
Gaál: Neue Studie zu Femiziden und Femizidversuchen in Wien: Besitzdenken in Beziehungen als deutliches Warnsignal
Inanspruchnahme des Wiener Gewaltschutznetzes in Akutfällen entscheidend
In Wien wurden im Zeitraum zwischen 1. Jänner 2022 und 30. Juni 2023 vier Femizide und sechs Femizidversuche durch aktuelle oder ehemalige Partner verübt. Diese traurige Bilanz ist Gegenstand der neuen qualitativen Studie _„Femizide und Femizidversuche in Beziehungen. Gefährdungswahrnehmung und Hilfesuche in Wien“_, die im Auftrag des Frauenservice Wien vom Institut für Konfliktforschung durchgeführt wurde.
Die Studie _„Femizide und Femizidversuche in Beziehungen. Gefährdungswahrnehmung und Hilfesuche in Wien“_ ist Teil des 3- Punkte- Gewaltschutzpakets, um das Wiener Gewaltschutz- und Sicherheitsnetz für Frauen noch weiter zu verstärken. Neben der Stärkung der Forschung in diesem Bereich wurde im Rahmen des Pakets 2024 auch das Budget für die Präventions- und Männerarbeit verdoppelt und in die Präventions- und Sensibilisierungsarbeit an Schulen investiert, um stereotype Geschlechterrollenbilder aufzubrechen, die Gewalt fördern.
„Um Gewalt gegen Frauen effektiv entgegentreten und eine nachhaltige Änderung erzielen zu können, brauchen wir verlässliche Daten und Forschung. Die nun vorliegende Studie zu Femiziden – und auch versuchten Femiziden – wurde daher in Auftrag gegeben, um die Hintergründe der Taten zu verstehen, Gemeinsamkeiten und Handlungsoptionen herauszuarbeiten“, so Vizebürgermeisterin und Frauenstadträtin Kathrin Gaál.
Und weiter: „Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich auf, dass das Gewaltschutznetz und die Anlaufstellen für Opfer von Gewalt auf allen Ebenen und permanent bekannt gemacht werden müssen. Gewalt an Frauen kann unabhängig von Alter, finanziellem Hintergrund und Herkunft passieren. Ziel aller Maßnahmen der Stadt Wien ist es, Frauen, die von Gewalt betroffen sind, jederzeit die Hand zur Hilfe hinzustrecken. Das ist und bleibt unser täglicher Auftrag.
Wenn Männer denken, dass Frauen ihr Besitz sind, ist das ein Nährboden für Gewalt. Daher muss so früh wie möglich damit begonnen werden, sexistische Rollenbilder aufzubrechen und für eine gleichberechtigte Gesellschaft zu kämpfen. Gleichstellung ist und bleibt die beste Garantie gegen Abhängigkeiten und so der beste Schutz vor Gewalt.
Wir arbeiten hier Seite an Seite mit der Bundesministerin Holzleitner zusammen und sehen den NAP als wichtigen nächsten Schritt.“
Die Auswertung von Strafakten zeigt deutlich: Kein einziger Fall von Femizid oder Femizidversuch ereignete sich ohne vorhergehende Warnsignale.
„Unsere Analyse macht sichtbar, dass in allen Fällen Risikofaktoren bestanden – am häufigsten Besitzdenken sowie psychische Gewalt, Kontrolle, Morddrohungen oder Waffenbesitz. Diese Hinweise müssen frühzeitig erkannt und ernst genommen werden,“ betont Studienleiterin Birgitt Haller.
Hintergrund und zentrale Ergebnisse:
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In den 18 untersuchten Monaten wurden in Wien zehn Frauen Opfer massiver Gewalt, vier von ihnen wurden ermordet, sechs überlebten den Femizidversuch.
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Die meisten Opfer und Täter in der Studie waren zwischen 50 und 59 Jahre alt.
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Psychische Erkrankungen, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit sowie Pflegeverantwortung auf Seiten der Täter spielten in mehreren Fällen eine Rolle.
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Besitzdenken und psychische Gewalt waren bei der Hälfte aller Fälle ausschlaggebende Risikofaktoren.
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Sechs Frauen hatten bereits vor der Tat Gewalt erlebt, doch keine von ihnen stand in dokumentiertem Kontakt mit einer Gewaltschutzeinrichtung.
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Vier Frauen vertrauten sich Personen im privaten Umfeld an – Familienmitgliedern, Freund*innen oder Bekannten.
Die qualitative Analyse zeigt zwei wiederkehrende Muster:
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Kontrollbeziehungen, in denen der Täter durch Eifersucht, Stalking oder Besitzdenken Kontrolle über die Partnerin ausübt;
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Femizide mit anschließendem Suizid, häufig im Zusammenhang mit Pflegeverantwortung.
„Die Fälle der Kontrollbeziehungen zeigen, dass Gewalt in Beziehungen nicht plötzlich entsteht, sondern sich über längere Zeit entwickelt. Prävention muss daher viel früher ansetzen – im Umfeld, in Institutionen und im gesellschaftlichen Verständnis von Geschlechterrollen,“ so Haller.
Für die Femizide mit anschließendem Suizid brauche es Präventionsmaßnahmen im Zusammenhang mit Pflegeleistungen und eine Vorbeugung gegen Isolation im höheren Alter.
Die Studie zeigt auf, auf welchen Ebenen weitergearbeitet werden muss:
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Gesellschaftliche Prävention: Frühzeitige Sensibilisierung für das Aufbrechen von starren Geschlechterrollen und Gewaltprävention bereits im Kindergarten und in Schulen.
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Polizei und Justiz: Bessere Erkennung und systematische Analyse von Hochrisikofällen, engere Zusammenarbeit zwischen Institutionen.
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Gesundheitssystem: die Wichtigkeit niederschwelliger psychosozialer und pflegerischer Angebote; Weiterführung der Sensibilisierung von medizinischem Personal im Erkennen häuslicher Gewalt.
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Öffentlichkeit: Breite Sensibilisierungskampagnen, die über generelle Beratungseinrichtungen und Hilfsangebote aufklären und Zurverfügungstellen von Informationen, die Gewaltopfern Mut machen, Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
„Femizide sind kein privates, sondern ein gesellschaftliches Problem. Nur wenn patriarchale Strukturen, ungleiche Machtverhältnisse und Gewaltmuster gemeinsam thematisiert werden, lassen sich möglichst viele dieser Gewalttaten verhindern,“ betont Laura Wimmer, Leiterin Frauenservice Wien.
DIE WICHTIGSTEN NUMMERN GEGEN GEWALT AUF EINEN BLICK:
Polizei-NOTRUF: 133
24-STUNDEN-FRAUENNOTRUF der Stadt Wien: 01/71719
FRAUENHAUS-NOTRUF: 05 77 22
GEWALTSCHUTZZENTRUM Wien: 01/5853288
Die Studie kann online unter
Femizide und Femizidversuche in Beziehungen. Qualitative Studie zu Gefährdungswahrnehmung und Hilfesuche in Wien
eingesehen werden.
Stephan Grundei
Mediensprecher Vizebürgermeisterin Kathrin Gaal
Tel.: 0676/8118 98057
E-Mail: stephan.grundei@wien.gv.at
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