Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 10. April 2022. Von LIANE PIRCHER. „Warum der Papst nach Kiew sollte“.

Innsbruck (OTS) – Viele EU-Politiker reisen in die Ukraine. Als Zeichen des Beistands für das angegriffene Land. Papst Franziskus wägt noch ab.

Als Zeichen der Unterstützung reisen EU-Politiker in die Ukraine – darunter auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Unabhängig von dieser Geste scheint niemand in der Lage zu sein, die russische Aggression zu stoppen. Seit einer Woche überlegt auch Papst Franziskus, nach Kiew zu reisen. Die Klitschkos und Präsident Selenskyj haben ihn eingeladen. Spätestens jetzt wäre es an der Zeit, dass der Papst mit seinem symbolträchtigen Papa-Mobil in Kiew einfährt und dort eine Messe hält. Am besten fordert er vorher noch die religiösen Führer anderer Weltregionen auf, ihm zu folgen. Bis dato waren all seine Versuche, Frieden zu stiften, eher eine Friedensdiplomatie der Verzweiflung. Er hat die ukrainische Fahne öffentlich geküsst, den Krieg verurteilt und mit Kyrill I., dem Patriarchen an Putins Seite, gesprochen. Alles ohne Ergebnis.
Beten, ja, aber die konkrete physische Präsenz Franziskus’ in dem Kriegsgebiet wäre ein ganz anderes, ein starkes Zeichen. Für die Ukraine. Für die Menschlichkeit. Für den Frieden. Wer, wenn nicht der Heilige Vater, wäre hier der Richtige? Doppelt dafür sprechen würde, dass der russisch-orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. nach wie vor Putins Waffengewalt religiös beisteht. Darüber sind viele Kirchen – auch aus der Orthodoxie – weltweit fassungslos. Gleichzeitig sagte der katholische Bischof von Odessa in Zeitungsinterviews, dass es zwischen Kyrill I. und Putin keinen Unterschied gebe. Papst Franziskus’ Reise wäre auch deshalb gut, weil er damit das Gegenteil zum einstigen Schweigen von Papst Pius XII. in der Nazizeit tun würde. Franziskus wäre eine Reise nach Kiew zuzutrauen. Schließlich hat er auch eine riskante Reise in das von Terror bedrohte Mossul im Nahen Osten gewagt. Er sollte mit seinem Beistand nicht länger zögern. Er wäre ein Gast des Friedens – ganz im Sinne seiner Berufung.

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