
Kompetenzbereinigung: Noch kein Durchbruch im Verfassungsausschuss
Abgeordnete wollen am 6.Dezember neuen Anlauf nehmen
Wien (PK) – Der Verfassungsausschuss des Nationa lrats hat die
Beratungen über das von der Regierung vorgeschlagene Gesetzespaket
zur Kompetenzbereinigung heute doch überraschend aufgenommen.
Gemeinsam mit den NEOS und der Liste Pilz beschlossen ÖVP und FPÖ
eine entsprechende Ergänzung der Tagesordnung. Abgestimmt wurde über
den Entwurf, der sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat eine
Zweidrittelmehrheit benötigt, allerdings nicht. Nach einer ersten
Grundsatzdebatte vertagten die Abgeordneten die Verhandlungen auf den
6.Dezember. Es spießt sich vor allem bei der Kinder- und Jugendhilfe,
die nun in die Kompetenz der Länder wandern soll. Die SPÖ will dem
Paket erst dann zustimmen, wenn die in Aussicht genommene
Vereinbarung der Bundesländer zur Sicherung bundeseinheitlicher
Qualitätsstandards am Tisch liegt.
Mit dem Gesetzespaket soll vor allem die Zahl jener Materien
reduziert werden, in denen der Bund gemäß der Verfassung für die
Grundsatzgesetzgebung zuständig ist und den Ländern die Erlassung von
Ausführungsgesetzen obliegt. Außerdem geht es um die Streichung
wechselseitiger Zustimmungsrechte von Bund und Ländern, etwa was die
Festlegung von Bezirksgrenzen und Gerichtssprengeln betrifft. Auch
beim Datenschutz soll es zu Kompetenzbereinigungen und Klarstellungen
kommen.
Regierungsparteien: Bedenken der SPÖ nicht nachvollziehbar
Das Gesetz sei mit den Ländern akkordiert, hoben Wolfgang Gerstl
(ÖVP) und Harald Stefan (FPÖ) in der Debatte hervor. Umso
unverständlicher ist für sie die Haltung der SPÖ, gehe es doch darum,
einen Anachronismus zu beseitigen, den heute niemand mehr versteht.
Nicht nachvollziehen kann Gerstl Befürchtungen, dass es im Zuge der
Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe zu einem Downgrading der
Standards kommen werde. Er geht vielmehr davon aus, dass sich die
Länder in der Art. 15a-Vereinbarung auf gemeinsame, höhere Standards
einigen werden. Warum sollten die Länder ein Interesse an einer
Verschlechterung der Standards haben, räumte auch Stefan die Bedenken
aus und erinnerte darüber hinaus, dass ja auch die
SPÖ-Landeshauptleute ausdrücklich einer Verländerung zugestimmt
hatten.
Auch Justizminister Josef Moser sprach von einer längst fälligen
Beseitigung einer Anomalie des österreichischen Verfassungsrechts und
betonte, erstmals seien nun die Länder bereit, ihre Standards zu
harmonisieren. Entscheidend ist für den Ressortchef, dass die
Verländerung der Jugendhilfe erst nach Abschluss der Art.
15a-Vereinbarung stattfinden wird. In finanzielle und personelle
Ressourcen greife man jedenfalls nicht ein, es werde vielmehr zu
einer Verbesserung kommen.
Opposition befürchtet Verschlechterung der Standards bei der
Jugendhilfe
Die SPÖ sei grundsätzlich konsensbereit, unterstrich Peter Wittmann
mit Nachdruck, meinte aber, man wolle vor einer Entscheidung
unbedingt noch die Art. 15a-Vereinbarung sehen. Seine
Fraktionskollegin Selma Yildirim zeigte sich hinsichtlich der
Verländerung der Jugendhilfe äußerst skeptisch und argumentierte, sie
habe noch nie so viele Einwände aus der Praxis gehört wie in dieser
Frage. Die Befürchtung einer Verschlechterung der Standards teilte
sie dabei mit NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper und Alfred Noll
(PILZ). Der Verfassungssprecher der Liste Pilz zeigte sich überdies
irritiert über den Abänderungsantrag, der eine Rücknahme einzelner
Bestimmungen betreffend Datenschutz vorsieht.
Neue Kompetenzverteilung ab 2020?
Im Konkreten sieht der Gesetzentwurf der Regierung (301 d.B.) vor,
nur noch die Kompetenztatbestände Armenwesen, Heil- und
Pflegeanstalten sowie Elektrizitätswesen im Artikel 12 der
Bundesverfassung zu belassen. In diesen drei Bereichen wird der Bund
vorerst weiter für die Grundsatzgesetzgebung zuständig sein und den
Ländern die Ausführungsgesetze und die Vollziehung obliegen. Darunter
fallen etwa auch die Mindestsicherung und die Krankenanstalten.
Allerdings strebt die Regierung in weiterer Folge auch hier eine
Kompetenzentflechtung an, wie in den Erläuterungen angemerkt wird.
Von den neun weiteren derzeit in diesem Artikel verankerten
Kompetenztatbeständen soll ein Großteil in die alleinige
Zuständigkeit der Länder wandern. Das betrifft etwa die Säuglings-
und Jugendfürsorge, den Pflanzenschutz, die Bodenreform, natürliche
Heilvorkommen (Thermalwasser) und Kuranstalten. Dem Bund werden
demgegenüber die alleinigen Gesetzgebungskompetenzen für
Bevölkerungspolitik, Arbeitsrecht und die außergerichtliche
Streitvermittlung in Angelegenheiten des Zivilrechtswesens und des
Strafrechtswesens übertragen. Gemeindevermittlungsämter,
Antidiskriminierungsstellen, Beratungsstellen und ähnliche
Einrichtungen sind davon laut Erläuterungen aber nicht umfasst.
In Kraft treten soll die neue Kompetenzverteilung grundsätzlich ab
2020. Das gilt auch für die in Aussicht genommene Bündelung der
Datenschutzkompetenzen beim Bund. Allerdings ist bezüglich der
Kinder- und Jugendhilfe eine spezielle Regelung vorgesehen. Um
sicherzustellen, dass das bisherige Schutzniveau in diesem Bereich
erhalten bleibt, werden die Länder vor der entsprechenden
Kompetenzübertragung zum Abschluss einer rechtsverbindlichen
Vereinbarung gemäß 15a B-VG verpflichtet.
Reduzierung der wechselseitigen Zustimmungsrechte von Bund und
Ländern
Die Regierung schlägt darüber hinaus vor, die wechselseitigen
Zustimmungsrechte von Bund und Ländern zu reduzieren. Das betrifft
nicht nur die Festlegung der Grenzen von politischen Bezirken als
künftig alleinige Kompetenz der Länder und von Gerichtssprengeln als
alleinige Kompetenz des Bundes, sondern auch die Organisation der
Ämter der Landesregierung, die Bestellung von LandesamtsdirektorInnen
und die Verleihung des Stadtrechts an Städte mit mehr als 20.000
EinwohnerInnen. In diesen drei Bereichen wird der Bund künftig
ebenfalls kein Vetorecht mehr haben. Außerdem ist eine einheitliche
Vorgangsweise bei verbleibenden Einspruchsrechten der Bundesregierung
gegen einzelne Landesgesetze vorgesehen.
Ungeachtet der geplanten neuen Bestimmungen will die Regierung die
Interessen der Länder bei einer Änderung der Sprengel der
Bezirksgerichte jedoch weiter berücksichtigen, wie in den
Erläuterungen zum Gesetzespaket festgehalten wird. Zudem ist dort die
Zusage festgehalten, dass in jedem Bundesland zumindest ein
Landesgericht bestehen soll.
Zugunsten von mehr Flexibilität bei Postenbesetzungen gestrichen wird
die Bestimmung, wonach LandesamtsdirektorInnen und
MagistratsdirektorInnen aus dem Kreis der BeamtInnen kommen müssen.
Künftig können darüber hinaus die Rechtsvorschriften aller Behörden,
also etwa auch von Bezirksverwaltungsbehörden, Gemeinden,
Gemeindeverbänden und von in den Ländern eingerichteten
Selbstverwaltungskörpern (z.B. Ärztekammern), sowie von
Verwaltungsgerichten im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS)
kundgemacht werden.
Dritter Anlauf zur Neuformulierung des Grundrechts auf Datenschutz
Schließlich enthält das Gesetzespaket, ergänzend zur Bündelung der
Datenschutzkompetenzen beim Bund, auch eine Novellierung des
Datenschutzgesetzes. Es ist bereits der dritte Anlauf, um das
verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf Datenschutz neu
zu formulieren. Zuletzt ist das Vorhaben im April dieses Jahres an
der fehlenden Zweidrittelmehrheit im Nationalrat gescheitert, da die
SPÖ auf die Einführung einer Verbandsklage im Datenschutzbereich
pochte. Allerdings ist unklar, ob der Anlauf dieses Mal gelingt,
zumal ein von den Koalitionsparteien heute vorgelegter
Abänderungsantrag die Streichung der diesbezüglichen Ziffer aus dem
Gesetzentwurf vorsieht.
Tiroler Zukunftsstiftung soll in Kapitalgesellschaft umgewandelt
werden
Grünes Licht gab es hingegen für die Umwandlung der Tiroler
Zukunftsstiftung in eine Kapitalgesellschaft. Ein dafür nötiges
eigenes Bundesgesetz wurde einstimmig verabschiedet. Der von Josef
Lettenbichler (ÖVP) und Harald Stefan (FPÖ) vorgelegte Entwurf
(477/A) enthält insgesamt fünf Paragraphen und soll für
Rechtssicherheit sorgen. Hintergrund für die geplante Umwandlung der
Stiftung in eine GmbH ist das Vorhaben des Landes Tirol, mit der
Strategie „Lebensraum Tirol 4.0“ die Dachmarke Tirol zu stärken und
zu verbreitern. Im Zuge dieser Strategie sollen auch mehrere schon
bestehende Einrichtungen unter dem Dach einer Holdinggesellschaft
zusammengeführt werden, darunter auch die als Fonds öffentlichen
Rechts eingerichtete Zukunftsstiftung. Zwar gäbe es auch die
Möglichkeit, den Betrieb als Sacheinlage in eine Kapitalgesellschaft
einzubringen, nach Meinung von Lettenbichler und Stefan würde das
aber zu Rechtsunsicherheit, etwa bei der Zuordnung von Projekten,
führen. Sie halten daher eine formwechselnde Umwandlung für
zielführender, die mangels fehlender allgemeiner Regelungen
allerdings einer eigenen gesetzlichen Grundlage bedarf.
Bei der Formulierung des Gesetzes hat man gemäß den Erläuterungen
Anleihe an einem Bundesgesetz aus dem Jahr 2001 genommen, mit dem
seinerzeit die Niederösterreichische Umweltschutzanstalt in eine
Kapitalgesellschaft umgewandelt wurde.
Als sinnvoll im Lichte der Empfehlungen des Rechnungshofs begrüßte
auch Selma Yildirim namens der SPÖ den Vorstoß, von dem sie sich vor
allem Effizienzsteigerung erwartet.
NEOS pochen auf Informationsfreiheitsgesetz
Vertagt wurde ein Antrag (3/A(E)) , mit dem die NEOS die Regierung
verpflichten wollen, dem Parlament bis Ende 2018 einen Gesetzentwurf
zur Abschaffung der Amtsverschwiegenheit und zur Implementierung
einer umfassenden Informationsfreiheit vorzulegen. In kaum einem
Bereich sei Österreich dermaßen rückständig wie im Umgang der
staatlichen Stellen mit Informationen, begründete Nikolaus Scherak
die Initiative seiner Fraktion. Dabei wären Transparenz und freier
Zugang zu Informationen seiner Meinung nach das beste Mittel gegen
Korruption und Steuerverschwendung. In diesem Sinn pochen die NEOS
nicht nur auf ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf
Zugang zu Informationen von allgemeinem Interesse, sondern auch auf
eine grundsätzliche Pflicht staatlicher Stellen, relevante
Informationen von sich aus zu veröffentlichen.
ÖVP-Mandatar Friedrich Ofenauer betonte, die Entwicklung gehe in
Richtung des Antrags, zunächst gelte es aber noch, die Erfahrungen
mit den bereits bestehenden Auskunftspflichtgesetzen abzuwarten.
NEOS für Ausweitung der Prüfzuständigkeit der Volksanwaltschaft
Auch mit einem weiteren Anliegen konnten sich die NEOS vorerst nicht
durchsetzen. Die beantragte Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes
zur Ausweitung der Prüfzuständigkeit der Volksanwaltschaft auf
ausgegliederte Rechtsträger (349/A) wurde gleichfalls in die
Warteschleife geschickt.
Nikolaus Scherak sieht nicht ein, warum es bei den Prüfkompetenzen
Unterschiede zwischen dem Rechnungshof und der Volksanwaltschaft
gibt. Durch die fehlenden Prüfzuständigkeit sei den VolksanwältInnen
etwa bei Beschwerden gegen die ÖBB, die Post oder die GIS nicht immer
eine effektive Unterstützung möglich, argumentierte er und erinnerte
an einen entsprechenden Wunsch der Volksanwaltschaft auf
Kompetenzausweitung. Harald Stefan (FPÖ) versicherte, man werde den
Intentionen der Volksanwaltschaft nachkommen, dazu brauche es aber
noch Zeit. (Schluss) hof/gs
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