MAK zeigt “ICONIC AUBÖCK. Eine Werkstätte formt den österreichischen Designbegriff”

Umfassende Werkschau beleuchtet die Materialität der vielschichtigen Auböck-Erzeugnisse aus Messing, Holz, Horn, Leder und Naturfasern

Die ikonischen, handgefertigten Designklassiker der Werkstätte Carl Auböck prägen das österreichische Design seit vier Generationen. Das MAK widmet der legendären Manufaktur, die bis heute in der Bernardgasse im siebten Wiener Bezirk tätig ist, eine umfassende Werkschau und beleuchtet die Materialität der höchst vielschichtigen Auböck-Erzeugnisse aus Messing, Holz, Horn, Leder und Naturfasern. Rund 400 Exponate, darunter zahlreiche Einzelstücke und Prototypen, geben in der Ausstellung „ICONIC AUBÖCK. Eine Werkstätte formt den österreichischen Designbegriff_“_ Einblick in die charakteristischen Designs, die oft ihrer Zeit voraus waren und weltweite Bekanntheit erlangten.

Der Schwerpunkt der MAK Ausstellung liegt auf der stilprägenden Ära der Zwischen- und Nachkriegszeit und auf Exponaten der experimentellen 1980er Jahre. Zu sehen sind Alltagsobjekte, die das Interieur zu einem Experimentierfeld für schöne Dinge und humorvolle Gesten aus dem reichen Repertoire der Werkstätte Carl Auböck werden lassen, darunter auch Korkenzieher, Schachspiele und Uhren. Die signifikanten Designs, vom Briefbeschwerer bis zum Baumtisch oder Lampenentwurf, stammen insbesondere von Carl Auböck II (1900–1957), der – inspiriert vom Bauhaus, wo er ab 1919 studierte – lokale und internationale Bewegungen vereinte.

Sein Mentor war der Maler und Kunsttheoretiker Johannes Itten (1888–1967). Eine aufschlussreiche Studie (1919), die in Ittens Unterricht entstanden ist, lässt bereits die Auseinandersetzung mit der Linie und der Bewegung als Form erkennen. Diese spezielle Designsprache zeigt sich in Kerzenständern, Buchstützen, Schuhlöffeln, Vasen, Schüsseln, Körben, Aschenbechern oder auch in der Arbeit “Napoleon”_ _(1952/53), einer fließenden, abstrakten Formation, die in der Ausstellung auch als handgeformtes Wachsmodell gezeigt wird.

Carl Auböck II nahm auch das Konzept des Objet trouvé, des gefundenen Objekts, in sein avantgardistisches Repertoire auf. Mit minimalistischen, abstrakten, organischen oder technoiden Kombinationen von Materialien, Formen und Oberflächen gelang es ihm, en miniature eine unverwechselbare skulpturale Sprache zu entwickeln.

Das MAK wählt eine ungewöhnliche Perspektive auf Auböck und nähert sich den Exponaten durch die Linse des Surrealismus. In vielen angewandten und skulpturalen Auböck-Objekten, für die überraschende Motive und Sujets gewählt wurden, sind die Strategien dieser künstlerischen und literarischen Bewegung erkennbar, die eine neuartige Sicht der Dinge propagierte. Carl Auböck II hinterfragte in surrealistischer Manier die Form und Funktion. Gleichzeitig trafen in Wien der Surrealismus und das Denken Sigmund Freuds (1856–1939) aufeinander.

Auböcks Zugang interessierte auch Walter Gropius (1883–1969, von 1919 bis 1928 Leiter des Bauhauses): In den USA, wo Gropius nach seiner Emigration ab Ende der 1930er Jahre lebte, versammelte er auf seinem Schreibtisch ein Set von ungewöhnlichen Auböck-Briefbeschwerern: die Hand (1947), den Fuß (1947), das Ei (1947) – eine Hommage an Constantin Brâncușis (1876–1957) skulpturales Objekt „Der Weltanfang_“_ (1924) – und einen in Leder gefassten Stein (1950).

Diese auf den ersten Blick oft unvereinbaren Kombinationen und abstrakten Kompositionen und Bildwitze verstecken oft augenzwinkernd die eigentliche Funktionalität vor den Betrachter*innen und Benutzer*innen. Die surrealistische Manier findet sich nicht nur in Gebrauchsgegenständen. Carl Auböck II arbeitete auch mit skulpturalen und zeichenhaften Formen und Materialien unterschiedlicher Haptik, verwendete Naturmaterialien und zeigte auch Fragestellungen des Körperlichen und des Fetischs auf.

In ihrem collagenhaften Text „Lampen am Stiel_“_ von 2005 analysiert die Schriftstellerin Elfriede Jelinek die Designs von Auböck als lebendige Sprache: „Die unregelmäßig wulstigen Wuchs-Einteilungen des Bambusstabs oder auch die Jahresringe von Carl Auböcks bekanntem Baumsegment-Tischchen sind ja auch eine Art Maß, aber keins, nach dem sich jemand richten müsste oder könnte. Sie sind nur Maß für sich selbst, für das eigene Wachsen.“ In der Ausstellung ist eine Auswahl bedeutender Steh- und Tischlampen aus den 1950er Jahren zu sehen.

Erstmals im MAK wird das Werk der Bildhauerin und Textilkünstlerin Mara Uckunowa (1895–1987) vorgestellt, die Carl Auböck II am Bauhaus in Weimar kennenlernte und heiratete. Zu sehen ist eine Auswahl ihrer abstrakten Textilentwürfe (1940er Jahre), die sich durch die Textur und Farbgebung auszeichnen, sowie die Stoffbespannung für einen Zeitungs- und Magazinständer (1950er Jahre) von Carl Auböck II. Uckunowas künstlerische Entwicklung war geprägt durch Johannes Itten, Georg Muche (1895–1987) und Josef Albers (1888–1976).

Mara Uckunowa-Auböcks und Carl Auböcks gemeinsamer Sohn, der Architekt und Designer Carl Auböck III (1924–1993), ging den Schritt in die Produktion von kleinen Serien. Er machte die Werkstätte Auböck – inspiriert durch sein Studium in den USA am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und das Industrial Design sowie durch internationale Kooperationen – weltweit bekannt. Durch Entwürfe von Carl Auböck IV (* 1954) entstanden schließlich Produkte für Hermès und Tiffany, die das MAK ebenfalls in der Ausstellung präsentiert.

Die Biografie Carl Auböcks II muss auch im Kontext der österreichischen Zeitgeschichte gesehen werden. Ab 1933 war er Mitglied der in Österreich illegalen NSDAP und wurde nach dem Anschluss 1938 als reguläres Mitglied der NSDAP aufgenommen. Er war Kassenwart beim „Wiener Kunsthandwerksverein“ und seine Arbeiten wurden, wie Etiketten auf einzelnen Objekten belegen, vom Werkbund präsentiert. 1943 nahm Carl Auböck, Kunsthandwerkliche Metallwerkstatt, mit Josef Hoffmann, J. & L. Lobmeyr, Karl Hagenauer u. a. an der Ausstellung „Deutsche Werkkunst“ im Staatlichen Kunstgewerbemuseum in Wien, wie das MAK nach dem Anschluss 1938 genannt wurde, teil.

Sämtliche in perfekter Handwerkskunst gefertigten Erzeugnisse von Auböck entstehen bis heute in der mittlerweile in vierter Generation geführten Werkstatt im siebten Wiener Bezirk. Auböck-Objekte sind weltweit begehrte Sammlerstücke und finden sich in internationalen musealen Sammlungen, unter anderem im Museum of Modern Art, New York, und dem Victoria & Albert Museum, London. Der Nachlass von Carl Auböck III ist Teil der Sammlung des Az W – Architekturzentrum Wien.
Zur Ausstellung erscheint die Publikation „ICONIC AUBÖCK. Eine Werkstätte formt den österreichischen Designbegriff_“_, herausgegeben von Lilli Hollein und Bärbel Vischer, mit Beiträgen von Kimberly Bradley, Lilli Hollein, Nina Schedlmayer und Bärbel Vischer. Deutsch/Englisch, ca. 200 Seiten mit zahlreichen Farbabbildungen. MAK, Wien/Birkhäuser Verlag, Basel 2024. Erhältlich im MAK Design Shop und unter MAKdesignshop.at um € 39.

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