68. Wiener Gemeinderat (12)

ENTWURF EINES BESCHLUSSES, MIT DEM DER BESCHLUSS DES WIENER GEMEINDERATES ÜBER DIE GESCHÄFTSORDNUNG DER BEZIRKSVERTRETUNGEN GEÄNDERT WIRD, ÄNDERUNGEN DER GESCHÄFTSORDNUNG FÜR DIE AUSSCHÜSSE, UNTERAUSSCHÜSSE UND KOMMISSIONEN SOWIE DER GESCHÄFTSORDNUNG DES GEMEINDERATES DER STADT WIEN

GR Mag. Thomas Reindl (SPÖ) erklärte, dass ihn das Thema Fraktionsvereinbarungen in den vergangenen 18 Monaten besonders beschäftigt habe. Ziel sei es gewesen, diese künftig in der Geschäftsordnung zu regeln. Die Vorarbeiten hätten rund eineinhalb Jahre gedauert, mit Gesprächen mit allen Fraktionen, sowohl gemeinsam als auch einzeln, sagte der SPÖ-Mandatar. Man habe im Prozess festgestellt, dass neben der Fraktionsvereinbarung auch weitere Themen in das Regelwerk aufgenommen werden sollten. Reindl zeigte sich zunächst zuversichtlich, bis vor einem Jahr ein Brief der FPÖ einging, in dem sie ihren Rückzug aus den Gesprächen bekanntgab. Bis heute habe er keine konkreten Forderungen dieser Partei erhalten, sagte Reindl. Er selbst habe niemanden ausgeschlossen, die FPÖ habe sich jedoch jeder Diskussion entzogen, kritisierte er. Im Dezember 2024 habe es eine Einigung auf Grundzüge mit vier Parteien gegeben, woraufhin die Magistratsdirektion beauftragt wurde, die Vereinbarungen schriftlich auszuarbeiten. Aufgrund der vorgezogenen Wahl habe man Ende März die finalen Gespräche geführt. Dabei sei es zu Absagen ­de­r Grünen und der ÖVP gekommen. Einige Gründe seien erklärt worden, andere blieben unklar, führte der Abgeordnete aus. Reindl dankte hingegen den NEOS für ihre weitere Mitarbeit. Auch wenn Fraktionsvereinbarungen weiterhin möglich bleiben, brauche es verbindliche Regeln – etwa zum Rotationsprinzip, Anträgen oder Fragestunden. Ein zentraler Punkt sei die Neuregelung zur Befangenheit, da bestehende Regeln nicht mehr zeitgemäß gewesen seien. Künftig werde es in Ausschüssen und Sitzungen strengere Vorschriften geben. Zum Thema Redezeit meinte Reindl, es gehe nicht um Einschränkung der Rechte, sondern um „mehr Fokus auf Inhalte“. Kein Parlament in Österreich erlaube unbeschränkte Redezeiten, und Landtage seien früher teils frühzeitig beendet worden. Man solle hier „die Kirche im Dorf lassen“. Auch zur Untersuchungskommission werde es neue Regeln geben, sagte Reindl abschließend.

GR Mag. Karim Rihan (NEOS) betonte in seiner Rede, dass politische Realität nicht aus theoretischen Konzepten, sondern aus praktischer Erfahrung entstehe. Die Arbeit auf Bezirksebene sei „lebendig und herausfordernd“ – näher an den Menschen, aber auch unmittelbar mit strukturellen Bedingungen konfrontiert, so der NEOS-Abgeordnete. Gerade deshalb sei die vorliegende Reform für ihn eine Maßnahme, die „aufräume und stärke“. Rihan hob hervor, dass alle Bezirksvertretungen der Reform zugestimmt hätten und verwies in Richtung der Grünen, von denen Kritik gekommen sei, jedoch keine Zustimmung. Die Reform folge drei klaren Prinzipien: mehr Transparenz, mehr Kontrolle und verstärkte Digitalisierung. Ein zentrales Element sei, laut Rihan, die öffentliche Zugänglichkeit von Bezirksvertretungssitzungen über die Mediathek, was den Bürger*innen mehr Nachvollziehbarkeit ermögliche. Künftig sollen diese Sitzungen auch durch Gebärdendolmetscher *innen begleitet werden, kündigte er an. Auch das Anfragerecht solle modernisiert werden. Bezirksrät*innen hätten bislang oft lange auf Antworten warten müssen – mit der Reform solle eine mündliche Beantwortung bereits in jener Sitzung möglich sein, in der die Anfrage gestellt werde. Rihan betonte, „Digitalisierung ist kein Selbstzweck“. Vielmehr werde die technische Infrastruktur vereinheitlicht, sodass alle Bezirke künftig auf denselben digitalen Standard zurückgreifen können. Als ehemaliger Bezirkspolitiker wisse er aus eigener Erfahrung, wie sehr bislang eine Grundlage für digitale Akteneinsicht gefehlt habe. Mit der Reform werde auch eine digitale Signatur eingeführt – ein Schritt hin zu Teilhabe ohne „Papierhürde“. Für die Bürger*innen bedeute das mehr Transparenz, für die Bezirksrätinnen mehr Kontrolle. Der Eingriff erfolge genau dort, wo Politik am nächsten bei den Menschen sei, nämlich „im direkten Kontakt mit der Bevölkerung“, schloss Rihan.

GRin Dr. Jennifer Kickert (GRÜNE) bezeichnete die Debatte als spannend und betonte, dass die Wahrnehmungen über den Verhandlungsgegenstand stark auseinanderlägen. Sie hob zwei zentrale Punkte hervor, die aus Sicht der Grünen zur Ablehnung der Reform führten. Zum einen sei es für ihre Fraktion entscheidend gewesen, dass bestimmte Inhalte Berücksichtigung finden. Wenn jedoch kein einziges ihrer Anliegen aufgegriffen werde, könne sie einer Reform nicht zustimmen. Sie kritisierte, dass zentrale Punkte der Grünen im Verlauf der Gespräche nicht mehr diskutiert worden seien – dies sei der Hauptgrund für die Ablehnung. Zum anderen betonte sie das Prinzip der gemeinsamen Beschlussfassung. In der Vergangenheit seien Änderungen an der Geschäftsordnung stets einstimmig beschlossen worden. Nun sei dieser Konsens gebrochen worden, da bestimmte Änderungen ohne Zustimmung der Opposition eingebracht worden seien. Kickert stellte klar, dass es sich bei der Reform zwar nicht um einen „großen Wurf“ handle, sie aber sowohl „Verbesserungen als auch Verschlechterungen“ mit sich bringe. Ihrer Meinung nach sei keine der Verbesserungen so bedeutend, dass sie ein Abgehen vom bisherigen demokratiepolitischen Prinzip rechtfertige. Die Grünen, so Kickert, seien sehr wohl kompromissfähig, doch sie vermissten eine ausreichende Auseinandersetzung mit den vorgeschlagenen Änderungen insbesondere im Bereich der Bezirksvertretungen. Deshalb bedaure sie es, dass ihre Argumente offenbar nicht nachvollzogen worden seien, so Kickert abschließend.

GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc (ÖVP) erklärte, dass es sich bei der diskutierten Geschäftsordnungsreform um ein zentrales Thema handle. Sie betonte, dass innerhalb der Opposition in vielen Argumentationspunkten weitgehende Einigkeit bestehe. Die Reform solle das Ergebnis eines langen Prozesses gewesen, der darauf abgezielt habe, die Spielregeln und die Zusammenarbeit im Haus neu zu definieren. Auch in der Vergangenheit habe es immer wieder kleine wie große Änderungen gegeben, bei denen oft auch die Opposition zugestimmt habe. Selbst bei Themen wie Fraktionsvereinbarungen oder den teils umstrittenen Covid-Einschränkungen, sagte Olischar. Die ÖVP-Abgeordnete stellte jedoch gleich klar, dass es in diesem Fall um weit mehr gehe als nur um formale Spielregeln. Es gehe um das grundlegende Verhältnis zwischen Regierung und Opposition. Aus ihrer Sicht werde die Opposition zunehmend von der Regierung als „lästig“ empfunden. Dabei, so Olischar, sei es im Wesen einer Demokratie, dass die Opposition eine Gegenrolle einnehme. Gerade ihre Kontrollfunktion und die Forderung nach Transparenz gegenüber der Mehrheit seien essenziell für ein funktionierendes parlamentarisches System, merkte sie an. Kritisch äußerte sich Olischar zum Thema Interpellationsrecht. Laut offiziellem Regierungsmonitor gelte dieses als „umgesetzt“, tatsächlich sei aber keine Ausweitung erfolgt. Das empfinde sie als „nicht besonders redlich“. Zwar würdigte Olischar das persönliche Engagement von GR Mag. Thomas Reindl (SPÖ) in den Verhandlungen, letztlich zähle jedoch das Ergebnis. Und dieses sei aus Sicht der ÖVP nicht zufriedenstellend. Insbesondere das Thema Redezeit betreffe die Oppositionsparteien deutlich stärker, so Olischar. Die geplanten Einschränkungen würden in erster Linie deren Rechte beschneiden. Sie sprach sich dagegen aus, Effizienzmaßnahmen mit angeblichen Verbesserungen der Kontrollrechte zu vermengen. Eine tatsächliche Stärkung der Oppositionsrechte sei nicht erfolgt, sondern es komme im Gegenteil zu weiteren Einschränkungen. Dies geschehe laut Olischar ohne begleitende Gegenmaßnahmen. Dies lehne ihre Fraktion entschieden ab. Abschließend betonte Olischar, dass es keineswegs an Gegenvorschlägen seitens der Opposition gemangelt habe. Verhandlungen bedeuteten Einigung und Kompromiss. Beides sei in diesem Prozess aus ihrer Sicht nicht gelungen, weshalb ihre Partei der Reform nicht zustimmen könne, schloss die Mandatarin.

GR Mag. Josef Taucher (SPÖ) skizzierte in seiner Rede die zentralen Änderungen der Geschäftsordnung und wies den Vorwurf zurück, diese seien „am letzten Drücker“ beschlossen worden. Vielmehr habe es sich um einen längeren, strukturierten Prozess gehandelt. In Richtung der Grünen stellte Taucher klar, dass man auf Landesebene handeln musste, da vonseiten des Bundes keine entsprechenden Impulse gekommen seien. Bezüglich des Interpellationsrechts betonte er, dass der Rechnungshof nach wie vor das stärkste Prüfmittel für die Opposition darstelle. Dieser könne jederzeit angerufen werden. Zur Einführung einer Bürgerfragestunde merkte Taucher an, dass hierzu bisher keine Einigung erzielt worden sei. Der SPÖ-Abgeordnete verwies auch auf weitere Reformmaßnahmen wie die Öffnung des Petitionsausschusses, in dem nun Rederecht bestehe und dessen Sitzungen auch per Live-Übertragung öffentlich zugänglich gemacht worden seien. Auch bei der Untersuchungskommission seien die Rechte deutlich gestärkt worden. Zur Kritik an der Reform der Geschäftsordnung auf Ebene der Bezirksvertretungen räumte Taucher ein, dass womöglich nicht ausreichend Diskurs darüber stattgefunden habe. Allerdings habe es zahlreiche Stellungnahmen aus den Bezirken gegeben, die alle in den Prozess eingeflossen seien, so Taucher. (Forts.) kri

Abstimmung: Die Änderungen der Geschäftsordnungen wurden mehrstimmig beschlossen. Zwei Anträge der Grünen – darunter die Änderung zum Interpellationsrecht – fanden nicht die notwendige Mehrheit. (Forts.) kri

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