Besserer Schutz für Whistleblower – eine Illusion?

An der EU-Richtlinie zum verbesserten Hinweisgeberschutz kommt kaum ein Unternehmen vorbei, das Gesetz ist allerdings umstritten.

Noch haben Unternehmen Zeit, die erforderlichen Meldesysteme einzurichten. Bereits jetzt besteht für Whistleblower die Möglichkeit, sich an externe Meldestellen zu wenden. Diese sollen nach Verabschiedung des HSchG (Hinweisgeberschutzgesetz) mehr an Bedeutung gewinnen. 

Whistleblower können sich an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt (WKStA), an die Finanzmarktaufsicht (FMA), an die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) oder auch an das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) wenden. Auf einer Veranstaltung des von LexisNexis initiierten Compliance Netzwerks gaben Vertreter aller relevanten Behörden im Rahmen einer Podiumsdiskussion vor rund 150 Gästen Einblicke, wie es in Österreich um den Hinweisgeberschutz bestellt ist. Im Verlauf des Abends kristallisierte sich heraus, dass die Hoffnung auf einen starken Hinweisgeberschutz in Österreich – zumindest in einigen Bereichen – weiter eine Illusion bleibt.  

Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) langten in den letzten zehn Jahren weit über 15.000 Meldungen über das webbasierte Hinweisgebersystem ein, erläuterte OStA Marcus Schmitt. Die meisten, in der Mehrzahl anonymen Meldungen, fielen gar nicht in die Zuständigkeit der Behörde, die sich nur um große Wirtschaftsverfahren und politisch brisante Fälle kümmert. Nur 2,81 Prozent aller Hinweise passten zur Zuständigkeit der WKStA. Der schwammige Begriff „Korruption“ ziehe eben auch viele „Leute mit verdichtetem Rechtsbewusstsein“ (anders gesagt: Querulanten) an, so Schmitt. 

Laut Fiona Springer von der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) richtet sich das Whistleblowing-System weniger an die breite Masse als an „informierte Hinweisgeber“. Meldende Personen leitet die FMA an, wie sie ihre Identität schützen können. Die Behörde interessiert sich vorrangig für die Substanz der Meldungen, nicht so sehr für die Identität der Meldenden. 

Von ähnlichen Erfahrungen wie in der FMA berichtete die stv. Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), Natalie Harsdorf-Borsch: Auch die seit 2017 betriebene Meldestelle der BWB erreichen relativ wenige, dafür sehr gezielte Hinweise. „Teilweise sind die Beschwerden so ausgefeilt, dass ich den Eindruck habe, sie wurden vom Rechtsanwalt verfasst“, erzählte Harsdorf-Borsch. Dabei nutzen auch juristische Personen teilweise den anonymen Weg.

BREITE THEMENPALETTE IM BUNDESKRIMINALAMT

Ganz am Anfang der Erfahrungssammlung steht das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung und -prävention (BAK). Im Referat von Christian Kramer wird Österreichs externe Meldestelle iSd Whistleblower-Richtlinie eingerichtet, die gleichzeitig als interne Meldestelle des BMI fungieren wird. Aktuell evaluiert man verschiedene Hinweisgebersysteme, legt Prozesse fest und sucht geeignetes Personal, damit das System, wie gesetzlich vorgesehen, Ende August online gehen kann.  

Den Präsentationen folgte eine lebhafte Debatte auf dem Podium und mit dem Publikum. Dabei sorgten vor allem die Erklärungen von OStA Marcus Schmitt für Diskussionen. Er hatte für potenzielle WKStA-Whistleblower eine Warnung parat: „Der Anonymitätsschutz gilt für Hinweisgeber nur so lange, bis man sie gefunden hat.“ Zwar erfolgt der Austausch über das Hinweisgebersystem völlig anonym, trotzdem können etwa Metadaten elektronischer Dateien oder Inhalte übermittelter Dokumente Rückschlüsse auf die Identität der Meldenden zulassen. Aber auch Hinweise an sich können verräterisch sein, da sie oft Täterwissen voraussetzen. Ist der Whistleblower erst einmal im Akt – was die Strafprozessordnung (StPO) zwingend vorsieht – haben sowohl die Verteidiger beschuldigter Personen als auch die Staatsanwaltschaft Interesse daran, die Hinweisgeber-Identität zu kennen. Nur so lassen sich alle Verfahrensrechte der StPO zum Zweck der Verteidigung, Befragung etc. voll ausschöpfen. Whistleblower „sitzen dann nicht mehr am Steuer, sondern sind Passagiere des Verfahrens“, verdeutlichte Schmitt.

Ähnlich äußerte sich Christian Kramer in Bezug auf die externe Meldestelle des BAK. Als Polizeibehörde ist das BAK nicht nur an die StPO, sondern auch an das Prinzip der Amtswegigkeit gebunden: Sie muss in bestimmten Fällen von sich aus ein Ermittlungsverfahren einleiten. Wer „nur mal schnell etwas mitteilen will“, kann schnell Protagonist eines Verfahrens werden, mit allen geschilderten Konsequenzen. Auch hier „sticht“ also die StPO das HinweisgeberInnenschutzgesetz. 

Wo also sollen sich Menschen hinwenden, die Missstände in Unternehmen anonym aufzeigen möchten? An das eigene Unternehmen, an eine externe Meldestelle, an die Medien? Klar scheint, dass den allerbesten Anonymitätsschutz für Tippgeber in Österreich nach wie vor das journalistische Redaktionsgeheimnis bietet. 

Nach diesem spannenden und hochkarätigen Auftakt darf man auf die nachfolgenden Compliance Treffen in diesem Jahr gespannt sein. Die Zeitschrift Compliance Praxis hat weiterführende Informationen zum derzeit topaktuellen Thema Whistleblowing in einem Themenspecial aufbereitet.

LexisNexis
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