Das bisschen Aktie / Kommentar zum Geldvermögen der Deutschen von Jan Schrader

Frankfurt (ots) – Das “Stupid German Money”, das doof angelegte Geld aus Deutschland, entspreche einem unberechtigten Klischee, meint die Allianz. Vielmehr habe die Aktie wieder Konjunktur: Während anderswo in der Eurozone Privatleute unterm Strich Wertpapiervermögen auflösen, legen die deutschen Sparer Jahr für Jahr Milliarden an, wie der Versicherer zusammengetragen hat. Die Deutschen investieren dabei häufiger in ausländische Aktien und haben ihr Vermögen somit vorbildlich gestreut. Auch die Coronakrise sorgt wohl nur zeitweise für Verluste. Und doch schmälert der noch immer hohe Anteil der Bankeinlagen die Renditeaussichten und hält deutsche Privatleute im internationalen Vergleich zurück. Mit einem Pro-Kopf-Geldvermögen von netto 57.100 Euro steht die Bundesrepublik im internationalen Vergleich auf Rang 18. In den USA und in der Schweiz ist das Vermögen pro Kopf etwa dreieinhalb Mal so hoch, in Singapur, den Niederlanden, Taiwan und Schweden etwa doppelt so hoch, und auch Italien und Frankreich liegen vor der Bundesrepublik. Wie schön, dass die deutschen Sparer keine Deppen sind. Doch das bisschen Aktie reicht nicht aus, um die Lücke zu schließen.

Bedenklich ist der Befund, weil die Bundesrepublik in der Altersvorsorge absehbar in einen Engpass gerät: Die geburtenstarken Jahrgänge verabschieden sich in diesem Jahrzehnt nach und nach in den Ruhestand, die Geburtenrate in Deutschland ist im Vergleich zu anderen Industrienationen gering. Hinzu kommt, dass die Phase ausgeglichener öffentlicher Haushalte in der Coronakrise ein jähes Ende gefunden hat. Ob der politische Wille ausreicht, die Schuldenbremse wie anvisiert ab 2022 wieder einzuhalten, wird sich wohl erst nach der Bundestagswahl in einem Jahr zeigen. Ein Dreiklang aus öffentlichen Schulden, einer ungünstig verlaufenden Demografie und nur moderatem Geldvermögen wird in den kommenden Jahren jedenfalls ein Bremsklotz für Konjunktur und Wohlstand sein.

Der internationale Vergleich der Geldvermögen ist ein Warnruf. Noch bleibt Zeit, um zu reagieren. Eine Förderung der kapitalgedeckten Vorsorge sollte möglichst viele Menschen erreichen, kostengünstig sein und sich durch einen hohen Aktienanteil auszeichnen. Nach der Flexibilisierung der Betriebsrenten wären eine Reform der Riester-Rente, eine öffentlich organisierte Variante wie der AP7-Fonds in Schweden oder ein billiges Standardprodukt eine naheliegende Lösung. Wohlstandssicherung ist ein Projekt über Jahrzehnte. Nichts ist so doof wie ein Mangel an Vorsorge.

(Börsen-Zeitung, 24.09.2020)

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