Steiermark verweigert Kindern mit Diabetes lebensnotwendige Betreuung im Kindergarten

Volksanwalt Achitz: Dreijährige können Blutzuckerkontrolle und Insulinverabreichung nicht selbst übernehmen – Verstoß gegen UN-Behindertenrechtskonvention

Der dreijährige J. aus Trieben in der Obersteiermark ist eines von etwa 320 Kindern unter sechs Jahren mit Diabetes-Mellitus-Typ-I. Dank Blutzucker-Sensor und Insulinpumpe kann er ein ganz normales Leben führen. Im Kindergarten ist aber eine durchgehende Betreuung durch eine Kinderpflegekraft lebensnotwendig, denn natürlich kann er noch nicht selbst seinen Blutzuckerspiegel kontrollieren und sich die nötige Menge Insulin oder Zucker verabreichen. Diese 1:1-Betreuung verweigert ihm aber das für Behinderungsangelegenheiten zuständige Land Steiermark. Begründung: Diabetes Typ I sei keine Behinderung, sondern eine chronische, aber noch beeinflussbare Krankheit.

Bei der Volksanwaltschaft haben sich mehrere betroffene Familien gemeldet. Volksanwalt Bernhard Achitz kann die Ablehnung der Behörde nicht verstehen: „Dass Diabetes Typ I eine beeinflussbare Krankheit wäre, ist eine völlig falsche Einschätzung. Die Behauptung, der Krankheitsverlauf wäre durch Kontrollen oder Therapie ‚beeinflussbar‘, ist Unsinn, wie alle Fachleute bestätigen.“

BUNDES-RECHTSLAGE SAGT: KINDER MIT DIABETES TYP I HABEN EINE 50-PROZENTIGE BEHINDERUNG

„Solche Beschwerden kennen wir nur aus der Steiermark. Das liegt an einer unglücklichen Formulierung im steirischen Gesetz“, so Achitz in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ am 13. Dezember. Laut Behörde handle es sich bei Diabetes Mellitus Typ I um eine chronische Erkrankung, deren Krankheitsverlauf noch beeinflussbar sei, und bei chronischen Erkrankungen handle es sich nicht um Behinderungen, solange der Krankheitsverlauf noch beeinflussbar ist. Eine Behinderung ist aber Voraussetzung für die Finanzierung der Assistenz. Achitz: „Ich kann die Ablehnung des Landes Steiermark nicht nachvollziehen. Gesetze sind so auszulegen, dass sie mit der übrigen Gesetzeslage zusammenpassen. Und die Einschätzungsverordnung des Bundes sagt eindeutig, dass Diabetes Typ I bei bis zu 18-jährigen Kindern und Jugendlichen als 50-prozentige Behinderung gilt. Andere steirische Gesetze erkennen das an, zum Beispiel die Regelungen für die Schulassistenz. Die steirischen Behörden müssen also akzeptieren, dass Kinder mit Diabetes Typ I eine Behinderung haben und deshalb das Recht auf Assistenz im Kindergarten.“

MÜSSEN ELTERN STRAFE WEGEN MISSACHTUNG DER KINDERGARTENPFLICHT ZAHLEN?

Auf ein zusätzliches Problem macht Achitz aufmerksam: Kindergartenpflicht gilt für alle Kinder ohne Behinderung, also laut Rechtsansicht des Landes wohl auch für Diabetiker*innen. Ausnahmen gibt es nämlich nur für Kinder mit Behinderung. Wenn Eltern ihre Kinder also mangels Diabetes-Betreuung nicht in den Kindergarten geben können, müssten sie wohl auch noch Strafe zahlen.

UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION UND KINDERRECHTE-VERFASSUNGSGESETZ MISSACHTET

Auch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die Österreich unterzeichnet hat und die selbstverständlich auch für die Bundesländer gilt, lässt nicht zu, dass Kinder mit einer Behinderung oder einer chronischen Krankheit weniger Bildungschancen erhalten als andere Kinder. Auch das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern (BVG Kinderrechte) legt fest, dass jedes Kind mit Behinderung Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge hat, die seinen besonderen Bedürfnissen Rechnung tragen. So ist auch die Gleichbehandlung von Kindern mit und ohne Behinderung in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten „Ich fordere, dass die Steiermark ihre Gesetze entweder dementsprechend auslegt, oder aber die Gesetze ändert“, sagt Volksanwalt Achitz.

Florian Kräftner
Mediensprecher im Büro von
Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz
Telefon: +43 664 301 60 96
E-Mail: florian.kraeftner@volksanwaltschaft.gv.at
https://www.volksanwaltschaft.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender