
Expertinnenrunde erörtert Strategien und Maßnahmen gegen Sexismus imNetz
Bundesratspräsidentin Posch-Gruska lud zur Podiumsdiskussion im Rahmen von 16 Tage gegen Gewalt an Frauen
Wien (PK) – Der Aktionszeitraum 16 Tage gegen Gewalt an Frauen wird
weltweit genutzt, um das Ausmaß und die verschiedenen Ausprägungen
von Gewalt gegen Frauen zu thematisieren. Damit soll Bewusstsein
dafür geschaffen werden, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen als
fundamentale Menschenrechtsverletzung nachhaltige Folgen für die
Betroffenen selbst, aber auch für die gesamte Gesellschaft hat.
Um Strategien und Maßnahmen gegen Sexismus im Netz zu erörtern, hat
Bundesratspräsidentin Inge Posch-Gruska gestern Abend Expertinnen zu
einer Podiumsdiskussion ins Parlament eingeladen. Im Mittelpunkt der
Debatte standen die Fragen, auf welche Weise Frauen von Hass im Netz
betroffen sind, wie sich alltäglicher Sexismus im Internet zeigt und
wo zum Schutz der Betroffenen Handlungsbedarf besteht. Das
Impulsreferat hielt die Vorsitzende des Ausschusses für
Gleichbehandlung Gabriele Heinisch-Hosek. Am Podium diskutierten im
Anschluss Caroline Kerschbaumer von der ZARA-Beratungsstelle gegen
Hass im Netz, Elisabeth Lechner, Vertreterin des
Frauenvolksbegehrens, Erza Aruqaj von der Plattform für Frauen The
Sorority sowie Barbara Buchegger von Safer Internet. Die Moderation
übernahm Judith Weissenböck (ORF).
Posch-Gruska: Hinschauen, wo Gewalt wirklich passiert und Betroffene
unterstützen
Um im Rahmen der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen ein Zeichen zu
setzen, nehme das Parlament heuer erstmals etwa auch an der
UN-Women-Aktion „Orange The World“ mit oranger Beleuchtung der
Gebäude teil, hob Bundesratspräsidentin Posch-Gruska zur Begrüßung
hervor. Auch den internationalen Tag der Menschenrechte am 10.
Dezember nehme das Hohe Haus als Anlass für eine Veranstaltung, um
Bewusstsein für diese wichtigen Themen zu schaffen. Besonders was
Gewalt gegen Frauen und Mädchen anbelangt, müsse die Gesellschaft
lernen, nicht wegzuschauen – sondern hinzuschauen, wo Gewalt wirklich
passiert und Betroffenen helfen, betonte die Bundesratspräsidentin.
Das sei in Form von Zivilcourage ebenso wichtig wie bei Gewalt im
eigenen Umfeld. Ein Anliegen ist ihr auch, dass Hilfe für Betroffene
nicht gekürzt wird, rief Posch-Gruska zugleich dazu auf,
entsprechende Initiativen zu unterstützen.
Heinisch-Hosek: Gegen Hass im Netz bestehen noch gesetzliche Lücken
Die Vorsitzende des Gleichbehandlungsausschusses des Nationalrats,
Gabriele Heinisch-Hosek, ging zu Beginn auf die Entwicklung des
Internet zum einen, auf die historische Entwicklung zum Tag gegen
Gewalt an Frauen am 25. November zum anderen ein. Die Dimension von
Hass in Netz zeige, dass die technische Entwicklung nicht nur Gutes
bringe, wobei sie umgekehrt auch Möglichkeiten schaffe, warf
Heinisch-Hosek auf. So entstand unter ihrer Ministerschaft neben der
Frauen-Helpline die Möglichkeit für Frauen, auch über das Netz Hilfe
und Beratung zu erhalten. Österreich sei etwa beispielhaft in der
Entwicklung hin zu einem Gewaltschutzgesetz 1997 gewesen, später
wurden Gewaltschutzzentren eingerichtet. Das Zusammenspiel an
Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene habe wirklich gut
funktioniert. Aus heutiger Sicht habe sich das aber leider verändert,
bedauerte Heinisch-Hosek, Gewalt an Frauen bis hin zu Ermordungen
durch den Partner hätten wieder einen Höchststand erreicht. Über 100
erforderliche Plätze in Einrichtungen würden außerdem erst im Jahr
2020 verhandelt werden. Der aktuelle Staatenbericht zur
Istanbul-Konvention besage zwar, Österreich sei gut unterwegs, es
fehle aber Geld im Opferschutz, die Täterarbeit hinke hinterher und
die Datenlage sei nicht ausreichend. Dass Fälle wie zum Hashtag
#Aufschrei und #meetoo zwar positiv gezeigt haben, dass Frauen sich
zu Zigtausenden im Netz dazu äußern, führe nicht an der Erkenntnis
vorbei, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist und gegen Hass
im Netz noch gesetzliche Lücken bestehen. Es sei an der Zeit, dass
sich alle Parteien diesem Thema widmen. An allen liege es auch, den
nächsten Schritt zu setzen, damit Gewalt gegen Frauen, Kinder, aber
auch gegen Männer als Betroffene hintangehalten wird.
Podiumsdiskussion: Von Silencing bis hin zur Krise als Chance
In der anschließenden Diskussion warf Caroline Kerschbaumer von der
ZARA-Beratungsstelle gegen Hass im Netz etwa auf, dass letzterer aus
ihrer Sicht eindeutig auf bestimmte Personen abziele, vor allem auf
Geflüchtete, MuslimInnen und eben Frauen. Gegen Frauen gehe es dabei
oft um „Silencing“, also selbige online zum Stillschweigen zu
bringen. Auch sexualisierte Gewalt ziele genau darauf ab. Eine
Klarnamenpflicht würde das Problem aus ihrer Sicht nicht beseitigen.
Es gebe da noch viel zu tun, so Kerschbaumer. Ein Faktor, um gegen
Hass im Netz vorzugehen, sei eine aktive Zivilgesellschaft. Ein
Problem sieht auch sie in der gesetzlichen Lage und sprach sich dafür
aus, den Schutz der menschlichen Würde in diesem Zusammenhang
rechtlich zu verankern. Es brauche jedenfalls entsprechende Umsetzung
durch die Politik, darüber hinaus aber auch die finanzielle
Unterstützung von Beratungsangeboten.
Dass Attacken im Netz zu einer Beeinträchtigung für Frauen führen
können, die eigene Meinung zu sagen, hob auch Erza Aruqaj von der
Plattform The Sorority hervor. Sorority hat ein Handbuch „No more
bullshit!“ mit Tipps herausgebracht, um Sexismus und Halbwahrheiten
im Netz entgegentreten zu können. Eher optimistisch sieht sie
ihrerseits die politischen Entwicklungen in Brüssel. Dort sei das
Internet nun auch angekommen und es gebe das Bemühen, Strategien zu
entwickeln. Ihr Plädoyer galt dem Ansatz, alle sollten genauer
hinschauen und online und offline Solidarität zeigen.
Online-Information und Vernetzung sieht Barbara Buchegger von Safer
Internet grundsätzlich als große Chance. Quellen bewerten zu können,
müsse aber gelehrt und geübt werden. Ihr zufolge haben Jugendliche
einen salopperen Umgangston im Online-Raum und können
Untergriffigkeiten entsprechend anders einschätzen als Erwachsene.
Dass Dinge aus dem Internet nicht mehr verschwinden, sei ihnen ebenso
bewusst, diese Fähigkeit brauchen Buchegger zufolge Menschen, um
vielleicht sogar aus der Krise eine Chance zu machen. Im Vergleich
würden Mädchen aber deutlich häufiger erleben, auf das Geschlecht
reduziert zu werden als der Durchschnitt der Jugendlichen. Außerdem
seien etwa bei veröffentlichten Nacktfotos sie diejenigen, die dann
die Schule verlassen, und nicht etwa der Exfreund, der die Bilder
herumschickt. Wie sich Geschlechterstereotypen online verstärken und
damit Rückschritte gemacht würden, ist für sie erschreckend, daran
seien auch Plattformen wie Instagram nicht ganz unschuldig. Buchegger
plädierte ebenso für mehr Zivilcourage, sprach sich aber auch für
bessere Vernetzung und für Solidarität auch entfernteren Kontakten
gegenüber aus. Nicht zuletzt brauche es digitale Grundbildung, dazu
gehöre auch die Bildung der Lehrenden bis hin zu den Eltern.
Die Kluft zwischen digital und real ist aus Sicht von Elisabeth
Lechner, Vertreterin des Frauenvolksbegehrens, dringend zu schließen.
Es brauche dazu vor allem Medienkompetenz und Bewusstsein, hier sei
noch viel zu tun. Aus öffentlichen Räumen gedrängt zu werden, habe
leider eine große Bandbreite und beginne bei einfachen Beleidigungen
oder „bodyshaming“. Wichtig aufzuzeigen sind ihr multiple
Diskriminierungen, wie sie vermehrt vorkommen. Es gehe umgekehrt aber
auch um eine Arbeit an neuen Männerbildern im Verhältnis zu
bestehenden patriarchalen Machtstrukturen. Lechner ortet auch eine
extreme Doppelmoral, was Promiskuitätsvorwürfe zumeist an Frauen
betrifft, auch wenn vor allem bei Jüngeren schon viele
Gegenbewegungen und viel Diversität wahrnehmbar sei. Von einem
freieren Geschlechterbild würden alle profitieren, so die Expertin.
Dazu brauche es aber auch ein entsprechendes institutionelles
Backing, Bildung sowie Ausbau statt Abbau staatlich finanzierter
Beratungsstellen und Kooperationen zwischen den Behörden und
Gewaltschutzzentren. (Schluss) mbu
HINWEIS: Fotos von dieser Podiumsdiskussion finden Sie im Anschluss
an die Veranstaltung auf der Website des Parlaments unter
www.parlament.gv.at/SERV/FOTO/ARCHIV .
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