Corona-Krise: Notstandshilfe wird bis Ende Juni auf Höhe des Arbeitslosengeldes aufgestockt

Sozialausschuss gibt grünes Licht für Koalitioninitiative, Oppositionsanträge abgelehnt bzw. vertagt

Wien (PK) – Bereits zwischen Mitte März 2020 und März 2021 haben NotstandshilfebezieherInnen Leistungen in Höhe des Arbeitslosengeldes bekommen. Damit wollte die Politik Härten für arbeitslose Menschen abmildern, die aufgrund der schwierigen Lage am Arbeitsmarkt infolge der Corona-Krise keinen neuen Arbeitsplatz finden. Nun wird diese Maßnahme ein weiteres Mal, rückwirkend ab 1. April, um drei Monate verlängert. Der Sozialausschuss des Nationalrats stimmte heute mit breiter Mehrheit einem entsprechenden Gesetzesantrag der Koalitionsparteien zu. Eine weitergehende Initiative der SPÖ fand hingegen keine Mehrheit, die Beratungen darüber wurden vertagt. Kritik an den pauschal erhöhten Leistungen kommt von den NEOS: Sie sehen nicht ein, dass die Aufstockung auch jenen Personen zugutekommt, die bereits zu Beginn der Corona-Krise jahrelang arbeitslos gewesen waren.

Befasst hat sich der Sozialausschuss heute außerdem mit einer Reihe weiterer Oppositionsanträge zum Thema Arbeit, wobei keiner der Vorstöße von Erfolg gekrönt war. Unter anderem ging es dabei um eine generelle Reform des Arbeitslosengeldes, Nachbesserungen bei der Sonderbetreuungszeit, eine Verdoppelung der Kinderbeihilfe für Kinder bis zum 14. Lebensjahr in Monaten mit Schul- und Kindergartenschließungen, die Kontrollen der Arbeitsinspektion bei der Hygiene Austria und Lehrabbrüche. Zudem fordert eine Bürgerinitiative einheitliche Nachtgutstunden für PflegerInnen.

Breite Zustimmung zur Aufstockung der Notstandshilfe

Um die Notstandshilfe weiterhin auf die Höhe des Arbeitslosengeldes aufzustocken, ist eine Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes notwendig. Der Antrag der Koalitionsparteien (1477/A) sieht vor, die bis Ende März geltende Regelung auf die Monate April, Mai und Juni auszudehnen. Die Maßnahme sei ein wesentlicher Schritt, um Armutsgefährdung zumindest etwas zu reduzieren, betonte Markus Koza (Grüne). Auch Rebecca Kirchbaumer (ÖVP) bezeichnete die fortgesetzte Aufstockung bis Juni als wichtig.

Zustimmung zur Initiative kam auch von SPÖ und FPÖ. So wies SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch auf einen SPÖ-Antrag (1436/A) mit gleichem Inhalt hin, der bereits seit längerem im Ausschuss liegt. Er bedauerte allerdings, dass der weitergehenden Forderung der SPÖ, Arbeitsminister Martin Kocher per Verordnungsermächtigung das Recht einzuräumen, die Aufstockung im Bedarfsfall bis Ende 2021 zu verlängern, nicht Rechnung getragen wurde. Es sei ihm unverständlich, warum die Regierungsparteien dem Arbeitsminister nicht dieses Vertrauen entgegenbringen, seine Partei hätte ihm dieses gerne gegeben, sagte Muchitsch.

Arbeitslosigkeit: Arbeitsminister Kocher erwartet Entspannung der Lage im Sommer

Der SPÖ-Antrag wurde allerdings mit der Begründung vertagt, dass man die Situation im Juni neu bewerten müsse. Sollte eine neuerliche Verlängerung der Maßnahme nötig sein, werde man darüber beraten, versicherte Grünen-Sozialsprecher Koza. Das sieht auch Arbeitsminister Martin Kocher ähnlich. Solange es großflächige Schließungen und damit verminderte Jobchancen gebe, sei es richtig und notwendig, die Notstandshilfe aufzustocken, hielt er fest. Er ist allerdings zuversichtlich, dass die Situation im Juni eine andere sein wird und die Arbeitslosigkeit deutlich zurückgeht, sobald Handel und Tourismus wieder vollständig öffnen können.

Seitens der FPÖ gab Abgeordnete Dagmar Belakowitsch zu bedenken, dass viele Menschen, die zu Beginn der Corona-Krise ihren Job verloren haben, mittlerweile schon sehr lange mit sehr wenig Geld auskommen müssten. Angesichts der Lage am Arbeitsmarkt seien sie auch jetzt kaum vermittelbar. Der Staat habe Verantwortung ihnen gegenüber, betonte Belakowitsch, es könne nicht im Sinne der Gesellschaft sein, dass sie in die Armut rutschen und die Gesellschaft immer weiter auseinanderdrifte.

Ein schon im Juni vergangenen Jahres eingebrachter Antrag der FPÖ (651/A(E)), der auf eine beschleunigte Auszahlung der erhöhten Notstandshilfeleistungen abzielte, wurde abgelehnt. Das Problem habe sich mittlerweile erledigt, zudem könne man nicht Gelder vor Inkrafttreten der gesetzlichen Grundlage auszahlen, sagte dazu ÖVP-Abgeordneter Klaus Fürlinger.

NEOS für Reform des Arbeitslosengeldes und schrittweisen Ausstieg aus der Corona-Kurzarbeit

Abgelehnt wurde die Initiative von NEOS-Abgeordnetem Gerald Loacker. Es sei zielführend, die Notstandshilfe für Menschen zu erhöhen, die keine Chance auf einen Job haben, weil die Regierung manche Branchen unnötig lange geschlossen halte, meinte er, wandte sich aber gleichzeitig gegen eine “undifferenzierte Vorgangsweise”. Schließlich würden auch Menschen, die schon seit fünf Jahren – ohne Kausalzusammenhang mit der Corona-Krise – Notstandshilfe beziehen, von der Aufstockung profitieren. Dem hielt Arbeitsminister Martin Kocher entgegen, dass auch Personen, die schon seit längerem Notstandshilfe beziehen, derzeit große Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden.

Loacker warb zudem für zwei Initiativen seiner Fraktion, die allerdings auf die Wartebank geschickt wurden. Zum einen geht es ihm um eine generelle Reform des Arbeitslosengeldes mit dem Ziel, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe zusammenzuführen und die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mit Dauer der Arbeitslosigkeit, bei höheren Leistungen am Anfang, kontinuierlich zu reduzieren und zeitlich zu begrenzen (1428/A(E)). Man müsse das nicht von heute auf morgen während der Krise einführen, man sollte aber über ein solches Modell nachdenken, betonte er im Ausschuss.

Bei den Grünen stießen die NEOS mit dieser Forderung allerdings auf wenig Gegenliebe. Eine Abschaffung der Notstandshilfe komme für seine Partei nicht in Frage, bekräftigte Koza. Es gebe “überhaupt keinen Grund”, einen Gedanken an deren Abschaffung zu verschwenden. Die Notstandshilfe habe sich gerade in der Corona-Krise bewährt und sich als “hervorragendes Mittel” erwiesen, um die Kaufkraft der Haushalte zu sichern.

ÖVP-Abgeordneter Klaus Fürlinger wertete es als falschen Augenblick, Debatten über eine Reform des Arbeitslosengeldes zu führen, wiewohl das Vorhaben im Regierungsprogramm stehe. Das würde die Menschen in der jetzigen Situation nur verunsichern, meinte er. Ständig sinkende Leistungen sind außerdem auch für ihn keine Option. Man könne einen über 55-jährigen Langzeitarbeitslosen “nicht verhungern lassen”, nur weil er keinen Job finde.

Zweites Anliegen ist den NEOS ein schrittweiser Ausstieg aus der Kurzarbeit (1339/A(E)). Nach Meinung von Loacker drohen langfristig Verwerfungen am Arbeitsmarkt und eine Behinderung des Strukturwandels, wenn man nicht bald Alternativen zum ursprünglich sinnvollen Corona-Kurzarbeitsmodell entwickelt. Hier wies Laurenz Pöttinger (ÖVP) auf laufende Gespräche zwischen den Sozialpartnern hin.

SPÖ-Abgeordneter Michael Seemayer hielt zum Antrag fest, solange es wirtschaftlich notwendig sei, solle es die Möglichkeit geben, Kurzarbeit zu machen. Eine Diskussion über die Abschaffung des Modells führt seiner Ansicht nach lediglich zu einer Verunsicherung der Betriebe. Das könnte dazu führen, dass MitarbeiterInnen verstärkt beim AMS zur Kündigung angemeldet würden.

Schulschließungen: SPÖ fordert erweiterten Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit, FPÖ will Kinderbeihilfe verdoppeln

Neuerlich Thema im Ausschuss war auch die Sonderbetreuungszeit, die ArbeitnehmerInnen in Anspruch nehmen können, wenn sie aufgrund von coronabedingt geschlossenen Schulen oder Kindergärten ihre minderjährigen Kinder zu Hause betreuen müssen. Geht es nach der SPÖ, soll es auch dann einen Rechtsanspruch auf dieses Instrument geben, wenn Schulen keinen Regelunterricht, sondern lediglich Betreuung anbieten. Es brauche Rechtssicherheit für Väter und Mütter, argumentierte Gabriele Heinisch-Hosek.

Ein entsprechender Antrag (1164/A) wurde vom Ausschuss jedoch erneut vertagt. Es stimme nicht, dass Kinder, die bestehende Betreuungsangebote nutzen, nichts lernen würden, hielt Barbara Neßler (Grüne) Heinisch-Hosek entgegen. Zudem gebe es die Möglichkeit der freiwilligen Sonderbetreuungszeit.

Laut Arbeitsminister Martin Kocher wurde in Phase 1 Sonderbetreuungszeit zu 66% von Frauen und zu 34% von Männern in Anspruch genommen. In späteren Phasen ist die Männerbeteiligung demnach auf rund 25% zurückgegangen.

Ebenfalls von den Koalitionsparteien vertagt wurde ein Entschließungsantrag der FPÖ (786/A(E)), der darauf hinausläuft, die Familienbeihilfe für Kinder bis zum 14. Lebensjahr in jenen Monaten zu verdoppeln, in denen Betreuungseinrichtungen wie Schulen, Kindergärten oder Horte coronabedingt geschlossen waren bzw. sind. Nach Meinung von Edith Mühlberghuber wäre das gerade für Familien mit wenig oder gar keinem Einkommen eine große finanzielle Hilfe. Grün-Abgeordnete Neßler hielt dazu fest, dass über einen ähnlichen Antrag sehr lange im Familienausschuss diskutiert wurde. Sie sprach sich dafür aus, generell über die Höhe von Familienleistungen zu diskutieren, wenn die neue Kinderkostenstudie am Tisch liegt.

Pflege: Bürgerinitiative urgiert “Nachtgutstunden” für alle ArbeitnehmerInnen

Im Ausschuss zur Diskussion stand auch eine Bürgerinitiative (14/BI). Den UnterzeichnerInnen geht es darum, alle ArbeitnehmerInnen, die in Pflegeeinrichtungen Nachtarbeit verrichten, gleichzustellen. Die bisherige Regelung, wonach nur das Personal von Pflegestationen in Pflegeheimen einen Zeitausgleich von zwei Stunden für die geleistete Nachtschwerarbeit erhält, habe sich als nicht praxistauglich erwiesen, argumentieren die UnterzeichnerInnen und verweisen auf die erschwerten Arbeitsbedingungen.

Hinter das Anliegen stellten sich sowohl SPÖ-Abgeordneter Christian Drobits als auch Grün-Abgeordnete Bedrana Ribo. Es sei wichtig, Pflegkräfte in der Corona-Krise nicht nur zu beklatschen, sondern auch Maßnahmen für sie zu setzen, sagte Drobits. Es brauche eine Änderung des seit 1992 geltenden Nachtschwerarbeitsgesetzes, um adäquate Arbeitsbedingungen sicherzustellen und die Gesundheit der Pflegekräfte zu schützen. Ribo kündigte an, dass man sich die Forderung im Zuge der Pflegereform anschauen werde, wobei sie namens ihrer Fraktion betonte, diese voll zu unterstützen.

“Hygiene Austria”: FPÖ pocht auf Bericht von Arbeitsminister Kocher

Bereits in der letzten Sitzung des Sozialausschusses hat die FPÖ einen umfassenden Bericht von Arbeitsminister Martin Kocher betreffend die beim Unternehmen “Hygiene Austria” durchgeführten Kontrollen des Arbeitsinspektorats eingemahnt. Sie hegt den Verdacht, dass es hier Interventionen gegeben hat und sich das Ministerbüro und das Generalsekretariat massiv in die Causa eingeschaltet haben. Auch ein neuerlicher Vorstoß der FPÖ zeitigte allerdings keinen Erfolg:
der von Abgeordneter Belakowitsch vorgelegte Entschließungsantrag (1438/A(E)) wurde vertagt.

In der Debatte plädierte Klaus Fürlinger (ÖVP) dafür, RessortmitarbeiterInnen aus der Debatte herauszuhalten. Auch hält er wenig davon, einem Privatunternehmen etwaiges kriminelles Vorgehen zu unterstellen, wenn man derzeit noch nicht einmal wisse, was Sache sei.

Dem hielt Dagmar Belakowitsch entgegen, dass sowohl Bundeskanzler Sebastian Kurz als auch Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher dem Unternehmen anlässlich der Eröffnung einen Besuch abgestattet und dieses mit Lob überhäuft hätten. Insofern sieht sie sehr wohl eine politische Dimension. Würde man die Kommunikation in dieser Causa öffentlich machen, würde man sehen, ob es Interventionen von Seiten der Politik gegeben habe oder nicht.

Josef Muchitsch (SPÖ) nutzte die Debatte dazu, um sich für eine Beibehaltung des Kumulationsprinzips bei Verwaltungsstrafen stark zu machen. Wenn eine Firma hunderte Arbeiter “ausbeutet”, müsse sie auch hunderte Mal Strafe zahlen, bekräftigte er. Anderes sei nicht zielführend. Zudem plädierte Muchitsch dafür, der Arbeitsinspektion nicht Aufgaben zuzuschreiben, die andere Behörden wie die Finanzpolizei zu leisten hätten.

NEOS wollen hohe Zahl von Lehrabbrüchen unter die Lupe nehmen

Schließlich lehnte der Ausschuss einen Entschließungsantrag der NEOS (1000/A(E)) ab, der darauf abzielt, die hohe Zahl an Lehrabbrüchen genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Bundesregierung solle einen umfassenden Analysebericht vorlegen und Maßnahmen ausarbeiten, um dieser Entwicklung entgegenzutreten, lautet die Forderung. Laut Loacker wurden im Jahr 2019 16% der Lehrverhältnisse gelöst, wobei vor allem die Tourismus- und Freizeitbranche mit 30% eine überdurchschnittliche Quote aufweist und die Lehrabbrüche im ersten Lehrjahr besonders hoch sind, wie aus einer Anfragebeantwortung hervorgeht.

Unterstützt wurde der Antrag von SPÖ und FPÖ. Es spreche nichts dagegen, die Situation genauer zu analysieren, sagte SPÖ-Sozialsprecher Muchitsch. FPÖ-Sozialsprecherin Belakowitsch gab zu bedenken, dass jene, die eine Lehre abbrechen und keine andere Berufsausbildung abschließen, die Arbeitslosen von morgen seien.

Joachim Schnabel (ÖVP) begründete die Ablehnung des Antrags damit, dass es einen 250 Seiten starken Bericht des Wirtschaftsministeriums gebe, in dem auch das Thema Lehrabbruch umfassend analysiert und ausgewertet werde. Eine weitere Evaluierung mache keinen Sinn, vielmehr sei es wesentlich, dass man “ins Tun” komme. Wobei ihm zufolge die Ausbildungspflicht zu wirken beginnt: Zuletzt habe es wieder mehr Lehrlinge im Verhältnis zu den Jahrgangszahlen gegeben. Schnabel machte überdies darauf aufmerksam, dass, wenn ein Lehrling von einer Überbetrieblichen Ausbildungsstätte (ÜBAS) in einen Betrieb wechselt, dies als Lehrabbruch gezählt wird. (Fortsetzung Sozialausschuss) gs

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