Verdeckte politische Werbung Ethikverstoß

Wien (OTS) – Nach Meinung des Senat 1 verstoßen die Beiträge „Weiteres Stadt-Versagen bei der ‚Tennishalle Bad Ischl‘“, „Grundstück versenkt – Parkplätze weg“ und „Kein guter Schulstart für Bad Ischl“, erschienen in der „Ischler Woche“ vom 15.09.2021, gegen die Punkte 3 (Unterscheidbarkeit) und 4 (Einflussnahmen) des Ehrenkodex für die österreichische Presse.

In den Beiträgen wurden politische Missstände in Bad Ischl thematisiert. In allen drei Beiträgen wurden diese Missstände der Ischler Bürgermeisterin angelastet. In einem der Beiträge wird ein damaliger Bürgermeister-Kandidat damit zitiert, dass ihm die Schüler und deren Eltern von Bad Ischl leid tun würden – das Schulgebäude sei baulich schwer beeinträchtigt. In einem anderen Beitrag wurde am Ende in etwas größerer Schrift noch hervorgehoben: „Es ist Zeit für einen Wechsel! Jetzt oder Nie!“. Zwei der Beiträge wurden unter der Rubrik „Sport & Freizeit“ veröffentlicht, der dritte Beitrag unter „Aktuell“. Das Schriftbild und die Aufmachung der Beiträge deuteten nicht darauf hin, dass es sich um keine redaktionellen Inhalte handelt.

Zwei Leserinnen kritisierten die Beiträge als nicht ausreichend gekennzeichnete Werbeeinschaltungen des in den Beträgen erwähnten genannten Bürgermeister-Kandidaten.

Die Medieninhaberin nahm am Verfahren vor dem Presserat teil. Die Redaktionsleiterin räumte ein, dass es sich bei den kritisierten Beiträgen um Werbeeinschaltungen handle; die Unterscheidbarkeit sei aber durch den Rahmen und die von den redaktionellen Beiträgen abweichende Typografie gegeben. Allerdings nehme man zur Kenntnis, dass die Unterscheidbarkeit möglicherweise unzureichend gewesen sei; deshalb habe man schon zuvor reagiert und kennzeichne seither bezahlte Einschaltungen mit dem Wort „Anzeige“. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat betonte die Redaktionsleiterin nochmals, dass man die neue Kennzeichnungspraxis in Zukunft fortsetzen wolle.

Der Senat weist darauf hin, dass es den Leserinnen und Lesern prinzipiell möglich sein muss, zwischen (bezahlter) Werbung und redaktionellen Beiträgen unterscheiden zu können. Eine Werbeeinschaltung ist als solche zu kennzeichnen, sofern die Aufmachung und das Layout dem redaktionellen Erscheinungsbild entsprechen.

Der Senat stellt fest, dass sich die zu überprüfenden Beiträge in Bezug auf das Erscheinungsbild nicht ausreichend von den übrigen Veröffentlichungen in der „Ischler Woche“ abheben: Die Typografie der Einschaltungen unterscheidet sich v.a. wegen der ähnlichen Schriftgröße und dem Druck in schwarz nicht wesentlich von den redaktionellen Beiträgen. Die etwas andere Schriftart reicht nicht aus, dass die Leserinnen und Leser den textlastigen Beitrag als Werbeeinschaltung erkennen; zudem ist auch die schwarze Umrandung der Beiträge nicht geeignet, den Charakter einer Werbeeinschaltung deutlich genug hervorzuheben. Nach Meinung des Senats könnte es sich vielmehr auch um einen Kommentar der Redaktion handeln.

Die Leserinnen und Leser wurden somit in die Irre geführt. Der Beitrag selbst, der offenbar von einer wahlwerbenden Gruppe stammt, ist politisch einseitig und weist daher nicht die erforderliche journalistische Distanz auf. Nach Auffassung des Senats ist die unzureichende Kennzeichnung auch aus demokratiepolitischer Sicht bedenklich, da es sich um Werbeeinschaltungen eines Bürgermeister-Kandidaten während seines Wahlkampfs handelte und die Beiträge dazu dienen, die Wählerinnen und Wähler mit einem vermeintlich unabhängigen Beitrag zu beeinflussen. Die Senate des Presserats haben bereits in der Vergangenheit politische Einflussnahmen auf redaktionelle Inhalte als medienethisch unzulässig eingestuft.

Da die Beiträge den Eindruck vermitteln, dass sie von der Redaktion gestaltet worden sind, hätte eine Kennzeichnung z.B. als „Werbung“, „Werbeeinschaltung“ oder „(bezahlte) Anzeige“ erfolgen müssen. Die aus medienethischer Sicht erforderliche Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten wurde hier missachtet, sodass die Beiträge gegen die Punkte 3 und 4 des Ehrenkodex für die österreichische Presse verstoßen (Unterscheidbarkeit; Einflussnahmen). Der Senat begrüßt es jedoch, dass derartige Beiträge inzwischen als „ANZEIGE“ unterhalb des jeweiligen Beitrags gekennzeichnet werden. Der Senat unterstützt die Redaktionsleiterin bei ihrem Vorhaben, die neue Kennzeichnungspraxis beizubehalten, und fordert die Geschäftsführung dazu auf, diese Position in Zukunft auch gegenüber Werbekunden zu vertreten.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG MEHRERER LESERINNEN UND LESER

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der drei Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 1 des Presserats aufgrund einer Mitteilung mehrerer Leserinnen und Leser ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund von Mitteilungen). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der „Ischler Woche“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, Gebrauch gemacht

Die Medieninhaberin der „Ischler Woche“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt.

Tessa Prager, Sprecherin des Senats 1, Tel.: +43 – 1 – 23 699 84 – 11

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