Arbeit dauert an; ebenso wie das Bekenntnis Österreichs, sich dieser Aufgabe zu stellen.

Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport
Mag. Ina Gayed, MA
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