TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: “Personalsorgen im Anti-Trump-Lager”, von Floo Weißmann

Ausgabe vom Freitag, 15. November 2019

Innsbruck (OTS) – US-Präsident Donald Trump muss trotz guter Konjunktur um eine zweite Amtszeit bangen. Doch seinen Gegnern mangelt es ein Jahr vor der Wahl an überzeugenden Anführern.

Keine drei Monate vor der ersten Abstimmung in den US-Vorwahlen wächst plötzlich das Bewerberfeld der Demokraten. Deval Patrick, zweifacher Gouverneur von Massachusetts und einer der prominentesten Afroamerikaner der Partei, machte sein Antreten gestern offiziell. Auch Michael Bloomberg, der milliardenschwere frühere Bürgermeister von New York, will es angeblich doch wissen. Beide hatten sich zu Beginn dieses Jahres noch gegen eine Bewerbung entschieden.
Die späten Neuzugänge widersprechen der bisherigen Lehre, wonach Bewerber monatelang Geld sammeln, eine Organisation aufbauen und ihren Namen in die Schlagzeilen bringen müssen. Dass Patrick und Bloomberg sich zumindest noch Außenseiterchancen ausrechnen, sagt viel über den Zustand ihrer Partei und den bisherigen Verlauf des Vorwahlkampfs.
Seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg sind alle Präsidenten wiedergewählt worden, unter denen die Wirtschaft nicht in eine Rezession schlitterte. Doch der Republikaner Donald Trump ist der Mehrheit der Amerikaner derart zuwider, dass er trotz solider Konjunktur scheitern könnte. Im Vorwahlkampf der Demokraten heißt das Schlüsselwort deshalb „electability“ – Wählbarkeit. Gemeint ist die Fähigkeit, im Hauptwahlkampf gegen einen Amtsinhaber zu bestehen, der sich von der Mühsal der Fakten befreit hat und allein an das Bauchgefühl seiner treuen Fangemeinde appelliert. Und genau daran mangelt es vielen Bewerbern der Demokraten.
Spitzenreiter Joe Biden hat bisher Souveränität und Dynamik vermissen lassen und an Unterstützung verloren. Für die Parteilinke und viele Junge ist der 76-Jährige ohnehin ein Mann von gestern. Zu ihm aufgeschlossen haben mit Elizabeth Warren und Bernie Sanders zwei Vertreter des linken Flügels. Ihre Programme gelten gerade in den umkämpften Swing States, die am Ende die Wahl entscheiden, als nicht mehrheitsfähig. In Teilen des Anti-Trump-Lagers wächst deshalb das Unbehagen gegenüber dem politischen Personal.
Schon 2016 haben die Demokraten den vermeintlich sicheren Wahlsieg gegen Trump durch eine umstrittene Kandidatin und strategische Fehler vermasselt. Wenn sich in den kommenden Monaten kein Bewerber herausschält, der die Gräben in der eigenen Partei überbrücken und in den Swing States punkten kann, dann droht die nächste Niederlage gegen Trump und sein politisches Minderheitenprogramm. Patrick und Bloomberg bieten sich den Demokraten nun als Retter an. Vorerst belegt das vor allem, dass die Partei ein Jahr vor der Wahl eher beklagenswert aufgestellt ist.

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