
2. Wiener Landtag (5)
Entwurf eines Gesetzes, mit dem das Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) geändert wird
LAbg. Mag. Stefanie Vasold (SPÖ) bezog sich in ihrer Rede auf den vorliegenden Gesetzesentwurf, der auf eine bundesgesetzliche Maßnahme reagiere, die Wien künftig Mehrkosten in Höhe von 20 Millionen Euro jährlich gebracht hätte – im darauffolgenden Jahr sogar 30 Millionen Euro. Die Vorgeschichte des Gesetzes beginne laut Vasold nicht erst mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes. Bereits im Parlament habe man als SPÖ dem ursprünglichen Antrag nicht zugestimmt. Als Gründe nannte sie unter anderem den Charakter des Initiativantrags sowie das Fehlen eines Begutachtungsverfahrens. Zudem handle es sich um eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme, bei der die Länder nicht eingebunden worden seien, obwohl sie die Kosten zu tragen hätten. Wien habe sich laut Vasold von Beginn an kritisch geäußert und gemeinsam mit anderen Bundesländern eine Verwaltungsvereinfachung eingefordert. Auch sei der Gang zum Verfassungsgerichtshof in Aussicht gestellt worden. Das erkläre laut Vasold auch, weshalb man nun zügig ein entsprechendes Ausführungsgesetz in Wien beschließe – nicht zuletzt auch mit Blick auf die bevorstehende Sommerpause. Die jährlich zu erwartenden Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe seien jedenfalls nicht zu vernachlässigen, so die Abgeordnete. Vasold forderte, künftige Vorhaben grundsätzlich mit einer Wirkungsanalyse zu hinterlegen und die Länder frühzeitig einzubinden. In Bezug auf die Faktenlage zur Mindestsicherung erklärte sie, dass im März 2025 rund 140.000 Menschen in Wien Leistungen bezogen hätten. Dass in Städten die Armutsgefährdung tendenziell höher sei, sei bekannt und erkläre auch die stärkere Inanspruchnahme in Wien. Die Zahl der Bezieher*innen müsse jedoch ins Verhältnis zum Bevölkerungswachstum gesetzt werden. Der Anteil bleibe stabil bei etwa sieben Prozent. In Wien lebten zudem viele Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft, die weder Asylwerber*i_nnen noch subsidiär Schutzberechtigte seien, behauptete die SPÖ-Mandatarin. Die Hürden zur Staatsbürgerschaft seien aus ihrer Sicht zu hoch. Unter den Mindestsicherungsbeziehenden seien etwa 50.000 Kinder, zudem rund sieben Prozent Pensionist*_innen sowie sieben Prozent Alleinerziehende. 46 Prozent der Leistungsbezieher*innen stünden dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung – um diese Personen kümmere man sich besonders. Ziel sei es, möglichst viele Menschen aus der Mindestsicherung in den Arbeitsmarkt zu überführen. Die durchschnittliche Bezugsdauer liege derzeit bei acht Monaten, weshalb der Begriff der „sozialen Hängematte“ aus Vasolds Sicht unzutreffend sei.
LAbg. Dr. Michael Gorlitzer, MBA (ÖVP) erklärte in seiner Rede, dass er die Streichung des Schulungszuschlags unterstütze, da damit Rechtsklarheit geschaffen werde. Er habe diesen Zuschlag in der Vergangenheit ohnehin nicht nachvollziehen können. Gorlitzer verwies auf die hohe Zahl an Menschen, die nach Wien gekommen seien. Es sei grundsätzlich positiv, dass diese Menschen nicht in Not und Hunger leben müssten. Wien sei eine vielfältige Stadt, in der viele Zugewanderte längst ein Teil der Gesellschaft geworden seien, so der ÖVP-Mandatar. Mit Blick auf die Kosten der Mindestsicherung sprach Gorlitzer von einem zunehmend leerer werdenden Geldsack. Zahlreiche Medienberichte hätten zuletzt über Missbrauch im Sozialsystem berichtet. Gorlitzer nannte in diesem Zusammenhang die Zahl von 2.600 Anzeigen wegen mutmaßlichen Sozialleistungsmissbrauchs. Dennoch kritisierte er in diesem Zusammenhang die FPÖ scharf: Diese bringe, so der Abgeordnete, keine Lösungsvorschläge ein, sondern beschränke sich auf lautstarke Kritik. Ihm selbst gehe es hingegen um eine Reform, denn ein „Weiter wie bisher“ könne man sich nicht mehr leisten, so der ÖVP-Mandatar. Die Unterstützung müsse künftig sozial ausgewogener gestaltet werden, forderte Gorlitzer. Bestehende Ungerechtigkeiten gelte es zu beseitigen. Deshalb spreche sich die Volkspartei für eine vollständige Umsetzung der Reformmaßnahmen aus. Dazu zähle aus seiner Sicht etwa die Deckelung der Leistungen auf das Niveau der Grundversorgung sowie eine Staffelung der Kinderregelsätze, wie dies etwa in Niederösterreich oder Oberösterreich bereits üblich sei. Er betonte, dass man hilfsbedürftige Menschen nicht im Stich lassen dürfe. Gleichzeitig dürfe die Mindestsicherung jedoch nicht zu einem „Dauereinkommen“ werden. Ziel müsse es sein, die Menschen in die Gesellschaft zu integrieren, insbesondere durch das Erlernen der deutschen Sprache.
IMPLEMENTIERUNG DES INFORMATIONSFREIHEITSANPASSUNGSGESETZES IM WIENER LANDESRECHT
LAbg. Harald Zierfuß (ÖVP) erklärte in seiner Rede, dass die vorliegende Gesetzesänderung keineswegs so einfach sei, wie sie dargestellt werde. Es handle sich um ein gravierendes Gesetzesvorhaben, das jedoch lediglich als Initiativantrag – also ohne vorherige Begutachtung – eingebracht worden sei. Dies bezeichnete Zierfuß als „Farce“ und „Frechheit“. Er erinnerte daran, dass die Regierungsvorlage am 5. Oktober 2023 eingebracht und schließlich im Februar 2024 im Bundesgesetzblatt kundgemacht worden sei. Zwar sei es korrekt, dass das Gesetz im Herbst umzusetzen sei, jedoch kritisierte er scharf, dass dies nun in einer sogenannten „Mindestversion“ geschehe, bei der gleichzeitig die Oppositionsrechte, und hier besonders das Interpellationsrecht, beschnitten würden. Das sei aus seiner Sicht nicht akzeptabel. Besonders empört zeigte sich Zierfuß über die Vorgehensweise in der Umsetzung. Inhaltlich merkte er an, dass zwar mehr Rechte für Bürger*innen vorgesehen seien, gleichzeitig aber über Umwege die Auskunftspflicht gegenüber der Opposition ausgehebelt werde. Als konkretes Beispiel nannte er einen neuen Paragraphen zur Geheimhaltungspflicht. Unverständlich sei für ihn auch, warum die NEOS dem Vorhaben zustimmen würden. Gerade eine Partei, die sich stets für Transparenz einsetze, sollte seiner Meinung nach solche Maßnahmen nicht mittragen. Der ÖVP-Mandatar formulierte weitere Kritikpunkte: Bürger*innen würden_ künftig mit dem neuen Gesetz faktisch dem Status eines Gemeinderatsmitglieds gleichgestellt, was Zierfuß begrüßte. Während _Gemeinderatsmitglieder zwei Monate auf Antworten warten müssten, würden Bürger*innen die Auskünfte innerhalb von zwei Wochen erteilt. Damit werde das parlamentarische Fragerecht praktisch obsolet, so Zierfuß. Außerdem führte Zierfuß an, dass Bürger*innen _im Gegensatz zu Gemeinderät*_innen_ _ein Rechtsmittel ergreifen könnten, wenn Informationen verweigert würden. Die Rechte der Opposition würden auf diese Weise massiv eingeschränkt. Aus diesen Gründen kündigte der ÖVP-Abgeordnete an, dass seine Fraktion dem Gesetz keinesfalls zustimmen werde.
LAbg. Dipl.-Ing. Selma Arapovic (NEOS) betonte in ihrer Rede, dass Informationsfreiheit für die NEOS von zentraler Bedeutung sei. „Korruption entsteht dort, wo politisches Handeln im Verborgenen stattfindet“, sagte Arapovic. Fehlende Transparenz fördere laut ihr außerdem Machtmissbrauch, weshalb die Abschaffung des Amtsgeheimnisses ein essenzieller Schritt sei. Auf Bundesebene sei das entsprechende Gesetz aus Sicht der NEOS jedoch nicht weitreichend genug gewesen, weshalb man diesem dort die Zustimmung verweigert habe. Umso wichtiger sei es nun, die Umsetzung auf Landesebene in Wien voranzutreiben. Das bedeute für die Bürger*innen einen deutlich erleichterten Zugang zu städtischen Informationen – ein „Meilenstein“ in der Verwaltungskultur, wie die NEOS-Abgeordnete ausführte. Dieser Paradigmenwechsel bedeute aber auch einen hohen Arbeitsaufwand. Insgesamt müssten 28 Landesgesetze angepasst werden, der Transformationsprozess laufe bereits parallel zur Gesetzesumsetzung. Arapovic sprach in diesem Zusammenhang von einem Bruch mit einem Amtsverständnis, das über hundert Jahre gegolten habe, und bedankte sich bei allen Mitarbeiter*innen, die an dieser Aufgabe mitwirken. Dennoch sei man noch nicht am Ziel angelangt. Bezüglich der Debatte um das Interpellationsrecht stellte sie klar, dass das Fragerecht der Gemeinderatsmitglieder nicht beschnitten werde. Anstelle des bisherigen Amtsverschwiegenheitsprinzips gelte künftig die verfassungsrechtlich definierte Geheimhaltungspflicht; das sei ein klarer rechtlicher Rahmen. Überrascht zeigte sich Arapovic darüber, dass die Grünen nun einen Abänderungsantrag eingebracht hätten, obwohl sie in die Vorbereitungen eingebunden gewesen seien. Sie appellierte daher an alle Fraktionen, die Novelle nun zu beschließen, den Dialog jedoch fortzusetzen. Der heutige Tag sei kein Schlusspunkt, sondern vielmehr ein Anfang, schloss die Mandatarin.
LAbg. David Ellensohn (GRÜNE) begrüßte in seiner Rede ausdrücklich die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit und bezeichnete es als historisch bedeutsam, dass dieses Prinzip nach 105 Jahren ab September fallen werde. Sein Dank galt unter anderem Justizministerin Alma Zadić. Kritik übte Ellensohn an den NEOS, da diese dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) auf Bundesebene nicht zugestimmt hätten. Er erinnerte daran, dass die Amtsverschwiegenheit bereits mit der ersten Verfassung vor 105 Jahren eingeführt wurde – ursprünglich als Instrument zur Stabilisierung des Staates. In der Praxis habe dies jedoch zu massiver Intransparenz geführt. Österreich sei eines der letzten Länder in Europa, das dieses Prinzip abschaffe, sagte Ellensohn. Als Grund für die jahrzehntelange Blockade vermutete Ellensohn das mangelnde Interesse der ehemaligen Großparteien SPÖ und ÖVP, da eine Zweidrittelmehrheit notwendig gewesen sei. Diese Parteien hätten aus machtpolitischem Kalkül ein Informationsmonopol der Verwaltung aufrechterhalten wollen, um Kontrolle zu vermeiden und interne Abläufe abzuschirmen, aus Angst vor einem „gläsernen Staat“. Die Wende sei durch anhaltenden zivilgesellschaftlichen Druck herbeigeführt worden sowie durch internationale Kritik. Österreich habe vom Europarat einen „Anschiss“ bekommen und sei auf internationalen Transparenz-Rankings stark abgerutscht, behauptete der grüne Abgeordnete. Mit dem Eintritt der Grünen in die Bundesregierung im Jahr 2020 habe sich in dieser Frage Bewegung ergeben. Die Grünen hätten das IFG stets gefordert. Im Juni 2024 habe schließlich der Nationalrat das Gesetz beschlossen. Ellensohn zeigte sich darüber sehr erfreut. Er verwies auf internationale Beispiele, bei denen ähnliche Gesetze für mehr Aufklärung gesorgt hätten – etwa durch die Aufdeckung falscher Fakten im Vietnamkrieg, einen Spesenskandal in Großbritannien oder Verzögerungen beim Bau des Berliner Flughafens. Solche Regelungen hätten überall einen Nutzen gebracht, sagte Ellensohn. Er führte aus, dass das IFG die Demokratie stärke, die Verwaltung verbessere und ermöglich, zu erfahren, wohin öffentliche Gelder fließen. Kritik kam trotzdem: Jede Person habe zwar künftig das Recht, Anfragen zu stellen – mit einer Antwortfrist von vier Wochen. Für Gemeinderät*innen gelte hingegen eine Frist von acht Wochen, was Ellensohn als problematisch bezeichnete. Es sei „irrwitzig“, dass es klüger sei, als Privatperson statt als Gemeinderat eine Anfrage zu stellen – dies sei eine unlogische Regelung. Ellensohn zeigte sich skeptisch, ob sich die Stadtregierung mit dieser Vorgehensweise rechtlich durchsetzen könne. (Forts.) kri
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