
Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 11. Jänner 2022. Von MICHAEL SPRENGER. „Kickl, schrill und laut“.
Innsbruck (OTS) – FPÖ-Obmann Herbert Kickl will die Impfgegner-Partei MFG in Schach halten und weiß, dass die FPÖ nach der nächsten Nationalratswahl in der Opposition bleibt. Beides nützt er dazu, um seine Politik weiter zu radikalisieren.
Die Rolle des Sympathieträgers nahm Herbert Kickl nie ein – wollte er auch nicht. Für SPÖ, Grüne und NEOS war er immerzu ein Brandstifter, der mit seiner Politik einen rechten und autoritären Kurs verfolgt hatte. Trotzdem, so kann er heute zu sich sagen, ist er in einer von Sebastian Kurz geführten rechtskonservativen Regierung zum Innenminister angelobt worden. Auch damals war Kickl keiner, der für sich Kreide als Nahrungsmittel akzeptiert hätte. Ganz im Gegenteil. Kickl verfolgte als Minister eine bewusst harte, provokante und letzten Endes mehr als nur rechtspopulistische Politik. Bis zum Erscheinen des Ibiza-Videos – mit dem Kickl nichts zu tun hatte – sorgte dies in der Kanzlerpartei für kein Problem. Doch dann wurde alles anders. Zwischen ÖVP und Kickl herrscht heute Hass.
Bei der Nationalratswahl verlor die FPÖ kräftig, stürzte aber nicht ab ins Bodenlose und landete bei 16,2 Prozent. Dann kam die Pandemie. Kickl erkannte früh, welche Möglichkeit dies für eine neu-rechte Hegemonie bedeuten kann. Er nahm den Linken die Begriffe Freiheit und Überwachung aus der Hand, spielte sich zum Verteidiger der Demokratie auf und entblödete sich nicht, Österreich als Diktatur darzustellen. Und weil er dafür Applaus erhält, schreit er der Menge noch gleich zu: „Wir sind das Volk!“ Welch eine Geschichtsvergessenheit. Nachdem Kickl Norbert Hofer im Frühsommer ins Abseits geschoben hatte, radikalisierte er seine Politik. Seine Rundumschläge werden härter, die Regierungsparteien nennt er Falotten. Er attackiert und verhöhnt den Bundespräsidenten.
In aktuellen Umfragen liegt die FPÖ jetzt zwischen 20 und 22 Prozent. Hat also Kickl alles richtig gemacht? Ja, wenn für den Parteiobmann ein Umfrageplus das Maß aller Dinge ist. Aber was macht er mit dieser Zunahme? Kickl weiß, so intelligent ist er, nach der nächsten Nationalratswahl wird die FPÖ jedenfalls auf der Oppositionsbank sitzen bleiben. Mögen auch einzelne FPÖler Kritik an seinem pandemischen Tiefflug nehmen, Kickl wird nicht ruhiger werden, sondern viel lauter und schriller. Er muss zuvorderst die Impfgegner-Partei MFG in Schach halten. Vor allem aber will er mittelfristig die FPÖ wieder auf über 25 Prozent bringen – denn ab dieser Stärke, so denkt Kickl, wird die ÖVP wieder schwach werden. So war es schon bei Wolfgang Schüssel und so war es auch bei Kurz. Und wie damals könnten sich wieder mediale Begleiter finden, die den Glanz des Neuen herbeischreiben. Und Kickl? Ein Sympathieträger war er eigentlich nie. Aber das war einmal schon egal.
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