Bundesrat: Kneissl verteidigt Haltung der Regierung zumUN-Migrationspakt

Außenpolitische Debatte in der Länderkammer zu den Krisenherden Syrien und Jemen

Wien (PK) – Die Ergebnisse der 73. UN-Generalversammlung mit dem
Schwerpunkt Jemen und Syrien standen heute im Mittelpunkt einer
Aktuellen Stunde im Bundesrat. Angesichts der „Erschöpfung“ aller
Beteiligten und der Zivilbevölkerung hegte Außenministerin Karin
Kneissl eine „kleine Zuversicht“ bezüglich von Lösungen auf dem
Verhandlungsweg. Österreich werde sich weiter intensiv einbringen und
sich zudem für ein Kriegsmaterialienverbot für die arabische
Halbinsel einsetzen. Hinsichtlich der Kritik von Seiten der SPÖ und
der Grünen an der Haltung der Regierung zum UN-Migrationspakt führte
die Ministerin ins Treffen, dass Österreich mit 17 von 23 Punkten
nicht einverstanden ist, da sie im Widerspruch zum
Regierungsübereinkommen stehen. Als Beispiel führte sie etwa an, dass
Begriffe wie Flüchtling im Sinne der UN-Konvention und Migrant
verwechselt werden.

Vor Eingang in die Debatte wurde Bruno Aschenbrenner (ÖVP/St) als
neues Mitglied der Länderkammer angelobt.

ÖVP: Hilfe vor Ort und Abschluss von Wirtschaftspartnerschaften

Österreich habe sich bei der UN-Generalversammlung sehr gut
präsentiert, meinten die Bundesräte Eduard Köck (ÖVP/N) und Christian
Buchmann (ÖVP/St), vor allem Außenministerin Karin Kneissl habe einen
vielbeachteten Auftritt hingelegt. Um das Leid der Menschen in Syrien
und Jemen zu lindern, könne man nur immer wieder versuchen, Gespräche
mit allen Konfliktparteien zu führen und Lösungen zu erarbeiten. Die
Flüchtlingskrise der letzten Jahre habe leider auch gezeigt, dass
sich nicht nur Menschen, die wirklich Hilfe brauchen, auf den Weg
machten, sondern auch viele andere, die sich in Europa einfach
bessere Lebensbedingungen erhoffen, zeigte Köck auf.

Köck war überzeugt davon, dass die Flüchtlinge am besten in der
Region selbst aufgehoben sind. Genau deshalb sollten die
Nachbarländer unterstützt werden. Österreich habe dies auch getan und
seit 2011 rund 100 Mio. € für die dortigen Lager zur Verfügung
gestellt. Aus diesem Grund sei auch das Afrika-Europa-Forum, das
Mitte Dezember in Wien stattfinden wird, von großer Bedeutung. Dabei
gehe es u.a. auch um die Förderung von Wirtschaftspartnerschaften,
die das Ziel verfolgen, der Bevölkerung vor Ort Zukunftsperspektiven
zu geben. Es mache ja keinen Sinn, wenn gerade die gut ausgebildeten
und gut situierten Menschen aus ihren Heimatländern fliehen. Das
Schlepperwesen sei mittlerweile das profitabelste illegale
Geschäftsmodell, noch vor dem Drogenhandel und der Prostitution.
Damit gehe mehr Geld aus Afrika verloren als mit
Entwicklungshilfegeldern zurückfließt, zeigte Köck auf.

FPÖ: UNO muss noch mehr in die Pflicht genommen werden

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ/W) gab zu bedenken, dass Europa
auch sehr lange gebraucht hat, um überall demokratische Strukturen zu
etablieren. Um einen solchen Weg im Nahen Osten einleiten zu können,
müsse aber zunächst einmal Frieden in den Ländern herrschen. Sie
vertraue darauf, dass Außenministerin Karin Kneissl sich mit aller
Kraft dafür einsetzen wird, um Fortschritte in Syrien und Jemen zu
erreichen. Christoph Längle (FPÖ/V) ging zunächst auf die historische
Bedeutung und Entstehung von Jemen und Syrien ein. Neben den
aktuellen Konflikten gebe es in beiden Ländern Problemfelder, wie die
massive Missachtung der Menschenrechte, die Genitalverstümmelung und
die Zwangsverheiratung von jungen Mädchen, auf die man auch genau
hinschauen müsse. Aus seiner Sicht müsste die UNO noch mehr in die
Pflicht genommen werden, insbesondere die Mitglieder des
Sicherheitsrats. Auch von Seiten des UN-Generalsekretärs Antonio
Guterres hätte er sich einen Weckruf gewünscht.

SPÖ fordert mehr Engagement der internationalen Gemeinschaft und übt
Kritik an der Regierung wegen UN-Migrationspakt

Auch wenn der Auftritt bei der UN-Generalversammlung große Beachtung
gefunden haben mag, die Vorgangsweise der Regierung in der letzten
Zeit hätten das Vertrauen der UNO gegenüber Österreich aber deutlich
erschüttert, urteilte Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ/W). Die
plötzliche Ablehnung des UN-Migrationspakts zeuge nämlich nicht von
einer klaren Linie und schon gar nicht von Handschlagqualität.
Außerdem würden falsche Argumente ins Treffen geführt, die jeglicher
Grundlage entbehren. Der Pakt beinhalte weder ein Menschenrecht auf
Migration, noch würde er zu Souveränitätsverlusten führen.

Im besonderen ging Schennach auf die Kriegshandlungen im Jemen in,
die die größte humanitäre Katastrophe des Jahrhunderts ausgelöst
haben. Es gebe massive Verbrechen gegen das internationale
Völkerrecht, die von willkürlichen Verhaftungen, Folterungen bis hin
zu Luftschlägen auf Hochzeiten oder Spitäler reichen. Die Lage habe
sich in der letzten Zeit noch massiv verschlechtert, Millionen von
Menschen, darunter viele Kinder, seien von Hungersnot bedroht, führte
Bundesrätin Doris Hahn (SPÖ/N) ins Treffen. Internationales Handeln
sei dringend notwendig, konstatierte Schennach, der für ein
EU-Waffenembargo gegenüber Saudi-Arabien und den Vereinigten
Arabischen Emiraten sowie ein UN-Kriegsverbrechertribunal plädierte.

Grüne für komplettes EU-Waffenembargo und für Bekämpfung der Ursachen
der Flüchtlingsbewegung

Bundesrätin Ewa Dziedzic (Grüne/W) schloss sich der Kritik an der
Haltung der Regierung zum UN-Migrationspakt an und sprach von einer
organisierten Verantwortungslosigkeit. Auch die von der
Außenministerin hervorgehobenen finanziellen Hilfen für Jemen und
Syrien seien nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es müssten
wirksame Maßnahmen ergriffen werden, wie etwa die Umsetzung eines
kompletten Waffenembargos, damit die europäischen Länder keine
Kriegsmaterialien in die Konfliktregion liefern können.

Kneissl bekräftigt Österreichs Engagement bei der Lösung der
Konflikte in Syrien und Jemen

Bundesministerin Karin Kneissl dankte zunächst für die historischen
Exkurse der BundesrätInnen zu den Ländern im Nahen Osten, da es
wichtig sei, über diese großen Zivilisationen nicht nur aus dem
Blickwinkel des Krieges und des Terrorismus zu sprechen. Bei der 73.
UN-Generalversammlung habe sie als erste westliche Politikerin den
Beginn ihrer Rede in Arabisch gehalten, erinnerte Kneissl, was für
einige Aufmerksamkeit gesorgt habe. Vor allem aus der arabischen Welt
habe sie dafür viel positives Feedback bekommen. Dieses Gremium biete
eine ideale Möglichkeit für einen egalitären Austausch auf Augenhöhe
und zum Knüpfen von sehr vielen Kontakten.

Ihrer Meinung handle es sich bei den Konflikten in Syrien und in
Jemen um Stellvertreterkriege. Angesichts der „Erschöpfung“ aller
Beteiligten sowie der Zivilbevölkerung in Syrien hoffe sie, dass
endlich Lösungen auf dem Verhandlungsweg erzielt werden. Österreich
werde sich intensiv einbringen und auch die Tätigkeit der beiden
UN-Sondergesandten mit Nachdruck unterstützen, unterstrich Kneissl.
Beteiligen werde sich Österreich u.a. auch an Entminungsmaßnahmen, um
überhaupt die Grundlage für die Rückkehr von Flüchtlingen zu
schaffen. Außerdem habe man 2018 bereits 16 Mio. € für humanitäre
Hilfe zur Verfügung gestellt. Bezüglich des Charakters der syrischen
Regierung dürfe man sich keine Illusionen machen, aber man arbeite an
der Entwicklung eines Verfassungskomitees – eine ganz wichtige
Voraussetzung für die Neugestaltung der Machtaufteilung. Was den
Jemen betrifft, so stimmte Kneissl mit Schennach darin überein, dass
der Konflikt in Jemen die derzeit größte humanitäre Katastrophe
darstellt. Rund 22 Millionen Menschen seien auf humanitäre Hilfe
angewiesen, 14 Millionen von der Hungersnot bedroht. Im Hinblick auf
den Islamischen Staat befürchtete Kneissl, dass er sich nach der
Niederlage auf der territorialen Ebene wieder auf das „digitale
Kalifat“ konzentrieren werde.

Schließlich ging die Außenministerin noch auf die Kritik von Seiten
der Oppositionsparteien ein und stellte fest, dass im Juli der
Entwurf für den „Global Compact on Migration“ in New York angenommen
wurde. Die Europäische Delegation bei den Vereinten Nationen stellte
damals folgendes fest: „Wir haben einen nicht perfekten Text, den wir
nun nach den technischen Verhandlungen unseren Regierungen vorlegen
werden“. Es war daher klar, dass die politischen Debatten über den
Pakt danach erst beginnen würden. In Österreich wurde seit Mitte
August darüber geredet; letzte Woche wurde ein entsprechender
Ministerratsvortrag präsentiert. Im Einvernehmen mit den zuständigen
Ressorts habe man sich darauf geeinigt, dass sich Österreich bei der
Abstimmung über den Pakt der Stimme enthält. Grund dafür sei, dass
Österreich mit 17 von 23 Punkten nicht einverstanden ist, weil sie im
Widerspruch zum Regierungsübereinkommen stehen, erläuterte Kneissl.
Als Beispiel führte die Ressortchefin an, dass Begriffe wie
Flüchtling im Sinne der UN-Konvention und Migrant verwechselt werden.
(Fortsetzung Bundesrat) sue

———————————————————————

Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
http://www.parlament.gv.at
www.facebook.com/OeParl
www.twitter.com/oeparl

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender