Leitartikel “Bröckelnde Tourismusgesinnung” vom 02.12.2019 von Alois Vahrner

Innsbruck (OTS) – Das Tourismusbewusstsein der Tirolerinnen und Tiroler ist laut der gestern präsentierten Studie noch immer respektabel. Trotzdem: Es gibt zunehmend Spannungen und auch Risse. Um diese zu kitten, ist auch der Tourismus stark gefordert.

Von Alois Vahrner
Dass der Tourismus und mit ihm die Seilbahnwirtschaft sehr wichtig für Tirol und den hiesigen Wohlstand sind, daran gibt es keinen Zweifel. Und den hat auch die Bevölkerung nicht, wie die 98 Prozent Zustimmung zu dieser Frage bei der landesweiten Umfrage des MCI zeigen. Etwa zwei Drittel des Wohlstands in Tirol kommen direkt und indirekt von Exporten der Industrie und von den durch den Tourismus ausgelösten Milliarden-Einnahmen.
Tirols Tourismus ist, sowohl im nationalen wie auch im internationalen Vergleich, eine große Erfolgsstory. Vor allem auch eine, die in früher bettelarmen Tälern Zukunft und Perspektiven gebracht und eine sonst unausweichliche Landflucht weitgehend verhindert hat.
Wo viel Licht ist, da ist meistens auch einiges an Schatten. Da wurde der Tourismus durchaus auch Opfer seines eigenen Erfolgs, wenn man etwa an die von ihm mitverursachte Verkehrsproblematik zumindest an den Wochenenden denkt. Tirol bezeichnet sich gerne als Tourismus-Weltmeister, jährlich mittlerweile etwa 50 Mio. Nächtigungen bringen nicht nur Vorteile, sondern auch etliche Belastungen.
Und die Touristiker haben auch Fehler gemacht, indem man zwar mit Millionenaufwand Werbung im Ausland betrieben hat, die mit dem Tourismus nicht direkt befassten Einheimischen aber links liegen gelassen hat. Eine Tirol Werbung nach innen fand kaum statt. Dazu kamen lange ignorierte Image-Probleme von Tourismusberufen – einiges scheint jetzt hier auch mit Blick auf die Nachwuchsprobleme in allen Branchen in Bewegung zu kommen.
Noch gibt es hier keinen Aufstand der Bereisten wie nach Overtourism-Auswüchsen teilweise schon in Venedig, Barcelona, Mallorca oder anderen überlaufenen touristischen Trampelpfaden. Alarmierend ist es aber schon, wenn bereits 18 Prozent der Tirolerinnen und Tiroler weniger Tourismus fordern und wenn bei großen Themen wie vor Jahren bei der Olympia-Abstimmung und jetzt beim Projekt Pitztal-Ötztal die Wogen hochgehen – und wenn so etwas wie ein Riss zwischen Tourismusregionen und einem nicht kleinen Anteil in tourismusferneren Orten und Städten besteht.
Tourismus und Seilbahnen, die heuer wieder über 700 Mio. Euro investiert haben, brauchen auch künftig sinnvolle Weiterentwicklung. Keine ständigen Rekordjagden, aber auch keine Käseglocke. Politik und Touristiker tun aber mehr als gut daran, Sorgen in der Bevölkerung ernster als bisher zu nehmen und darauf einzugehen, statt Scheuklappen aufzusetzen oder gar wie manche weiter zu polarisieren.

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