TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: “Bildung ist Verschubmasse”, von Manfred Mitterwachauer

Ausgabe vom Donnerstag, 14. Jänner 2021

Innsbruck (OTS) – Mit der Verlängerung des Schul-Lockdowns muss Bildungsminister Heinz Faßmann (VP) einmal mehr regierungsintern klein beigeben. Der politische Eiertanz um die Schulöffnung wird dabei prolongiert – nachhaltige Exitszenarien fehlen.

Die Schulen sperren als Erstes auf! Wenn Eltern, Lehrer und Schüler auf eines zählen können, dann auf das: Bildungsminister Heinz Faßmann (VP) ist wieder einmal regierungsintern umgefallen. Sein mantraartiges Festhalten in den vergangenen Wochen am Restart des Präsenzunterrichts mit 18. Jänner entpuppte sich als Luftschloss. Nun soll es also der 25. Jänner sein. Doch auch hinter dieses Versprechen hat Faßmann gestern selbst ein großes Fragezeichen gestellt. Der Schulbereich entpuppt sich einmal mehr als das, was er seit Beginn des Corona-Abwehrkampfes ist: pure Verschubmasse auf Kosten einer Generation.
Das clustermäßige Auftauchen von Verdachtsfällen der britischen Virusmutation passt dem türkis-grünen Lockdown-Narrativ mehr als nur gut ins Konzept. Das ansteckendere „Briten-Virus“ muss jetzt dafür herhalten, dass die Bundesregierung offen über eine Fortführung des allgemeinen Lockdowns debattiert. Dabei wird nur allzu schnell vergessen, dass bereits weit früher mit Verweis auf die Infektionslage eine Verlängerung des Shutdowns angedacht wurde. Weil die Zahlen nicht wie erhofft derart schnell in den Keller gerasselt sind.
Faßmann hat sich mit der nunmehrigen Verlängerung des (digitalen) Distanzunterrichts eine Woche Luft verschafft. Mehr nicht. Ausgestanden ist der politische Eiertanz um die Schulöffnung noch lange nicht. Denn wie glaubhaft ist es, dass Österreichs Schulsystem so kurz vor Semesterende wieder hochfährt, wenn zeitgleich Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) eindringlich davor warnt, dass die kommenden Pandemie-Wochen zu den härtesten zählen werden, die das Land durchzustehen haben wird?
Und auch wenn noch Ende Jänner ein schulischer Schichtbetrieb in die Gänge kommen sollte: Nach wie vor fehlen nachhaltige Exitszenarien aus diesem Auf-zu-Sesseltanz. Der Schul-Lockdown hat die Bildungsschere noch weiter aufgehen lassen. Das ist Fakt. In Planung befindliche pädagogische Betreuungsmaßnahmen in den Semester-und womöglich auch Osterferien sind nett und notwendig – werden aber kaum ausreichen, um die aufgerissenen Bildungslücken zu schließen. Es sind außergewöhnliche Zeiten, die unkonventioneller Denkansätze und Lösungen bedürfen. Stattdessen werden in Österreich Debatten über eine Verkürzung der Sommerferien oder die (freiwillige) Wiederholung des heurigen Schuljahrs bereits im Keim erstickt. Auch so kann man einen drohenden bildungspolitischen Kollateralschaden befeuern.

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