Bruno-Kreisky-Preis für das Politische Buch 2021 an Eva Menasse

Preis für das publizistische Gesamtwerk geht an Franz Schuh – Sonderpreis „Arbeitswelten – Bildungswelten“ geht an Günther Sandner und Boris Ginner

Wien (OTS/SK) – Bruno Kreisky betonte stets, durch das Lesen von Büchern „geformt worden zu sein“. Dieser Inspiration folgend wird seit 1993 der Bruno-Kreisky-Preis für das Politische Buch verliehen. Jährlich wird damit vom Karl-Renner-Institut in Zusammenarbeit mit dem SPÖ-Parlamentsklub und der sozialdemokratischen Bildungsorganisation politische Literatur ausgezeichnet, die für Freiheit, Gleichheit, soziale Gerechtigkeit, Solidarität und Toleranz einsteht. Es wurden Preise in fünf Kategorien vergeben. Den Hauptpreis für das Politische Buch des Jahres 2021 erhält Eva Menasse für „Dunkelblum“ (Kiepenheuer & Witsch, 2021). Der Preis für das publizistische Gesamtwerk wird heuer an Franz Schuh vergeben. Die Preisverleihungen finden im ersten Halbjahr 2022 in Wien statt. ****

Zum Hauptpreis: Gelungene historische Romane können große Stränge der Geschichte verdichten und das Zusammenwirken von gesellschaftlichen Strukturen und individuellem menschlichem Handeln besonders spür- und verstehbar machen. Wenn dies dann auch noch in herausragender literarischer Qualität wie bei Eva Menasse gelingt, dann soll man von einem Meisterwerk sprechen. In „Dunkelblum“ erzählt sie die Geschichte des Massakers von Rechnitz vor allem an Hand des Verschweigens, Vergessens und Verdrängens der Menschen des fiktiven Orts Dunkelblum. Es gelingt ihr, die Zustände des alltäglich-banalen menschlichen Zusammenlebens zu beschreiben, in denen eben auch haarsträubende Gräuel passieren können. Ihre Beschreibung der Umstände und der ganz „normalen“ Menschen ist präzise und erfolgt mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Bitterkeit. Menasse schafft es sprachlich jedoch, in den sich auftuenden Abgründen ebenso Raum für den Witz satirischer Überzeichnung und empathische Menschliebe zu finden.

Die weiteren Preisträger*innen im Überblick:

Der Preis für das publizistische Gesamtwerk wird heuer an Franz Schuh vergeben. Er ist einer der pointiertesten und hintergründigsten Essayisten dieser Republik. Sein Schreibstil sucht in Bezug auf Originalität und Punktgenauigkeit im deutschsprachigen Raum seinesgleichen. Sein Werk erreicht in Fragen des Umfangs und der Vielfältigkeit der Themen eine beeindruckende Breite. Scharfsinnig versiert in den unterschiedlichsten Disziplinen, analysiert und beschreibt er messerscharf die Gegenwart mit ihren Untiefen, Hinfälligkeiten und Heucheleien. Bei aller Erbarmungslosigkeit in der Kritik ist sein Schreiben stets getragen von einer Gesinnung des Humanismus, der Toleranz, der Weltoffenheit und der Selbstironie.

Der Sonderpreis „Arbeitswelten – Bildungswelten“ geht an Günther Sandner und Boris Ginner für ihr Buch „Emanzipatorische Bildung – Wege aus der sozialen Ungleichheit“ (Mandelbaum, 2021). Die beiden versammeln in ihrem Band unterschiedliche Autor*innen, die sich engagiert und beherzt einem drängenden Thema unserer Zeit widmen: den im Kapitalismus produzierten sozialen Ungleichheiten. Diese können entweder durch die herrschende Bildungspraxis verstärkt oder durch emanzipatorische Ansätze aufgezeigt und reduziert werden. Das Ziel des Buches ist die Schaffung des Bewusstseins, wie Bildung Benachteiligung fördern, aber eben auch mindern kann. Es werden Wege vorgestellt und Ziele definiert, wie emanzipatorische Bildung zu mehr sozialer Gleichheit beitragen und aus gesellschaftlichen und ökonomischen Abhängigkeiten befreien kann.

Der Anerkennungspreis wird heuer zweifach vergeben: An Natascha Strobl für ihre Schrift „Radikalisierter Konservatismus – Eine Analyse“ (Suhrkamp, 2021) und an Osama Abu El Hosna für sein Buch „Wie wir nicht sind – Mein Plädoyer gegen Vorurteile“ (edition a, 2021).

Es gibt Bücher, die kommen wahrlich zur rechten Zeit und treffen den Nagel auf den Kopf des Zeitgeists. So geschehen bei Natascha Strobl. Sie legt mit ihrer Analyse zum radikalisierten Konservativismus ein Buch vor, das politische Entwicklungen von Washington über Wien bis Budapest beschreibt. Konservative Mitte-Rechts-Parteien werden entweder von Rechten gekapert oder eignen sich rechte Sprachbilder und Inhalte an. Dem Konservativismus kommen „gutbürgerliche“ Grundorientierungen abhanden und geht das Bewahrenswerte verloren. Das ständige Kampagnisieren klarer Feindbilder und diffuser Erregungszustände sowie die Glorifizierung einzelner Führerfiguren prägen das politische Repertoire. In ihren eigenen Parteien reduzieren sie die Demokratie, setzen auf enge Machtzirkel und bedingungslose Personalisierung. Der Blick auf das gesellschaftliche Ganze geht verloren. Strobl analysiert punktgenau und messerscharf Strukturen, Sprache und Praxis einer entkernten traditionellen politischen Bewegung.

Die Frage, wie wir Österreicher*innen eigentlich seien, beschäftigt seit geraumer Zeit immer wieder die heimische Öffentlichkeit. So auch bei Osama Abu El Hosna, der sein bewegtes und für österreichische Verhältnisse beispielgebendes Leben in einem berührenden und klugen Buch zusammenfasst. Im Jahr 1997 im krisengebeutelten Gaza-Streifen geboren, floh er alleine vor Krieg und Hoffnungslosigkeit. In Österreich gestrandet, lernte er das Land schätzen und kämpfte darum, dass seine Familie 2012 nachkommen konnte. In dem Buch beschreibt er in spannender, kritischer und empathischer Weise sein Leben unter ambivalenten österreichischen Verhältnissen zwischen Flucht, Ankommen in Österreich, nicht Willkommensein im Weinviertel und seiner persönlichen Heldentat, als er beim Wiener Terroranschlag 2020 einem Polizisten das Leben rettete. Ob sich sein Wunsch nach der österreichischen Staatsbürgerschaft bald erfüllen wird?

Der Preis für besondere verlegerische Leistungen geht an den Paul Zsolnay Verlag. Dieser ist einer der renommiertesten Verlage der österreichischen Verlagslandschaft. Im Jahr 1924 wurde er von Paul Zsolnay in Wien als belletristischer Verlag gegründet. Unter anderem erschienen Werke von Heinrich Mann, Franz Werfel und H. G. Wells. Heute steht das Verlagshaus sowohl für deutschsprachige als auch für internationale Belletristik mit einem Schwerpunkt auf Süd- und Osteuropa sowie für eine breite Palette geisteswissenschaftlicher und politischer Sachbücher. Die Schriftenreihe zum Philosophicum Lech und „Profile – Magazin des Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek“ runden das Programm ab und stellen eine Verbindung zur angewandten Wissenschaft her. (Schluss) up/bj

Dr. Michael Rosecker
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