
TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel vom 27.November 2019 von Michael Sprenger – „Wenn auch noch das Geld fehlt“
Innsbruck (OTS) – Dass sich Pamela Rendi-Wagner den Parteivorsitz weiterhin antut, ist ihr hoch anzurechnen. Es gibt aber auch niemanden, der ihr nachfolgen will. Dies sollte die Parteichefin als Stärke begreifen – und sich von Einsagern emanzipieren.
Christian Kern hat mit seinem Rücktritt seine Partei in einem Durcheinandertal zurückgelassen. Doch, so freute er sich einst, konnte er noch die Weichen stellen, damit erstmals eine Frau den Vorsitz der SPÖ übernimmt. Dass diese Freude bei Pamela Rendi-Wagner anhaltend war, ist zu bezweifeln. Ausgestattet ohne Hausmacht und ohne machiavellistische Züge, versucht sie verzweifelt, der Partei Orientierung und Halt zu geben. Was sie von Anfang an hierfür gebraucht hätte, wurde ihr verwehrt: breite Unterstützung. Stattdessen lernte sie kennen, wie sich einzelne Genossen zwischen Innsbruck und Eisenstadt in Szene setzen – oder wie es einzelnen Gruppierungen in der Partei einzig und allein darum geht, Besitzstände zu verteidigen.
Dies änderte sich auch nicht, als die rechtskonservative Regierung grandios gescheitert war. Plötzlich musste Rendi-Wagner nicht nur eine Partei leiten, sondern auch noch Wahlkampf führen. In ihrer Not klammerte sie sich an die Vertrauten, die bis heute Werner Faymanns Sturz als einen großen Fehler erachten.
Es kam, was zu erwarten war. Die Partei konnte vom Ende der Regierung Sebastian Kurz I nicht profitieren. Das Gegenteil war der Fall. Die Roten stürzten ab.
Nach dem Debakel in der Steiermark, nach der anhaltenden Orientierungslosigkeit kommt jetzt auch das finanzielle Desaster hinzu. Ein Viertel des Personals wird nun gekündigt. Doch der teure Beratervertrag des früheren Faymann-Pressesprechers Nedeljko Bilalic wird nicht aufgelöst, sondern vorerst nur redimensioniert. Faymanns Vertrauter, Christian Deutsch, bleibt weiterhin Bundesgeschäftsführer. Nur zur Veranschaulichung: Bilalic sollte für eine neue Erzählung, wie es heute heißt, in der Partei sorgen. Deutsch wurde geholt, um den Wahlkampf zu managen. Weil er für das historisch schlechteste Wahlergebnis mitverantwortlich zeichnete, stieg er zum Parteimanager auf.
In der gestrigen Debatte zur Casinos-Affäre hatte Rendi-Wagner seherische Qualitäten. Sie formulierte zwar in Richtung FPÖ und ÖVP, meinte aber wohl auch zu sich selbst: „Verantwortung“, so sagte sie im Nationalrat, „heißt nicht nur, für sein Handeln verantwortlich zu sein, sondern auch für seine Unterlassungen.“
Es ist löblich, wenn die Medizinerin nicht aufgibt. Ihr müsste aber auch längst klar sein, dass jetzt niemand die Partei übernehmen will. Das sollte sie endlich als Stärke begreifen – und sich von Einsagern emanzipieren und handeln.
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