
21. Wiener Landtag (1)
Um 9 Uhr begann im Rathaus eine Sitzung des Wiener Landtages, die auf Verlangen des FPÖ-Rathausklubs einberufen wurde. Das Thema der Sitzung lautete: „Jugendschutz darf nicht durch Förderungen der Stadt Wien ausgehebelt werden!“. Fragestunde und Aktuelle Stunde entfielen.
Zur Begründung der Einberufung der Sitzung trat StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) vor den Landtag. Nepp versuchte sich darin, die Argumente seiner „Gegner“ vorauszusagen: Homophobie, Frauenfeindlichkeit und Wissenschaftsfeindlichkeit. Diese vermuteten Argumente werde er in seinem Redebeitrag widerlegen. Die Transgender-Lobby habe ihn im Vorfeld der Debatte „mit Hass überzogen“, davon werde er sich aber nicht einschüchtern lassen. Auslöser für die Einberufung seien Lesungen von Dragqueens vor Kinder gewesen, die mit Steuergeldern gefördert worden seien. Dragqueen-Veranstaltungen seien ihm persönlich gleichgültig, aber vor Kindern habe das „nichts zu suchen“. Dazu brachte Nepp einen Antrag ein: Ein Verbot solcher Veranstaltungen „im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes“. Die Agenda, die man den Kindern präsentieren wolle, würde bei diesen Veranstaltungen immer wieder transportiert werden. Die eigene Sexualisierung solle den Kindern „nicht vorgeschrieben“ werden. Die Transgender-Welle sei von den USA herüber geschwappt, dort würde sich jetzt Widerstand dagegen bei „normalen“ US-Familien formieren. Nepp erwähnte ein Beispiel einer 12-Jährigen in den USA, die sich durch die „Indoktrinierung“ veranlasst sah, ihre Brüste abzunehmen, was sie nun bereuen würde. „Diese Transgender-Agenda darf in Wien nicht weiter gefördert werden“, verlangte Nepp. Hormontherapien bei Sexualstraftätern würden abgelehnt, gleichzeitig würde das selbe Medikament bei Kindern verwendet werden. Diese „fatale“ Transgender-Entwicklung zeige sich international auch beim Sport: Nepp erwähnte das Beispiel eines biologischen Mannes, der sich als Frau definiere, um dann als Schwimmerin Wettbewerbe gegen seine weiblichen Konkurrentinnen zu gewinnen. „Da müssen sogar die sogenannten Frauenrechtlerinnen dazu schweigen“, meinte Nepp. „Was wäre, wenn ein Mann sich als Frau definieren würde, um in ein Frauenhaus zu gelangen? Was würde dann passieren?“, stellte Nepp Fragen in den Raum. Man sehe, wie „absurd diese Transgender-Politik“ sei, wenn biologische Geschlechter einfach ausradiert würden. „Wer diese Transgender-Agenda unterstützt, ist in Wahrheit frauenfeindlich, weil dann Frauenrechte mit Füßen getreten werden“, formulierte Nepp. „Biologisch gibt es nur zwei Geschlechter, alles andere ist wissenschaftlicher Schwachsinn“, so Nepp, der einen Antrag betreffend „zwei biologische Geschlechter“ ankündigte. Zum Thema Kinder- und Jugendschutz würden ebenfalls weitere Anträge eingebracht werden. In der gesamten Transgender-Debatte sei auch von den konservativen Kräften weggeschaut worden, „aber irgendwann ist genug – es gibt nur zwei Geschlechter, es gibt nur Mann und Frau“, schloss Nepp.
LAbg. Thomas Weber (NEOS) stellte fest, der FPÖ gehe es bei dieser Sitzung wohl nicht um Kinderschutz, sondern darum Hass gegen homosexuelle und Transgender-Menschen zu säen – „das ist unterste Schublade“. Das „wirklich grausame, herz- und gewissenlose“ sei das Spiel mit dem Schmerz von vielen queeren Menschen, die in einer Welt voller Anfeindungen leben würden. Queere Jugendliche hätten eine vier- bis sechsfach höhere Suizid-Häufigkeit als andere Jugendliche. „Liegt das an Kinderbuch-Lesungen oder an den Worten, die hier heute ausgeführt worden sind. Haben Sie, Herr Nepp, schon einmal nachgedacht, woran das liegt“, frage Weber. Dieser Landtag sei wegen einer Märchenbuch-Lesung einberufen worden, bei der kindergerecht aus einem Kinderbuch gelesen worden sei: „Das sagt mehr über ihre Geisteshaltung, als alles, was ich bisher von Ihnen gehört habe“, so Weber in Richtung Nepp (FPÖ).
StR Peter Kraus, BSc (GRÜNE) meinte, dass die Worte der FPÖ gehört würden – auch von jungen Menschen, die transgender oder queer seien. Kraus wolle, dass diese auch hören, „dass das, was die FPÖ sagt, nicht die Mehrheit in unserer Stadt ist“. Bei jedem LGBTIQ-Thema sei es „immer“ die FPÖ, die sich über das Thema als Erste aufregen würde. Es werde eine Bedrohung konstruiert, doch in Wahrheit gehe es nur um eine Lesung aus einem Märchenbuch. Die „wahre FPÖ-Ideologie“ sei es, alles was nicht der eigenen Gedankenwelt entspricht, zu verbieten. Es gebe andere wichtige Themen über die man debattieren könne, zum Beispiel fehlende Fachkräfte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, und nicht darum, „solche Scheindebatten zu führen“. In den USA würden bereits einige Drag-Shows verbieten. Die gleichen Menschen, die das dort machen, wollen beispielsweise ebenfalls verbieten, dass in Schulen über Menstruation gesprochen wird. „Das ist ein rückwärtsgerichtetes Programm“, meinte Kraus. „In Wien kannst du frei und so leben, wie du willst, weil die FPÖ in dieser Stadt nichts zu sagen hat“, so Kraus. Man müsse zwar politisch gegen die Argumente der FPÖ auftreten, aber nicht jedes Spiel der FPÖ automatisch mitspielen. „Auf dem Rücken der Kinder und auf Kosten der Demokratie macht man keine Parteipolitik“, schloss Kraus.
LAbg. Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP) zeigte sich von der wissenschaftlichen Rede von Nepp (FPÖ) positiv überrascht, von der Rede Webers (NEOS) hingegen negativ. Die Tatsachen seien laut Hungerländer einfach und klar: „Dragqueen-Shows haben vor kleinen Kindern nichts verloren. Es gibt zwei biologische Geschlechter, nicht mehr – eine Diskussion darüber ist absurd.“ Kinder und Jugendliche in der sensiblen Phase der Pubertät zu beeinflussen sei falsch, genauso wie Vereine zu fördern, die Hormontherapien bei Beratungen von Jugendlichen anbieten würden. Dadurch würden aufgrund einer „falschen Agenda unglückliche Menschen produziert werden“. Viele Naturwissenschaftlerinnen würden heutzutage sich mit dem Thema „gefühltes Geschlecht“ auseinandersetzen, in Deutschland sei von einem solchen Zusammenschluss vor Frühsexualisierung gewarnt worden. „Ein junger Mensch ist sich nicht sicher über seine Rolle in seiner Gesellschaft, als Lösung wird dann eine Geschlechtstherapie angeboten. Es sei ein meilenweiter Unterschied zwischen Maßnahmen gegen Diskriminierung und einseitiger Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen. „Die Leidtragen sind Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Sie übertreiben es, wie sie es so oft tun“, sagte Hungerländer in Richtung Stadtregierung.
LAbg. Mag. Stephan Auer-Stüger (SPÖ) begann mit beruhigenden Worten an alle Zuhörenden: „Wien liebt dich so, wie du bist“. Alle gemeinsam müssten daran arbeiten verschiedene Ausdrucksformen von Geschlecht und Sexualität nicht nur zu akzeptieren, sondern gemeinsam für eine Gesellschaft arbeiten, in der das möglich werde. Die Behauptung, dass Lesungen von Dragqueens Kinder gefährden würden, habe den selben Wahrheitsgehalt wie die Behauptung, dass Faschingsveranstaltungen Kinder gefährden würden. Das Gegenteil sei der Fall – Kinder würden durch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Rollen Sicherheit für ihr erwachsenes Leben gewinnen. Gegen das politische Vorgehen der FPÖ brauche es ein geeintes Auftreten dagegen, verlangte Auer-Stüger. Das Ergebnis der FPÖ-Diffamierung gegen Dragqueens seien Drohungen gegen die Veranstalter, gegen die Dragqueens und gegen die Teilnehmenden an der Lesung. Diese Menschen müssten jetzt von der Polizei geschützt werden – „in Wahrheit gefährden Sie die Kinder“, sagte Auer-Stüger in Richtung FPÖ. Wien werde immer an der Seite der LGBTIQ-Community stehen, versprach Auer-Stüger. Die heutige „Show“ der FPÖ habe ideologische Gründe, denn die Freiheitlichen wollten einen Kulturkampf von der Stange brechen, so wie es zum Beispiel in Ungarn oder Russland passiert sei. Wichtiger als das, seien Debatten über eine umfassende Gleichberechtigung auf allen Ebenen oder den Schutz von Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bedroht würden. Für die Geschichte der LGBTIQ-Community, hätten die Dragqueens eine wichtige Rolle gespielt, schloss Auer-Stüger. (Forts.) nic
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