Volksanwaltschaft: Kritik an Justizanstalten und Maßnahmenvollzug hält an

Debatte über Bericht zur präventiven Menschenrechtskontrolle 2019 im Volksanwaltschaftsausschuss

Wien (PK) – Vonseiten der Volksanwaltschaft gebe es an der Situation in den Justizanstalten bereits seit vielen Jahren Kritik, betonte heute Volksanwalt Werner Amon im Rahmen der Debatte des Volksanwaltschaftsausschusses über den zweiten Teil des Tätigkeitsberichts 2019, der sich mit der präventiven Menschrechtskontrolle befasst. Auf Fragen der Abgeordneten Gudrun Kugler (ÖVP) und Petra Bayr (SPÖ) erläuterte Amon die Kritikpunkte und führte auszugsweise Beispiele an, wie etwa Schimmelbefall in den Räumlichkeiten, mit Fäkalien beschmierte Zellen, schmutzige Leintücher, mangelnde Beleuchtung, nicht schließbare Fenster, notdürftig von den Hafträumen getrennte Sanitäranlagen und lange Einschließdauern. Hier gehe es nicht um Luxus, sondern um Mindeststandards und diese lassen in einigen Anstalten extrem zu wünschen übrig, unterstrich der Volksanwalt die Kritik. Im Bereich des Maßnahmenvollzugs seien diese Missstände besonders eklatant, da der Vollzug oft auf unbestimmte Zeit gelte, so der Volksanwalt. Für die Betreuung von Menschen mit Behinderungen fehlen in den Justizanstalten teils fachliche Expertise und einfachste Hilfsmittel. Hier bedürfe es ebenso mehr Ressourcen, genauso wie im Bereich der Drogentherapie.

Die Trennung von jugendlichen und älteren Straftätern sei gesetzlich vorgeschrieben, einzelne Anstalten argumentieren aber dagegen, da die Umsetzung mit baulichen Maßnahmen zusammenhänge, erfuhr Petra Bayr (SPÖ). Amon berichtete auch, dass die Zahl der Sprechtage in den Justizanstalten intensiv erhöht wurde, dabei 618 Beschwerden erfasst werden konnten und dass das Justizministerium angekündigt habe, auf die Situation zu reagieren.

Keine personellen Verbesserungen in Polizeianhaltezentren

Pessimistisch gab sich Volksanwalt Walter Rosenkranz, was die Polizeianhaltezentren anbelangt. Personalmangel führe zu langen Einschlusszeiten und einem Herunterfahren des offenen Vollzugs. Aus Budgetgründen habe es hier keine Zusage für Verbesserungen gegeben, wie Abgeordneter Reinhold Einwallner (SPÖ) erfuhr. Christian Lausch von den Freiheitlichen warf die Frage zu Suizidprävention auf und nahm auf den Bericht Bezug, laut dem das Innenministerium aus Datenschutzgründen keine Analysen erstellt habe. Volksanwalt Walter Rosenkranz erklärte, dass der Verweis auf den Datenschutz nicht nachvollziehbar sei, da es sich um anonymisierte Daten handle. Hier sei man mit dem Menschenrechtsbeirat einer Meinung und die Kritik bleibe somit aufrecht, erklärte Rosenkranz.

Georg Bürstmayr (Grüne) störte, dass viele der Missstände bereits seit vielen Jahren bekannt seien, aber keine Verbesserungen erfolgen würden und regte eine langfristige Beobachtung der Entwicklung an. Walter Rosenkranz berichtete, dass es seit vier Jahren eine Arbeitsgruppe im Innenministerium zu den Polizeianhaltezentren gebe. Ein Screening sei seit 2019 in Umsetzung und im Bericht erfasst, die Ergebnisse seien bis dato aber einschränkend zufriedenstellend, befand der Volksanwalt. Johannes Margreiter (NEOS) erkundigte sich über die Kommunikation mit den Behörden im Bereich der Zwangsakte. Ihn wundere, warum nur zwei Abschiebungen kontrolliert wurden. Walter Rosenkranz erklärte, dass man vorab informiert werde und auf Basis interner Maßstäbe entscheide diese zu kontrollieren. Die ExpertInnen der Kommission haben die speziell geschulten Teams des Innenministeriums als kompetent gewürdigt, erklärte Rosenkranz.

Forderung nach mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung

Die Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung sei in allen Einrichtungen ein Thema, erklärte Volksanwalt Achitz auf Anfragen von Heike Grebien (Grüne) und Sabine Schatz (SPÖ). Er verwies darauf, dass diese erst durch qualifiziertes und ausreichendes Personal möglich sei, um eine individuelle Betreuung zu gewährleisten. Die in der Debatte aufgeworfene Anregung der De-Institutionalisierung des Bereichs sehe er als langfristiges Projekt, welches aber zu befürworten sei.

Ulrike Fischer (Grüne) sprach die Volksanwälte auf das Problem der Polymedikation in Alters- und Pflegeheimen an. Achitz berichtete von den Erfahrungen aus dem Projekt GEMED, das Erfolge zeige, wenn die Medikation zwischen ÄrztInnen, ApothekerInnen und Pflegepersonal abgestimmt werde. Dazu sei eine umfassendere Dokumentation notwendig.

Kritik äußerte die Volksanwaltschaft am fehlenden Angebot der klinisch-psychologischen Behandlung. Rudolf Silvan (SPÖ) fragte nach Verbesserungsmöglichkeiten, da die Versorgung im niedergelassenen Bereich mangelhaft erscheine. Bernhard Achitz sieht die Lösung in einem bundesländerübergreifenden Konzept und Investitionen in den ambulanten und niedergelassenen Bereich.

Kritik an unterschiedlichen Regelungen für Kinder- und Jugendhilfe in den Bundesländern

Die unterschiedlichen Regelungen der Kinder- und Jugendhilfe in den Bundesländern gaben ebenfalls Anlass zu Kritik der Volksanwaltschaft. Gudrun Kugler (ÖVP), Petra Bayr (SPÖ), Edith Mühlberger (FPÖ) und Ulrike Fischer (Grüne) interessierten sich dafür, wie diese vermieden oder zum richtigen Zeitpunkt erfolgen könnte. Volksanwalt Achitz kritisierte die Kompetenzverschiebung in diesem Bereich vom Bund zu den Ländern, was zu unterschiedlichen Rechtslagen und Standards führe. Hier sehe er politischen Druck für eine einheitliche Regelung notwendig. In der Kinder- und Jugendhilfe seien aber fachliche Standards entwickelt worden, welche die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen ins Zentrum stellen. Im Bereich der Fremdunterbringung mangele es laut ExpertInnen an evidenzbasierten Analysen für Präventionskonzepte, bedauerte Achitz.

Corona-Krise führte zu freiheitsbeschränkenden Maßnahmen in Einrichtungen

Die Maßnahmen im Zuge der Corona-Krise haben in Alten- und Pflegeheimen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und in Bundesbetreuungsstellen zu freiheitsbeschränkenden Maßnahmen geführt und wurden deshalb von der Volksanwaltschaft genauer unter die Lupe genommen. Mandatarin Martina Diesner-Wais (ÖVP) erfuhr, dass die Kontrollbesuche der Volksanwaltschaft durch COVID-19 im Sinne der Risikovermeidung für die BewohnerInnen von Pflegeheimen stark eingeschränkt wurden. Als Lösung wurde ein Fragebogen entwickelt. Diese Art der standardisierten Überprüfung soll künftig zusätzlich zu den bewährten Kontrollen angewandt werden, erklärten die Volksanwälte. Im Bereich der Alten- und Pflegeheime hat die Volksanwaltschaft rasch auf die fehlende Rechtsgrundlage der Ausgangsverbote hingewiesen, informierte Volksanwalt Achitz in Richtung Sabine Schatz von der SPÖ. Die Besuchsverbote seien aber durch Verordnungen gedeckt gewesen, erklärte Achitz. Johannes Margreiter (NEOS) erfuhr, dass die Volksanwaltschaft im Hospizbereich das problematische Besuchsverbot von Sterbenden sehr schnell öffentlich gemacht habe. Hier scheine eine Sensibilisierung gelungen, berichtete Bernhard Achitz.

Walter Rosenkranz gab dem Ausschuss Auskunft, dass die Bundesbetreuungsstellen für AsylwerberInnen zweimal für jeweils zwei Wochen unter Quarantäne gestellt wurden. Insgesamt verzeichnete man 14 Infizierte und einen Todesfall, wobei eine schwere Vorerkrankung vorlag. In Traiskirchen wurde aufgrund einer Infektion ein zeitlich begrenztes Betretungsverbot ausgesprochen und die nicht genutzten Gebäude der Bundesbetreuungsstellen wurden vorsichtshalber hochgefahren, aber letztlich nicht genutzt, so Rosenkranz. Im Bereich der Polizeianhaltezentren wurden keine Infektionen verzeichnet und die Maßnahmen wurden laut Volksanwaltschaft mittlerweile wieder gelockert. (Schluss) gun

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