AsylwerberInnen in Lehre: Vier-Fraktionen-Einigung im Nationalrat

Rund 800 betroffene Asylwerbende dürfen Lehre in Österreich beenden, FPÖ lehnt Regelung ab

Wien (PK) – Um einen Aufschub der Abschiebung für Asylwerbende in Lehre zu erwirken, haben ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS heute im Nationalrat ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Einzig die FPÖ stimmte dagegen. Grundlage ist eine von der ÖVP vorgeschlagene Novelle des Fremdenpolizeigesetzes, die vorsieht, dass die Ausreiseverpflichtung im Fall einer amtlichen Rückkehrentscheidung bei AsylwerberInnen in Mangelberuf-Lehre erst nach Lehrabschluss zu laufen beginnt. Aktuell befinden sich rund 800 Asylwerbende in einem laufenden Lehrverhältnis.

Gelten sollte die Regelung ursprünglich nur für jene Lehrlinge, die bislang noch keinen negativen Asylbescheid erhalten und ihre Lehre vor 12. September 2018 begonnen haben. Mittels eines gemeinsamen Abänderungsantrags wurde allerdings sichergestellt, dass die Regelung auch für jene gilt, die aktuell Verfahren vor den Höchstgerichten führen und denen aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde sowie für jene, die aufgrund einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eine Lehre begonnen haben. Auch von der Stichtagsregelung wurde Abstand genommen – aus Gleichbehandlungsgründen. Festgelegt wurde nun, dass das Lehrverhältnis vor Inkrafttreten des Gesetzes begonnen haben muss.

Zur Debatte stand auch ein Antrag der NEOS zum selben Thema. Ihr Vorschlag zur Änderung des Asylgesetzes, um einen Aufenthaltstitel während des Lehrverhältnisses drei Mal verlängern zu können, fand ebenso keine Mehrheit wie ihr Entschließungsantrag zur Ausgliederung der Asylrechtsberatung aus der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen. Abgelehnt wurde auch ein SPÖ-Entschließungsantrag, um für die betroffenen Asylwerberinnen in Lehre eine Möglichkeit zur Erlangung der Rot-Weiß-Rot-Karte zu schaffen.

Die FPÖ machte am Rande der Debatte die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zum Thema. Ein entsprechender an die Bundesregierung gerichteter Entschließungsantrag, um sich auf EU-Ebene für den Abbruch der Verhandlungen auszusprechen, wurde mit Stimmenmehrheit angenommen.

Innenminister Peschorn ersucht Nationalrat um Schaffung gesetzlicher Klarheit in den Bereichen Asyl und Migration

Die Vier-Fraktionen-Einigung sei das Ergebnis eines außergewöhnlichen Prozesses, sagte Innenminister Wolfgang Peschorn. Immerhin habe man mit dem Rückgriff auf das Know-How der Beamtenschaft vorgezeigt, dass es eine produktive Zusammenarbeit zwischen Legislative und Exekutive geben kann. Es mache ihn stolz, dass das Innenministerium einen technischen Beitrag zum Gesetzesbeschluss leisten konnte. Der Minister versicherte den Abgeordneten zudem, dass die Gesetze, insbesondere die Menschenrechte, von den Behörden in Abschiebefällen bis zum letzten Moment geachtet werden. “Der Rechtsstaat bewährt sich nicht bei Schönwetter, sondern dann, wenn ein Unwetter heraufzieht” sagte Peschorn.

Grundsätzlich sei es an der Zeit, begriffliche und gesetzliche Klarheit zwischen Asyl und Migration zu schaffen und konkret zu bestimmen in welcher Form man in Österreich aufhältig sein kann, so Peschorn ferner. Er ersuchte den Nationalrat die Arbeitsmigration klar zu regeln und dies im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz genau darzustellen.

ÖVP: Künftig soll es keine Asylwerbenden in Lehre mehr geben

In den dem Beschluss vorangehenden fraktionsübergreifenden Gesprächen sei man bemüht gewesen, eine möglichst breite parlamentarische Mehrheit sicherzustellen, sagte ÖVP-Abgeordneter Karl Mahrer. Um Klarheit zu schaffen, habe man durch den Abänderungsantrag daher mehrere Präzisierungen eingeführt. Auch seien straffällig gewordene AsylwerberInnen vom Gesetz ausgenommen. Er betonte zudem, dass sich die Notwendigkeit der Regelung erst aufgrund des einstigen Erlasses des Sozialministeriums ergeben habe, der Asylwerbenden die Lehre zwischen 2012 und 2018 ermöglichte. Künftig soll es allerdings eine klare Trennung zwischen den Bereichen Asyl und Zuwanderung geben -somit auch keine AsylwerberInnen in Lehre mehr, so der ÖVP-Standpunkt.

Auch Fraktionskollege Karlheinz Kopf kritisierte, dass der Erlass seinerzeit für den Fall eines negativen Bescheids nicht zu Ende gedacht wurde, wenngleich es sich um eine menschlich und wirtschaftlich gute Lösung handelte. Es gelte nun vielmehr, das Augenmerk darauf zu legen, wie man mit den 30.000 beim AMS gemeldeten asylberechtigten Personen in Österreich umgeht. Diese Ansicht unterstützte ÖVP-Mandatar Karl Nehammer. Dass es Asylwerbenden heute nicht mehr möglich sei, eine Lehre in Österreich zu beginnen, sei gut so, sagte er. Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) erinnerte daran, eine Lösung auf EU-Ebene in Hinblick auf Fluchtursachen herbeizuführen, somit wären viele Diskussionen obsolet.

SPÖ für langfristige Chance am Arbeitsmarkt

Die SPÖ zeigte sich zwar erfreut über die Gesetzesabänderung zugunsten jener AsylwerberInnen, die gegenwärtig einen noch nicht rechtskräftigen negativen Asylbescheid erhalten haben, versteht den Beschluss aber nur als ersten Schritt eines Lösungsansatzes. Weil man für eine praxisorientierte Lösung zukünftige Fachkräfte in Österreich brauche, plädierten die SPÖ-Mandatare Josef Muchitsch und Reinhold Einwallner dafür, die Rot-Weiß-Rot-Karte neuzudenken und den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes anzupassen. Es sei nicht zielführend, im Inland ausgebildete und gut integrierte Fachkräfte nach Lehrabschluss abzuschieben. Auch Nurten Yılmaz und Klaus Köchl (beide SPÖ) sprachen sich dafür aus, arbeitswilligen jungen Menschen eine Chance am österreichischen Arbeitsmarkt zu geben.

Grüne erachten weitere Schritte für notwendig

Eigentlich hätten sich die Grünen eine Option gewünscht, die es den betroffenen Asylwerbenden ermöglicht, nach dem Abschluss ihrer Lehre in Österreich weiterzuarbeiten, da nun aber eine andere mehrheitliche Lösung gefunden werde, schließe man sich dieser gerne an, sagte Alma Zadić (Grüne). Sie brachte ihre Freude über den gemeinsamen politischen Willen zum Ausdruck, jungen Menschen eine Möglichkeit zu geben, Stellen zu besetzen, die sonst unbesetzt geblieben wären.

Der Politik der gesellschaftlichen Ausgrenzung und wirtschaftlichen Unvernunft habe man nun eine Absage erteilt, meinte die Grüne Mandatarin Ewa Ernst-Dziedzic. Trotzdem benötige es ihr zufolge weitere Schritte, um langfristig Rechtssicherheit zu schaffen und das Vertrauen in die Politik weiter zu stärken. Fraktionskollegin Faika El-Nagashi schlug vor, in den Blick zu nehmen wie man Chancen und Perspektiven der Integration schaffen kann, um etwa junge Personen künftig nicht in langen Asylverfahren hängen zu lassen. Sie forderte ein modernes humanitäres Bleiberecht inklusive Schutz vor Abschiebungen in Kriegsgebiete.

NEOS treten weiter für eigenen Lösungsvorschlag ein

Die NEOS bemängelten die Vier-Fraktionen-Einigung trotz ihrer Zustimmung. Laut Abgeordnetem Josef Schellhorn wäre diese “zähneknirschend” erfolgt. Er befürwortete allerdings die Kompromissfindung in enger Zusammenarbeit mit dem Innenministerium. NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper übte vor allem Kritik daran, dass Lehrlinge, deren Rückkehrentscheidung bereits rechtskräftig ist, weiterhin abgeschoben werden sollen. Dies bezeichnete sie als “Lotterie des Schicksals”, die in einem sehr komplexen Antrag zum Ausdruck komme. Asylwerbende in Lehre würden nun als “geduldete Illegale” gelten, ihr Aufenthalt aber nicht legalisiert, so ein weiterer Kritikpunkt. Ihr vorgeschlagenes “3+2”-Modell, wonach Asylwerbende im Anschluss an die dreijährige Ausbildung noch für zwei weitere Jahre das Recht erhalten, in Österreich im erlernten Beruf zu arbeiten, stünde weiterhin zur Debatte, untermauerte Krisper ihre Forderung für eine umfassendere Lösung.

FPÖ sieht individuelles Asylrecht umgangen

Die FPÖ-Fraktion lehnt die Initiative vehement ab und versteht die neue Regelung als eine Umgehung des individuellen Asylrechts und Enthebelung des Rechtsstaats. Hannes Amesbauer (FPÖ) bezeichnete die Debatte als unsachliche Farce. Vielmehr sollte es die Aufgabe der Politik sein, Lehrstellen für ÖsterreicherInnen zu finden, so der Mandatar. Die Abgeordneten Peter Wurm und Alois Kainz sehen in der Regelung den ersten Schritt zur Daueraufenthaltserlaubnis für Asylwerbende und befürchteten die Möglichkeit für Lohn- und Sozialdumping aufgrund des Zugangs zum freien Arbeitsmarkt. Dagmar Belakowitsch (ebenfalls FPÖ) sorgte sich nach dem “Öffnen der Büchse der Pandora” um Rechtswillkür. Laut FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl gleicht die Regelung einem “Fußtritt für den Rechtstaat, die Gerichtsbarkeit und die Beamten im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.” Mit dieser Lösung – “einer Schande für den Rechtsstaat” -würde man die Lehrlinge nur mehr schwer aus dem Land bekommen. Zu bedenken sei auch das Ausmaß des Familiennachzugs, meinte Kickl. (Fortsetzung Nationalrat) fan

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