12-Stunden-Tag: SPÖ fordert Rücknahme der gesetzlichen Bestimmungen

Rendi-Wagner bringt bei Sondersitzung des Nationalrats Dringlichen Antrag ein

Wien (PK) – Die SPÖ fordert von der Regierung, die vor dem Sommer
beschlossenen neuen Arbeitszeitregelungen zurückzunehmen.
Gleichzeitig sollen unverzüglich Verhandlungen mit den
Parlamentsparteien, den Sozialpartnern und ExpertInnen über moderne,
praxistaugliche gesetzliche Bestimmungen aufgenommen werden.
SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner hat in der heutigen Sondersitzung
des Nationalrats zum 12-Stunden-Tag einen entsprechenden Dringlichen
Antrag eingebracht. Es brauche einen Interessensausgleich zwischen
ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen, begründet sie den Vorstoß.
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck hält allerdings nichts von
einem Aufschnüren des Gesetzesbeschlusses: Vereinzelte
Missbrauchsfälle sind für sie kein Grund, die neuen Regelungen in
Frage zu stellen. Die Wirtschaft brauche flexible Arbeitszeiten.

Noch vor der eigentlichen Debatte über den Dringlichen Antrag
protestierte die SPÖ gegen die Abwesenheit von Bundeskanzler
Sebastian Kurz. Dieser missachte durch sein Verhalten die Würde des
Hauses, sagte er. Ihm schloss sich Wolfgang Zinggl von der Liste Pilz
an, der von „Ausreden des Bundeskanzlers“ sprach. Nur über den Wert
der Demokratie zu reden, sie aber nicht zu praktizieren, genüge
nicht, so Zinggl.

Kurz hatte sich für die Sitzung wegen Verpflichtungen als
EU-Ratsvorsitzender entschuldigen lassen. Es sei unabdingbar, dass
Kurz nach Brüssel reise, um mit Ratspräsident Donald Tusk,
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Brexit-Chefverhandler
Michel Barnier im Vorfeld des geplanten EU-Sondergipfels zum Brexit
notwendige Gespräche zu führen und strategische Fragen zu klären,
bekräftigten die Klubobleute der Koalitionsparteien August Wöginger
(ÖVP) und Walter Rosenkranz (FPÖ). Der Termin sei für die EU und für
Österreich wichtig.

Zu Beginn der Sitzung war Katharina Kucharowits (SPÖ) als neue
Abgeordnete angelobt worden. Sie hat das Mandat von Christian Kern
übernommen. Kucharowits saß bereits von 2013 bis 2017 im Nationalrat.

Rendi-Wagner: Neues Arbeitszeitgesetz ist ausschließlich im Interesse
der Unternehmen

In den Erläuterungen zum Dringlichen Antrag weist die SPÖ darauf hin,
dass das Arbeitszeitgesetz als Schutzkonzept konzipiert sei. Man
wolle verhindern, dass ArbeitnehmerInnen durch überlange
Arbeitszeiten krank werden, „und sich für die Profitmaximierung des
Arbeitgebers kaputt arbeiten müssen“. Zudem gelte es sicherzustellen,
dass den Beschäftigten auch Zeit für die Familie bleibt und diese die
Möglichkeit einer selbstbestimmten Freizeitgestaltung haben.

Diese Schutzfunktion wurde nach Meinung von Rendi-Wagner mit den
neuen Regelungen zum 12-Stunden-Tag und zur 60-Stunden-Woche
ausgehebelt. ÖVP und FPÖ hätten ein „verpfuschtes Arbeitszeitgesetz“
beschlossen, das ausschließlich den Interessen der UnternehmerInnen
diene und schon in den ersten zwei Monaten viele Missbrauchs- und
Härtefälle produziert habe. Diese Fälle seien keine Einzelfälle,
sondern nur die Spitze eines Eisbergs, ist sie überzeugt. Das Gesetz
sei eine grundlegende Fehlkonstruktion.

Es sei genau das eingetreten, wovor die SPÖ gewarnt habe, betonte
Rendi-Wagner und appellierte an die Koalitionsparteien, ihren Fehler
einzugestehen. Das wäre „ein Zeichen der Stärke und der Vernunft“,
sagte sie. Der Dringliche Antrag biete ÖVP und FPÖ die Chance zu
zeigen, ob sie auf der Seite der Konzernbosse stehen oder auf der
Seite der Beschäftigten. Betroffene ArbeitnehmerInnen an die
Arbeiterkammer, die Gewerkschaft oder das Sozialgericht zu verweisen,
hält die designierte SPÖ-Chefin jedenfalls für unzureichend, damit
würden die Regierungsparteien nur demonstrieren, dass sie sich nicht
für die Millionen arbeitender Menschen in Österreich zuständig
fühlen.

Auch die SPÖ sei für flexible Arbeitszeiten und für eine moderne
Arbeitswelt, versicherte Rendi-Wagner. Es brauche aber einen fairen
Ausgleich zwischen den Interessen der ArbeitgeberInnen und der
Beschäftigten. So, wie das Ganze jetzt geregelt ist, sei der
Arbeitgeber immer der Stärkere. Mehrere Fälle wie jener der
Hilfsköchin, die gekündigt wurde, weil sie keinen 12-Stunden-Dienst
machen wollte, zeige, dass das Prinzip der Freiwilligkeit in der
Praxis nicht wirke. Im Endeffekt bringe der 12-Stunden-Tag weniger
Zeit für die Familie, weniger Lohn und weniger Gesundheit.

Generell verwies Rendi-Wagner darauf, dass das Prinzip des sozialen
Ausgleichs zum Grundkonsens der Zweiten Republik gehöre. Der Erfolg
Österreichs beruhe nicht zuletzt auf dem steten Bemühen in der
Vergangenheit, gemeinsame Lösungen zu finden. „Genau das war der Weg
der letzten Jahrzehnte, der uns stark gemacht hat.“ Mit ihrer Politik
würde die nunmehrige Regierung diesen Weg des Gemeinsamen und des
Dialogs verlassen.

Schramböck: Wirtschaft braucht flexible Arbeitszeiten

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck räumte in ihrer
Stellungnahme zum Dringlichen Antrag ein, dass es einzelne
Missbrauchsfälle gebe. Diese seien aber kein Grund, das ganze
Arbeitszeitgesetz infrage zu stellen und eine 180-Grad-Wende zu
machen, bekräftigte sie. „Schwarze Schafe“, die sich nicht an die
geltenden Arbeitszeitregeln halten, habe es auch schon vor der von
der SPÖ kritisierten Novelle gegeben.

Schramböck hält die neuen, flexiblen Arbeitszeiten zur Stärkung des
österreichischen Wirtschaftsstandorts für unabdingbar. Die
Unternehmen bräuchten zeitgemäße Rahmenbedingungen, um im globalen
Wettbewerb bestehen zu können. Flexible Arbeitszeiten seien dabei ein
wesentlicher Faktor. Mit ihrer „politischen Kleingeldwechslerei“
stelle die SPÖ die Zukunft Österreichs aufs Spiel, warnte die
Ministerin.

Schramböck stellte auch in Abrede, dass die neuen
Arbeitszeitregelungen nur im Interesse der Arbeitgeber seien. Eine
große Mehrheit der ArbeitnehmerInnen bewerte flexible Arbeitszeiten
als positiv, verwies sie auf aktuelle Umfragen. Die Befragten seien
zudem überzeugt, dass flexible Arbeitszeiten ihren Job sichern. Auch
nach dem Inkrafttreten der Arbeitszeitflexibilisierung habe sich an
der Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz nichts geändert. Diese sei
unverändert hoch, wie eine Studie zeige.

Anders als die SPÖ sieht Schramböck auch das Prinzip der
Freiwilligkeit durch die neuen Regelungen nicht geschwächt, sondern
vielmehr sogar gestärkt. Zum ersten Mal gebe es ein generelles
Ablehnungsrecht der ArbeitnehmerInnen gegen die elfte und zwölfte
Überstunde. Bei der 9. und 10. Stunde sei das anders geregelt. Es
gebe auch keinen generellen 12-Stunden-Tag, betonte Schramböck,
„bitte hören Sie auf, das den Menschen zu erzählen“. (Fortsetzung
Nationalrat) gs

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