Budgetanalyse: Wo bleiben die Strukturreformen?

Wien (OTS) – Mitten in einer der schlimmsten politischen Krisen seit Jahren stellt Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) sein zweites Budget vor. Der Titel, unter dem die Zahlen für den Haushalt 2022 präsentiert wurden, soll für Ruhe sorgen: „Aufschwung, Stabilität, Nachhaltigkeit“. Aber trifft das auch zu, wenn man das Budget isoliert betrachtet?

[Die „Budgetanalyse: Wo bleiben die Strukturreformen?“ der Agenda Austria gibt es hier zum Nachlesen.]
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Die Ergebnisse im Schnelldurchlauf:

* Erfreulich ist, dass die Bundesregierung mitten in dieser ausklingenden Krise eine Entlastung der Arbeitnehmer vornimmt und damit die Kaufkraft der Bürger stärkt.* Weniger erfreulich ist, dass diese Entlastung nicht nachhaltig ist. Weil die Bundesregierung die kalte Progression nicht abschafft. Im Wettlauf gegen die Inflation sind die Steuerzahler chancenlos.* Wer Kinder hat, profitiert vom höheren Familienbonus. Wer keine Kinder hat, wird netto nicht entlastet. Sondern zahlt „weniger mehr“. Für Kinderlose sind die aufgelaufenen Kosten der kalten Progression höher als die Entlastungen durch den Staat.* Der gesamte Budgetplan steht unter dem Prinzip Hoffnung. Gebaut wird vor allem auf ein anhaltend starkes Wirtschaftswachstum. Doch was, wenn sich das Wachstum nicht an die Pläne des Staates hält?* Um für diesen Fall vorzusorgen, müsste der Finanzplan von strukturellen Reformen begleitet werden. Allen voran müsste das Finanzierungsloch im Pensionssystem verringert werden. Das genaue Gegenteil passiert. Durch außertourliche Pensionserhöhungen wird die finanzielle Lage verschlimmert.

* Auch im kommenden Jahr wird wieder mehr Geld für die Ruhegehälter ehemaliger Beamter ausgegeben, als der Bund über die Bildung in die Zukunft unserer Kinder investiert. Das ist weder nachhaltig noch zukunftsorientiert.

Von 2021 bis inklusive 2025 wird die Regierung fast 56 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen, wobei allein 30,7 Milliarden Euro auf das Jahr 2021 entfallen. Auch 2022 steht laut Budgetplan ein Minus von fast 13 Milliarden Euro im Bundeshaushalt – und das, obwohl dem Bund Rekordeinnahmen ins Haus stehen und 2022 fast alle Sektoren der Wirtschaft die Corona-Krise hinter sich gelassen haben werden. Die längst gezündete Ausgabenrakete hinterlässt ihre Spuren. Das Sparen wird hingegen an die kommenden Generationen delegiert.

Erfreulicherweise wird die Regierung aber auch Entlastungen vornehmen. Die „ökosoziale“ Steuerreform sieht für die Jahre 2022 bis 2025 eine Gesamtentlastung von kumuliert 18,6 Milliarden Euro vor. Zwei Steuerstufen werden gesenkt: Das zu versteuernde Einkommen zwischen 18.000 und 31.000 Euro wurden bisher mit 35 Prozent besteuert, ab kommendem Juli werden es 30 Prozent sein. Und Einkommen zwischen 31.000 und 60.000 Euro werden ab 1. Juli 2023 nicht mehr mit 42, sondern mit 40 Prozent besteuert. Zudem wird der Familienbonus ab Juli 2022 von 1500 Euro je Kind auf 2000 Euro erhöht.

Gut für die Regierung, aber schlecht für die Bevölkerung: Bereits im Jahr 2024 werden große Teil der Tarifentlastungen durch die kalte Progression wieder zunichte gemacht. Im Rennen gegen die Inflation haben die Steuerzahler keine Chance, solange die kalte Progression ihr Unwesen treibt. Sie entsteht, weil der Staat die Beträge, ab denen die jeweiligen Steuersätze greifen, nicht an die Inflation anpasst. Dasselbe gilt für die Absetzbeträge. Auf diese Art und Weise besteuert der Staat die Inflation. Sehr zur Freude des Finanzministers.

Es werden aber nicht nur die Steuern gesenkt, sondern auch neue Umweltabgaben eingeführt. So bekommt CO2 erstmals einen Preis, der bei 30 Euro je Tonne CO2 starten wird, sukzessive ansteigt und ab dem Jahr 2025 werden die Bereiche Verkehr und Wohnen in einen nationalen Emissionshandel überführt. Die Mehrbelastungen durch die CO2-Bepreisung werden bis 2025 bei 4,6 Milliarden Euro erwartet.

Ganz generell ist das Umweltressort mit dem Start des Klimatickets der große Gewinner. Ihm werden allerdings auch die Auszahlungen des Ökobonus zugerechnet.

Alles in allem ein Budget, dem die Antworten auf die großen finanziellen Fragen der Zukunft fehlen. Vor allem jene, wie dieses Land die enormen Kosten einer alternden Bevölkerung zu schultern gedenkt.

Christoph Beranek, MSc., christoph.beranek@agenda-austria.at, +43 664 8878 9724

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