Schulimpfungen jetzt nachholen!

Enge Zusammenarbeit zwischen Schulen, Impfstellen und Arztordinationen notwendig

Wien (OTS) – In den letzten 1,5 Jahren gab es praktisch nur einen Fokus im Gesundheitsbereich: Die COVID-19-Pandemie. Damit einhergehend ist auch das Thema Impfungen so intensiv wie noch nie diskutiert worden. Das gilt allerdings nicht für die Routine-Impfungen, die in der gesamten Debatte nicht einmal eine Nebenrolle spielen. Das muss sich dringend ändern, speziell bei Impfungen im Pflichtschulalter (4-fach-Impfung gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Kinderlähmung sowie Impfungen gegen Hepatitis B, HPV und Meningokokken ACWY), von denen in dieser Zeit ein großer Teil entfallen ist. Werden diese nicht rasch nachgeholt beziehungsweise der Regelbetrieb bei den entsprechenden Jahrgängen wiederhergestellt, drohen nicht nur das Wiederaufflammen manch fast vergessener Krankheit, sondern auch langfristige Folgeschäden. Kurzfristig kann dies nur durch eine gute Zusammenarbeit zwischen Schulen, Impfstellen und Ärzt*innen gelingen, langfristig braucht es eine zentrale Steuerung mittels e-Impfpass inklusive Anbindung an die elektronische Gesundheitsakte.

Internationale Warnungen

„WHO, UNICEF und GAVI haben bereits darauf aufmerksam gemacht, dass aufgrund des Aussetzens von Impfkampagnen während der Pandemie mindestens 80 Millionen Kinder unter einem Jahr Gefahr laufen, Krankheiten wie Diphtherie, Masern oder Polio zu erleiden[1]“, berichtet Mag.a Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH). Der Grund sei einfach: Im Fokus der Aufmerksamkeit war ausschließlich COVID-19 – egal ob von Regierungen, Behörden, Medienvertreter*innen, Gesundheitspersonal, Laien oder exponierter Bevölkerung. Daraus resultierend seien unter anderem Routineimpfungen teilweise ausgesetzt, Schulen geschlossen und Impfstoffe weder bestellt noch verabreicht worden.

Viele ausgefallene Impfungen im Pflichtschulalter

„In den Monaten Februar bis November 2020 wurden nur 70 % der Impfstoffe für die Vierfachimpfung (Diphtherie-Tetanus-Keuchhusten-Polio), 39 % der Meningokokken-ACWY-Impfstoffe, 45 % der HPV-Impfstoffe und 40 % der Hepatitis-Impfstoffe aus dem Gratis-Kinderimpfkonzept abgerufen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, Kinderarzt und Mitglied des Nationalen Impfgremiums. „Nach allem was wir wissen, scheint es bisher auch nicht so zu sein, dass die versäumten Impfungen bei niedergelassenen Ärzt*innen nachgeholt worden wären“, so Zwiauer weiter.

„Diese Problematik muss man auch vor dem Hintergrund der derzeit steigenden Corona-Infektionen vor allem bei jüngeren Menschen betrachten,“ ergänzt ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, PhD, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. „Seit Schul- und Herbstbeginn ist eine weitere Verschärfung der Corona-Situation eingetreten. Für Kinder unter zwölf Jahren gibt es noch keine zugelassene Schutzimpfung. Um Mehrfacherkrankungen der Kinder im Schulpflichtalter zu verhindern, muss alles darangesetzt werden, die im österreichischen Impfplan vorgegebenen Schutzimpfungen so rasch wie möglich nachzuholen beziehungsweise die laufenden Jahrgänge wie vorgesehen konsequent zu impfen.“

Versäumte Impfungen nachholen

„Während die Kleinkindimpfungen durch Catch-up-Programme praktisch wieder aufgeholt wurden, gibt es bei den Impfungen im Pflichtschulalter noch großen Nachholbedarf“, erklärt Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). „Und auch keinen einheitlichen Plan, wie diese so schnell wie möglich durchgeführt werden können. Da Impfen in Österreich Ländersache ist, setzt hier jedes Land andere Schritte. Wichtig wären eine Erfassung der fehlenden Impfungen pro Kind/Klasse und das schnellstmögliche Nachholen dieser Impfungen. Der* die Schulärzt*in könnte beispielsweise die fehlenden Impfungen dokumentieren und darüber informieren, wo sie aktuell durchgeführt werden können. Das kann im betreffenden Bundesland er* sie selbst sein, ein*e Amtsärzt*in, eine öffentliche Impfstelle oder ein*e niedergelassene*r Kinderärzt*in beziehungsweise ein*e Hausärzt*in. Am einfachsten wäre dann, die Impfungen in der Schule nachzuholen.“

Auch die Eltern seien gefordert, den Impfstatus ihrer Kinder im Auge zu behalten und gemeinsam mit Kinderärzt*innen und Hausärzt*innen etwaige verpasste Impfungen zu identifizieren und nachzuholen, betont Szekeres. „Das ist gerade jetzt besonders wichtig, ergänzt Zwiauer: „Das Immunsystem aller hat aufgrund der Pandemie und der Hygienemaßnahmen 1,5 Jahre lang so gut wie nichts gelernt. Krankheitskeime finden nun praktisch ein Pool an Personen vor, die nur schlecht dagegen geschützt sind. Wird dies nicht durch entsprechende Impfungen kompensiert, besteht die Gefahr, dass nach dem Zurückfahren der COVID-19-Hygienemaßnahmen viele Krankheiten wie Influenza, Masern oder Keuchhusten häufiger auftreten werden als zuvor.“

Aufmerksamkeit nützen

„Positiv ist, dass das Wissen und die Aufmerksamkeit gegenüber Impfstoffen und Impfungen durch die COVID-19-Pandemie gestiegen ist“, berichtet Gallo-Daniel und ergänzt: „Wir sollten diese Aufmerksamkeit nützen, um den Kindern und Jugendlichen in den Schulen die wichtigen HPV-, Meningokokken- und die diversen Boosterimpfungen so schnell wie möglich anzubieten. Impfungen schützen vor schweren Krankheiten, retten Leben und bewahren uns vor langfristigen Schäden. Viel mehr Menschen als vor der Pandemie wissen jetzt, was für ein kostbares und knappes Gut Impfstoffe sind. Wir sollten diese Chance ergreifen und alles dafür tun, um die Durchimpfungsraten bei Routineimpfungen zu steigern.“

Langfristig Vereinheitlichung des Impfwesens notwendig

Nach dem Aufholen der versäumten Impfungen braucht es aber auch eine Strategie für die Zukunft. ÖGKJ-Generalsekretär Kerbl wünscht sich dafür eine Vereinheitlichung des Impfwesens. „Dazu braucht es eine zentrale Steuerung über den e-Impfpass inklusive Anbindung an ELGA“, so Kerbl. Derzeit seien alle Impfungen – auch für Erwachsene (mit Ausnahme von COVID) – nur in Papierform dokumentiert. Darüber sei keine allgemeine Steuerung möglich. Der nächste Schritt müsse also sein, alle Impfungen zentral elektronisch zu erfassen. Er stellt klar: „Wichtig ist, dass jedes Kind in Österreich den gleich guten Zugang zu Impfungen auch im Schulalter hat.“

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[1] WHO (2020). Guiding principles for immunization activities during the COVID-19 pandemic: interim guidance, 26 March 2020.
https://apps.who.int/iris/handle/10665/331590. Zuletzt abgerufen im
Juni 2021

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