Söder ist auch ein Getriebener / Trotz guter Noten für den bayerischen Ministerpräsidenten und seine Regierung stagniert die CSU bei 36 Prozent. Von Christine Schröpf

Regensburg (ots) – Markus Söders Schlagzahl bleibt auf höchstem Level. Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident schiebt in Berlin und München an, scheucht die Union aus der Komfortzone. Er ist dabei aber nicht nur Antreiber, sondern auch Getriebener. Die Nachbesetzung im bayerischen Kabinett, mit der er jetzt die Zahl der Frauen in der CSU-Ministerriege von vier auf fünf aufstockte, ist dabei die kleinste Fingerübung – verknüpft mit dem hoch erwünschten Nebeneffekt eines Signals an die weibliche Wählerschaft, der das Scheitern einer starken Frauenquote beim vergangenen CSU-Parteitag nach teils erbärmlich geführter Debatte in Erinnerung ist. Doch in der CSU geht es derzeit – wie in anderen Volksparteien – nicht nur um Details. Söder steht vor der Kernaufgabe, wie er ein weiteres Abbröckeln der CSU-Ergebnisse bei Wahlen stoppen kann. Der neue Bayerntrend des Bayerischen Rundfunks, in dem seine Partei bei 36 Prozent stagniert, muss ihn alarmieren. Obwohl Söders Ansehen wächst und die Arbeit der Regierung gut benotet wird, bleibt die CSU unter dem Wert der Landtagswahl.
Es ist offenkundig, dass es für Wähler selbstverständlich geworden ist, dass die Regierungsarbeit insgesamt reibungslos läuft. Wohltaten wie Behördenverlagerungen oder Tausende neue Studienplätze mit all den Milliarden an Kosten, lassen sich nicht automatisch in Stimmen ummünzen. Söder verhindert so nur ein weiteres Absacken der CSU. Das gilt auch für sein kluges Krisenmanagement, ohne das die CSU wohl unter 36 Prozent rangieren würde.
Keiner kann Söder nachsagen, dass er Unmut im Land nicht hellwach registriert und zügig entschärft. Bauern, Naturschützer und alle anderen Beschwerdeführer rennen in der Staatskanzlei offene Türen ein. Ähnlich, in manchen Punkten noch exzessiver, wird diese Form der Bürgernähe von Koalitionspartner Hubert Aiwanger betrieben. Bemerkenswerterweise gilt auch für die Freien Wähler, dass sie trotz aller Betriebsamkeit gleichfalls in Umfragen hinter dem Resultat der Landtagswahl bleiben. Bürger reizt derzeit mehr das Neue und Frische, das die Grünen verkörpern. Das wird mit Sicherheit auch bei der Kommunalwahl am 15. März durchschlagen. Zur Besonderheit der Grünen-Wähler zählt dabei, dass sie starke Parteitreue beweisen, unabhängig davon, wie stark der eigene Kandidat vor Ort ist. Ein bedingungsloses Urvertrauen, das früher auch die CSU in ihrer Klientel kannte. Doch das ist Vergangenheit.
So ist es deshalb nur ein Teil der Wahrheit, wenn Söder auf den Abwärtssog der großen Koalition in Berlin verweist, der die Ergebnisse in Bayern deckelt. Die Probleme sind vielschichtiger. Berlin bleibt für die CSU dennoch eine Großbaustelle. Drängendstes Problem: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, der im Mautdesaster wie ein Luftikus wirkt, den Ernst der Lage verkennt und mit schlechtem Krisenmanagement die Situation verschärft. Scheuer fehlt selbst in CSU-Kreisen jeder Rückhalt. Ein Austausch des Ministers wäre konsequent, doch Söder steckt im Dilemma. Er plant einen großen Wurf, würde gerne im gleichen Zuge auch auf anderen Posten neue Köpfe installieren, mit denen die CSU bei der nächsten Bundestagswahl Erfolgschancen hat. Horst Seehofer wird deshalb zum Bundesinnenminister auf Abruf – er hätte das wohl in seinen Zeiten als CSU-Chef nicht anders praktiziert. Söder käme gelegen, wenn er auch die Ressortverteilung im Bundeskabinett neu verhandeln könnte – Landwirtschaft und Forschung liegen ihm näher als Entwicklung und Verkehr. Vor diesem Hintergrund sind seine mehrfachen Appelle an CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer zum gemeinsamen Agieren zu verstehen. Zieht die Schwesterpartei bis zum Sommer nicht mit, startet er in Eigenregie. Ihn treibt die Angst, dass ohne Neuanfang die Grünen und nicht die Union nach der nächsten Bundestagswahl stärkste Kraft sind und damit auch die Gestaltungskraft der CSU schwindet.

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