Bundesrat spricht sich für Verbesserungen für NS-Opfer, Gesundheitsreformfonds und Tourismusbeschäftigtenfonds aus

Länderkammer billigt außerdem Novellen zu Sozialversicherung und Ausnahmen bei Zuverdienst zu Arbeitslosengeld

Der Bundesrat bestätigte in der heutigen Sitzung eine Reihe von Beschlüssen des Nationalrats im Arbeits- und Sozialbereich. Einstimmig sprachen sich die Mandatarinnen und Mandatare der Länderkammer dafür aus, Überlebenden des Holocaust, die erst Anfang der 1950er-Jahre aus Österreich ausgewandert sind, einen begünstigten Nachkauf von Pensionsversicherungszeiten zu ermöglichen. Mehrheitliche Zustimmung fand eine weitere Sozialversicherungsnovelle, die unter anderem die Mitversicherung eines Lebensgefährten bzw. einer Lebensgefährtin betrifft.

Eine Mehrheit fand sich im Bundesrat auch für den Gesundheitsreformfonds, der die Versorgung im niedergelassenen Bereich verbessern soll.

Behandelt wurden auch Regelungen, die den Arbeitsmarkt betreffen. Personen, die eine längere Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahme absolvieren, werden vom Zuverdienstverbot für Arbeitslose ausgenommen, was vom Bundesrat einstimmig gebilligt wurde. Eine Stimmenmehrheit gab es für die Einrichtung eines Fonds zur Förderung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Beschäftigte im Tourismus.

NEUE FRISTEN FÜR PENSIONSANSPRÜCHE VON NS-OPFERN

Einstimmig sprach sich der Bundesrat für einen Fünf-Parteien-Antrag zur Änderung des ASVG und des Opferfürsorgegesetzes aus. Damit wird Überlebenden des Holocaust, die erst Anfang der 1950er-Jahre aus Österreich ausgewandert sind, ein begünstigter Nachkauf von Pensionsversicherungszeiten ermöglicht. Gleichzeitig soll der Kreis jener NS-Opfer erweitert werden, die ohne Wohnsitz in Österreich Pflegegeld erhalten.

Nikolaus Amhof (FPÖ/W) illustrierte anhand einer konkreten Fluchtgeschichte aus Wien nach Schanghai die Sinnhaftigkeit der Änderung des Opferfürsorgegesetzes für bestimmte Flüchtlingsgruppen, deren Fluchtgeschichte 1945 noch nicht beendet gewesen sei. Für viele Betroffene komme diese wichtige Regelung allerdings viel zu spät. Sandro Beer (SPÖ/W) sprach von einer Novelle, die große moralische Bedeutung habe. Die Tatsache, dass es sich um einen Antrag aller Parteien handle, sei ein wichtiges Signal, dass Österreich seine historische Verantwortung wahrnehme. Auch Barbara Prügl (ÖVP/O) begrüßte die neuen Fristen als weiteren Schritt zur Wiedergutmachung. Auch Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/O) sprach von einem wichtigen Schritt, um historisches Leid anzuerkennen. Leider komme er sehr spät.

Zusammen mit diesem Thema wurde auch über eine Gesetzesnovelle debattiert, die Detailänderungen im Sozialversicherungsrecht zum Inhalt hat. Darin werden etwa Regelungen bezüglich der Teilpension sowie der Mitversicherung eines Lebensgefährten bzw. einer Lebensgefährtin getroffen.

Die FPÖ zeigte sich mit einem Teil der Regelungen unzufrieden und ging nicht mit. FPÖ-Bundesrat Amhof übte etwa Kritik daran, dass Abstimmungen über Videokonferenzen erfolgen können. Grundsätzlich gebe es im Gesundheits- und Sozialbereich eine Situation, die weit dramatischer sei, als Teile der Politik es anerkennen wollten.

Sandro Beer (SPÖ/W) sah die Möglichkeiten von Abstimmungen per Videokonferenzen und zur Teilpension als wichtige Verwaltungsvereinfachungen. Außerdem trage man neuen Familienmodellen Rechnung. Auch Barbara Prügl (ÖVP/O) sah die Mitversicherung von Lebensgefährten und Lebensgefährtinnen als wichtigen Schritt, um eine fairere Verteilung von Betreuungspflichten zu erreichen.

SCHUMANN: ÖSTERREICH STELLT SICH SEINER HISTORISCHEN VERANTWORTUNG

Sozialministerin Korinna Schumann sprach von einem Schritt der Wiedergutmachung, der von allen Parteien unterstützt werde. Das sei eine wichtiger Schritt, um eine bestehende Gesetzeslücke bei Leistungsansprüche zu schließen. Damit zeige Österreich auch, dass es seine historischen Verantwortung wahrnehme.

Die zweite Sozialversicherungsnovelle treffe wichtige Verwaltungsvereinfachungen, führte die Sozialministerin aus. Außerdem setze man einen wichtigen Schritt, um Väter zu motivieren, ihren Teil der Versorgungsarbeit zu übernehmen. Schumann nützte die Gelegenheit, um einmal mehr für die Möglichkeit der Teilpension zu werben.

GESUNDHEITSREFORMFONDS MEHRHEITLICH ANGENOMMEN

Der Gesundheitsreformfonds soll eine bessere Versorgung im niedergelassenen Bereich sicherstellen. Er besteht aus drei Sondertöpfen bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) und der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVAEB), die zwischen 2026 und 2030 jährlich mit rund 500 Mio. Ꞓ befüllt werden sollen. Mit den Mitteln soll unter anderem der Ausbau von Primärversorgungszentren weiter vorangetrieben und Prävention forciert werden.

Keine Zustimmung zum Gesundheitsreformfonds gab es von der FPÖ. Marlies Steiner-Wieser (FPÖ/S) sah eine Schieflage hinsichtlich Transparenz, Zuständigkeiten und Kontrollmechanismen. Ohne klare, öffentlich nachvollziehbare Kriterien bestehe die Gefahr von Willkür oder Bevorzugung bestimmter Interessensgruppen, meinte sie.

Kritik und Ablehnung gab es auch von den Grünen. Es würden nun drei neue Fonds zusätzlich zur schon bestehenden „Kompetenzzersplitterung“ im Gesundheitsbereich geschaffen, womit ein „weiteres komplexes Verwaltungskonstrukt“ entstehe, sagte Simone Jagl (Grüne/N). Sie forderte ein transparentes Gesundheitssystem, das an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet sei.

Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) sah es positiv, dass durch den Gesundheitsreformfonds bis 2030 jährlich eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung stehe, um in die Gesundheitsvorsorge „speziell im ländlichen Raum“ zur investieren. Beim Thema Digitalisierung sprach sie sich dafür aus, „mit Augenmaß“ vorzugehen und dabei auf die Bedürfnisse von Seniorinnen und Senioren zu achten. Franz Ebner (ÖVP/O) betonte, dass in der Digitalisierung viel Potential zur Effizienzsteigerung liegen würde und es „dringend und zwingend“ die Befüllung der elektronischen Gesundheitsakte brauche.

Gesundheitsversorgung müsse für alle gesichert und wirksame Reformen angegangen werden, betonte Bernadette Kerschler (SPÖ/St). Sie unterstrich die Bedeutung von Vorsorgeuntersuchungen und „gesundem Altern“. Zentral sei es außerdem, dass die Behandlung der Menschen dort stattfinde, wo es für sie am besten sei.

SCHUMANN: GESUNDHEITSREFORMFONDS REAGIERT AUF „SCHIEFLAGE“ IM GESUNDHEITSSYSTEM

Bundesministerin Korinna Schumann unterstrich ihr Bekenntnis zu einem öffentlichen, solidarischen Gesundheitssystem. Die Menschen hätten jedoch nicht mehr so viel Vertrauen in dieses System, da es „in Schieflage“ geraten sei. Daher handle die Bundesregierung im Rahmen der Reformpartnerschaft mit den Bundesländern durch die Schaffung des Gesundheitsreformfonds. Schumann sah in der Digitalisierung sehr viel Potential für die Gesundheitsverwaltung.

AUSNAHMEN FÜR ZUVERDIENST ZUM ARBEITSLOSENGELD

Eine weitere Debatte der Länderkammer betraf das Arbeitslosenversicherungsgesetz, das ab 2026 Einschränkungen der Zuverdienstmöglichkeiten von Arbeitslosengeldbeziehenden vorsieht. Laut einer Initiative der Koalition sollen die bereits bestehenden Ausnahmeregelungen auf Personen erweitert werden, die im Auftrag des Arbeitsmarktservices (AMS) eine längere Umschulung oder Weiterbildung absolvieren. Damit werden etwa Personen, die im Rahmen einer Pflegeausbildung ein Pflegestipendium beziehen, weiterhin nebenher geringfügig arbeiten können, wie Sozialministerin Korinna Schumann hervorhob. Auch bei einem Fachkräftestipendium ist ihr zufolge weiterhin ein Zuverdienst möglich.

Die Opposition forderte auch für andere Gruppen Ausnahmen, ein entsprechender Entschließungsantrag der Grünen im Bundesrat fand allerdings keine Mehrheit.

Ausdrücklich begrüßt wurde die Ausnahmeregelung für Schulungsteilnehmerinnen und Schulungsteilnehmer von den Bundesrätinnen und Bundesräten Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O), Sebastian Forstner (SPÖ/O), Manfred Repolust (FPÖ/St) und Simone Jagl (Grüne/NÖ). Man müsse Menschen, die sich weiterqualifizieren wollen, unterstützen, sagte Forstner. Er wertete es zudem als Verdienst der SPÖ, dass es auch für Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderung und ältere Arbeitslose Ausnahmen vom Zuverdienstverbot gibt.

Grundsätzliches Ziel müsse es allerdings sein, Arbeitslose so rasch wie möglich wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen, hoben sowohl FPÖ-Bundesrat Repolust auch ÖVP-Bundesrat Tiefnig hervor. Darauf wird nach Meinung von Repolust zu wenig Augenmerk gerichtet.

Auf weitere Ausnahmen vom Zuverdienstverbot drängte Grünen-Bundesrätin Jagl. Es brauche eine „praxistaugliche Lösung“, um Härtefälle zu vermeiden, mahnte sie im Entschließungsantrag, der über die Grünen hinaus jedoch nur die Zustimmung der FPÖ fand. Zusätzliche Jobs entstünden nicht dadurch, dass man Menschen verbiete, geringfügig dazuzuverdienen, machte sie geltend.

Als besonders betroffene Gruppen nannte Jagl etwa Kunst- und Kulturschaffende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Lehrende, Menschen in einem Entschuldungsverfahren sowie Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher. Ihrer Ansicht nach macht ein Zuverdienstverbot grundsätzlich nur dann einen Sinn, wenn eine hohe Nachfrage nach Arbeitskräften bestehe. In einer angespannten Arbeitsmarktsituation, wie sie aktuell vorherrsche, drohe ein solches hingegen das Armutsrisiko zu verschärfen. Zudem werde Betroffenen ein wichtiges Standbein in der Arbeitswelt genommen, das auch als Sprungbrett zurück in ein Vollversicherungsverhältnis fungieren könnte.

FONDS FÜR BESCHÄFTIGTE IM TOURISMUS

Eine Mehrheit fand auch ein Gesetzesvorschlag der Bundesregierung zur Einrichtung eines Fonds zur Förderung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Beschäftigte im Tourismus (Tourismusbeschäftigtenfondsgesetz – TBFG). Der Fonds soll mit jährlich 6,5 Mio. Ꞓ dotiert werden, wobei auch Sonderunterstützungen nach Arbeitsunfällen oder Jobverlust aus Fondsmitteln möglich sein werden. Ziel ist es, Beschäftigte für den Tourismus zu gewinnen bzw. in der Branche zu halten. Es gehe darum, den Wirtschaftszweig Tourismus zu stärken, sagte Günther Ruprecht (ÖVP/St). Dieser sei eine der bedeutendsten Säulen der österreichischen Wirtschaft.

Auch Claudia Arpa (SPÖ/K) hält die vorgesehenen jährlichen 6,5 Mio. Ꞓ für gut investiertes Geld. Diese werde Beschäftigten beim Einstieg, bei der Weiterbildung und „beim Dranbleiben“ helfen. Beschäftigte im Tourismus bräuchten mehr Sicherheit, betonte sie.

Demgegenüber bezeichnete Irene Partl (FPÖ/T) den Tourismusbeschäftigtenfonds in Anlehnung an einen Pressebericht als „Sinnbild für bürokratischen Wahnsinn“. Ihrer Meinung nach ist dieser überflüssig und werde kein einziges der bestehenden Probleme im Tourismusbereich lösen. So werde kein Betrieb durch die Einrichtung des Fonds zusätzliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter bekommen. Was Betriebe vielmehr bräuchten, sei Entlastung, sagte sie.

SCHUMANN: FONDS SOLL ARBEITEN IM TOURISMUS ATTRAKTIVER MACHEN

Von Seiten der Regierung wies Sozialministerin Korinna Schumann auf die hohe Fluktuation im Tourismus hin. Der Fonds werde „große Wirkung entfalten“, zeigte sie sich überzeugt. Man müsse die Arbeit im Tourismus attraktiver machen, das sei sowohl im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch der Betriebe. Dabei gehe es auch um die Förderung ganzjähriger Beschäftigungen. (Fortsetzung Bundesrat) bea/gs/sox

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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