
MCI: Offener Brief der ArchitektInnenschaft aus gegebenem Anlass
Kostenexplosionen, Architekturwettbewerbe und Baukultur
Innsbruck/Wien (OTS) – Die anhaltende Diskussion um Kosten und
Verfahren für den geplanten Neubau des MCI und die Ankündigung einer
Neuausschreibung veranlasst uns – die ArchitektInnenschaft, vertreten
durch die Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen, die Kammer der
ZiviltechnikerInnen für Tirol und Vorarlberg, das aut. architektur
und tirol, die Zentralvereinigung der ArchitektInnen Tirol, sowie die
Architekturfakultät Innsbruck – zu diesem Schreiben. Um einerseits
die Ursachen der dargelegten „Probleme“ zu hinterfragen und
andererseits ein Plädoyer für die Leistungen und die Integrität der
ArchitektInnenschaft zu verfassen.
Das MCI sei diesbezüglich nur beispielhaft erwähnt, da keine Woche
vergeht, in der nicht über „explodierende“ Baukosten in den
Tageszeitungen zu lesen ist. Die Kausalität, die Frage nach der
Beziehung zwischen Ursache und Wirkung, scheint dabei in der Analyse
vernachlässigt zu werden. Stattdessen wird eilig reagiert, schnell
werden vermeintlich Schuldige ausfindig gemacht und alternative
Prozesse initiiert. Prozesse, die offensichtlich auf ähnlich
überhasteten Überlegungen basieren, wie auch die Entscheidungen
innerhalb der Projektvorbereitungs- und Überarbeitungsphase, die
schlussendlich in ein Dilemma führten.
Die Projektvorbereitungsphase dient dazu ein konkretes Bauvorhaben
zu formulieren, Projektziele zu definieren, um damit eine konkrete
„Bestellung“ aufzugeben. Diese Phase muss zu einer Synthese komplexer
Rahmenbedingungen führen, wie Kostenrahmen, Funktions- und
Nutzungskonzept sowie Qualitätsansprüche architektonischer und
städtebaulicher Art. Fehlt der Projektvorbereitungsphase das
notwendige Verständnis der Komplexität und Zusammenhänge solcher
Bauvorhaben, verliert sie den Blick auf das Projekt an sich und führt
fast unweigerlich zu jenen Diskrepanzen, die unter anderem in
sogenannten „Kostenexplosionen“ enden können.
Beim Neubau des MCI wurde über Baukostenexplosionen berichtet,
diese aber nicht nachvollziehbar und transparent belegt. Die Presse
kolportiert anhand vieler und nicht vergleichbarer Zahlen und in
Ermangelung einer differenzierten Kenntnis um Baukosten,
Bauwerkskosten, Errichtungskosten und Investitionskosten ein äußerst
diffuses Gesamtbild in der Wahrnehmung von Kosten in der
Öffentlichkeit. Dadurch entstehen verzerrte Rückschlüsse, die die
ArchitektInnenschaft zu Unrecht belasten und ihrem Ansehen schaden.
Im Fall des MCI halten wir klar fest, dass seitens der Architekten,
die mit der Planung des Neubaus beauftragt waren, keine
Fehlkalkulation der Bauwerkskosten des MCI vorliegt. Denn unseres
Wissens nach betragen die derzeitigen Gesamtkosten des MCI Euro 122
Mio (inkl. Mwst.), und es verwundert daher, dass in der Presse von
einer Neuausschreibung des Projekts mit einem Kostenrahmen zwischen
Euro 125 bis 150 Mio berichtet wird. Worin darin die Einsparungen
liegen sollen, ist uns unverständlich, zumal es auch keine Einsicht
in die Kalkulationen gibt.
Das mangelnde Verständnis von Kausalität und die öffentliche
Intransparenz der Kostenargumente, die zu falschen Vorwürfen führten,
zeichnet mittlerweile ein negatives Bild von Architekturwettbewerben.
Der Wettbewerb ist eines der wichtigsten Instrumente zur Förderung
der Baukultur in unserer Gesellschaft und dient der Findung des
„besten” Projekts auf Basis einer Ausschreibung. Das Land Tirol trägt
sowohl als gesetzgebende Instanz als auch als wichtiger, öffentlicher
Bauherr größte Verantwortung dafür. Diese Verantwortung wird auch
durch den dritten österreichischen Baukulturreport vermittelt –
beauftragt durch das Bundeskanzleramt –, in dem sich die
Bundesregierung zur Förderung der Baukultur und dem damit verbundenen
Wettbewerbswesen bekennt.
Zwtl.: Folgende Punkte werden in diesem Report als strategische
Leitgedanken für die öffentliche Hand formuliert:
1. Bewusstsein für Baukultur entwickeln und geeignete Strukturen
fördern!
2. Gemeinwohl stärken!
3. Ganzheitlich, langfristig und innovativ planen!
4. Flächen und andere Ressourcen mit Bedacht nutzen!
5. Öffentliche Mittel an Qualitätskriterien knüpfen!
Die Wettbewerbskultur in Tirol ist eine Erfolgsgeschichte, hat
diese Leitgedanken stets verfolgt und in der Stadt Innsbruck wie im
Land Tirol zu einer qualitativ hochwertigen Architektur geführt, die
national wie auch international wahrgenommen wird. Darüber hinaus
haben MitarbeiterInnen des Landes Tirol an dem Baukulturreport
mitgearbeitet und sollen in den nächsten Monaten dessen Inhalte auch
kommunizieren. Durch die Neuausschreibung des MCI gerät diese hoch
stehende Wettbewerbskultur und der Anspruch an eine qualitativ
hochwertige Architektur in Bedrängnis. Denn Verfahren wie jene einer
Generalübernehmerausschreibung können den Architekturwettbewerb und
dessen Ziel, das beste Projekt für einen Standort zu jurieren, nicht
ersetzen und sind für uns daher entschieden abzulehnen.
Denn der Generalübernehmer garantiert mit seinem Angebot nicht für
die Qualität des Bauwerks und seiner Architektur, sondern gibt nur
eine vermeintliche Kostengarantie ab. Die involvierten Planer sind
damit in allen Belangen dem Generalübernehmer ausgeliefert bzw.
vertraglich verpflichtet. Demzufolge können ArchitektInnen ihren
Auftrag als ZiviltechnikerInnen, die dem Gemeinwohl und somit der
Qualität von Architektur verpflichtet sind, nicht mehr erbringen und
werden zu ErfüllungsgehilfInnen von Bauwerken, die zumeist weder
nachhaltig noch Ausdruck einer kultivierten Gesellschaft sind. Wenn
vorwiegend nur mehr JuristInnen und Finanzcontroller bestimmen, wie
und in welcher Qualität gebaut wird, relativiert sich das Thema des
Qualitätsanspruchs wie der Baukultur und kann nur als Rückschritt
interpretiert werden. Die politischen VertreterInnen sowie alle
EntscheidungsträgerInnen sollten vielmehr daran arbeiten, die
Baukultur weiterhin in guter und konstruktiver Zusammenarbeit mit den
ArchitektInnen zu fördern.
Für die Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen
Daniel Fügenschuh – Vizepräsident und Bundessektionsvorsitzender
Für die Kammer der ZiviltechnikerInnen für Tirol und Vorarlberg
Hanno Vogl-Fernheim – Präsident
Ursula Faix und Christian Höller – Vorstandsmitglieder
Für das aut. architektur und tirol
Kathrin Aste – Vorsitzende
Arno Ritter – Direktor
Für die Architekturfakultät der Universität Innsbruck
Gabriela Seifert-Kavan – Dekanin
Kristina Schinegger – Studiendekanin
Für die Zentralvereinigung der Architekten Österreichs, Tirol
Rainer Noldin – Präsident
Barbara Poberschnigg – Vizepräsidentin
Christine Lohwasser
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